6. Oktober 2023
Erster Dorfschreiber überreicht letzten Dorfschreiberpreis in Katzendorf: Gedenken an Heinrich von Wlislocki in Bildern, Musik und Worten
Ein Stipendium für einen Stadt- oder auch einen Dorfschreiber auszuloben, ist eigentlich ein PR-Gag, um Anlässe zu schaffen für die Auseinandersetzung mit Belletristik, für zwanglose Begegnungen und Inspiration, kurz, um Kunst und Kultur zu fördern. Auch der Dorfschreiberpreis von Katzendorf, den Frieder Schuller seit 1992 in unregelmäßigen Abständen im ehemaligen Pfarrhaus in Katzendorf vergibt, hat das Ziel, bestimmte Themen oder einzelne Künstler ins Scheinwerferlicht der Medien zu stellen, einen unmittelbaren Zugang zu Kunst und Künstlern zu schaffen, Vertreter verschiedener Nationalitäten zusammen zu bringen und den Rahmen für unbeschwerte und originelle Feste zu schaffen.


Für das Jahr 2023 hatte Frieder Schuller nun eine ganz neue Idee: Da es anfangs schien, als müsse das Fest ganz ohne institutionelle Förderung auskommen, entschied er, den Preis posthum zu vergeben, und zwar an den siebenbürgischen Tsiganologen Heinrich Adalbert von Wlislocki (1856-1907).
In der Einladung versprach er: „Beiläufig, fast vergessen, trotz seiner Einmaligkeit, soll Wlislocki neben dem unbekannten Grab in Mühlbach/Sebeș auch in Katzendorf eine lebendige Bleibe für eine kleine Ewigkeit haben.“
Dafür, dass die Persönlichkeit des Tsiganologen vor dem inneren Auge der Zuschauer wirklich lebendig wurde, sorgte der siebenbürgische Autor und ehemalige Lehrer Konrad Klein mit seiner lebhaften Erzählung, mit Fotos und Postern. Er zeichnete den Lebensweg des Volkskundlers, Sprachwissenschaftlers und Übersetzers nach und berichtete von den eigenen Forschungsreisen auf der Suche nach Wlislockis Spuren. Spannend war sein Bericht über die erfolgreiche Suche nach dem Elternhaus des Gefeierten, das er in der Postăvarului-Straße Nr. 15 in Kronstadt ausfindig machen konnte. Auch die Suche nach Wlislockis Grab auf dem Friedhof in Mühlbach (Sebeş) schilderte er eindrucksvoll. Da der Forscher keine Nachkommen hatte und die Ruhezeit abgelaufen war, wurde die Grabstelle in den 1920ern neu belegt.

„Die Zigeuner in der englischen Literatur“ waren das Thema des Anglistik-Professors Schenkel. Er erklärte die Etymologie des Wortes „gypsy“, das aus dem Mittelenglischen kommt und auf „egyptians“ zurückzuführen sei, also auf das angebliche historische Herkunftsgebiet der Roma, Ägypten. Selbst die Romantiker, die die Freiheit, erotische Ausstrahlung und Wildheit der Roma begeistert besungen hätten, hätten die negativen Klischees bedient und diese Menschen ausgegrenzt.
Schenkel war es auch, der als erster Dorfschreiber von Katzendorf den, wie Schuller versichert, letzten Dorfschreiberpreis an Adela Pancă überreichte, eine Romni aus dem Dorf. Damit soll auf diese Randgruppe aufmerksam gemacht, die in Katzendorf 70 Prozent der Bevölkerung stellt und doch verhältnismäßig wenig in Erscheinung tritt.


Es wäre schön, wenn der achte Dorfschreiberpreis doch nicht der letzte bliebe.
Margrit Csiky
Weitere Infos unter:http://www.filmschoolkatzendorf.de
http://www.filmschoolkatzendorf.de/ueber-das-projek/
https://www.tag24.de/dresden/dresden-veranstaltungen/am-hauptbahnhof-beruehrende-schau-ueber-das-schicksal-der-sinti-und-roma-2964380
Schlagwörter: Literatur, Dorfschreiber, Katzendorf, Frieder Schuller
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- 08.10.2023, 12:39 Uhr von Georg Coulin: Zum Begriff „Zigeuner“. Wenn auf der Katzendorfer Veranstaltung Elmar Schenkel erfreulicherweise ... [weiter]
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