27. Mai 2024

Zwischen Reschitza und Wolfsberg: 34. Deutsche Literaturtage

Vier Tage Literatur, interkultureller Austausch der Vertreter deutschsprachiger Literatur aus Rumänien, Deutschland, Slowenien und Ungarn fanden während der 34. Deutschen Literaturtagen in der deutschen „Alexander Tietz“-Bibliothek in den letzten Apriltagen in Reschitza statt. Ein Tableau der Vielseitigkeit der verschiedenen Literaten und der verschiedenen Formen literarischen Schaffens aus dem deutschsprachigen Raum Osteuropas boten die Lesungen der dort versammelten Autorinnen und Autoren. Die Tagung, organisiert und geleitet von Erwin Josef Țigla, dem Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, vielfach ausgezeichneter Fotograf und Autor, wurde unterstützt vom Kulturwerk Banater Schwaben, dem Kultusministerium aus Bukarest, dem Land Steiermark und Kärnten, dem Alpenländischen Kulturverband Graz, dem Demokratischen Forum der Deutschen im Banat und der Banater Berglanddeutschen und anderen.
Am 25. April wurde die Tagung festlich eröffnet von Erwin Josef Țigla, der diese Literaturtage mit großem Erfolg all die 34 Jahre organisiert hat. Werner Kremm aus Reschitza stellte seine Fotoausstellung „Eine Porträtsammlung von Teilnehmern der vergangenen Literaturtage“ vor und die Autorin und Redakteurin der Banater Post, Stefana Ciortea-Neamtiu aus Temeswar, lud mit einer Präsentation ihres Reportage- und Kulturberichte-Buches zur Lektüre von „Kulturerlebnis Temeswar“, CosmopolitanArt-Verlag, Temeswar 2023, ein. Zwei weitere interessante Buchpräsentationen kamen von dem Historiker Volker Wollmann, der den Industriearchäologen „Johann Michael Ackner, 1782-1864. Leben und Werk“ im Honterus-Verlag, Hermannstadt erschienen, porträtierte. Ein weiteres gut recherchiertes Buch über die Geschichte der rumänischen Bierbrauereien stellte Traian Popescu vor, 2024 erschienen. Edith-Guip-Cobilanschi, Deutschlehrerin, Autorin und einst eine rege Teilnehmerin der Literaturtage, wurde von Balthasar Waitz und Erwin Josef Țigla erinnert.
Teilnehmer vor der Bibliothek. Bildquelle: ...
Teilnehmer vor der Bibliothek. Bildquelle: Demokratisches Forum der Banater Berglanddeutschen
Edith Ottschofski überraschte mit einer Lesung neuer unveröffentlichter Prosatexte, über die Hellmut Seiler kommentierte, dass sie eine nicht sofort erkennbare Tiefe von Alltagsproblemen darstellten. Der Soziologe Anton Sterbling aus Fürth las aus seinem neuen Erzählband „Rückreise aus dem Klimadelirium oder das Lenautreffen Wien“, im Pop-Verlag, Ludwigsburg 2024 erschienen. Ihm folgte Barbara Zeizinger mit Passagen aus ihrem ebenso im Pop-Verlag erschienenen historischen Roman „Leben in Etagen“ mit Nachkriegsszenen aus Darmstadt. Werner Kremm las Ausschnitte aus dem Buch des Polirom-Verlags, Jassy über eine deutsch-jüdische Familie namens Halle. Thomas Krause aus Braunschweig las eine Kurzgeschichte. Die Ausstellung „Momentaufnahmen“ wurde am Nachmittag von Eva Seiler-Iszlai eröffnet, der ausgewählten Porträts von Teilnehmern der Literaturtage vorstellte. Es folgte der aus Reps stammende Hellmut Seiler, der als Gründer und Initiator des Rolf-Bossert-Gedächtnispreises auch diesmal wieder in Reschitza dabei ist. Sein Gedichtband der Edition Noack&Block aus Berlin „Aufhebung der Schwerkraft. Lyrik“ und der neueste Band „Wolfsberg oder Die Tiefe der Stille“, 2024 erschienen, wurde vorgestellt von Katharina Kilzer. Seiler las daraus vor. Es folgte Balthasar Waitz mit einer Lesung aus seinem Buch „Als wir im Dunkeln saßen“ – Erinnerungsliteratur mit humorigen Einlagen.

Anton Sterbling und Werner Kremm sprachen über „Flucht der Deutschen aus dem Banat im Herbst 1944“, der in der „Banater Bibliothek", Band 26 ist. Der Band, herausgegeben von Albert Bohn, Werner Kremm und Anton Sterbling, wird auch im Temeswarer Cosmopolitanart Verlag als ein Doppelband ergänzt durch den zweiten Band des Historikers Josef Wolf erscheinen. Der Ludwigsburger Verleger Traian Pop Traian aus Kronstadt, der seit Jahren nicht nur engagiert in der Veröffentlichung der deutschsprachigen Literatur Rumäniens ist, sondern Bücher anderer osteuropäischer Autoren veröffentlicht, ist selbst Autor und Herausgeber, der in Reschitza die neueste Ausgabe der Literaturzeitschrift „Bawülon“ vorstellte.

Am Samstag gehörte die Bühne den aus Ungarn angereisten Autoren und Vertretern des Kulturvereins „Freundeskreis Murgebiet“ aus Werischwar, die ihre Tätigkeiten als deutschsprachiger Verein in Ungarn bekanntmachten. Aus Schomberg war Josef Michaelis angereist, der aus seinem Band „Tierkonzert“, 2023 vorgelesen hat, gefolgt von dem Autor Nelu Bradean-Ebinger aus Budapest mit neuen Texten und Johann Schuth, der Vorsitzende des Verbands Ungarndeutscher Autoren (VUdAK). Zwei junge Frauen, Vertreterinnen der ungarnschwäbischen Literatur der 123 000 Ungarndeutschen, stellten ihre sehr interessanten Bücher vor. Csilla Susi Szabó aus Surgetin las Gedichte untermalt von Zeichnungen und Christina Arnold aus Nadasch bei Fünfkirchen begeisterte mit lustigen Kinderreimen.

Am Nachmittag las Beatrice Ungar, Redakteurin der Hermannstädter Zeitung, Geschichten aus der Festschrift, die Eginald Schlattner zum 90. Geburtstag gewidmet wurde: „Die Erde ist gewachsen“. Ebenso aus Siebenbürgen reiste wie in vielen anderen Jahren auch Joachim Wittstock an und stellte einen historischen Roman vor: „Romanhafte Chronik“ – „Das erfuhr ich unter Menschen“. Wittstock wurde anschließend von Tigla ausgezeichnet für 25 Jahre Teilnahme bei den Literaturtagen in Reschitza. Es folgte ein weiterer interkultureller Beitrag des aus der Lausitz angereisten Autors der Sorben-Gemeinschaft Deutschlands Benedikt Dyrlich. Er stellte das ins Sorbische übersetzte Buch mit Gedichten von Traian Pop vor und las eigene Gedichte des Pop-Verlags auf Sorbisch/Deutsch „Posledni sneh“ (Der letzte Schnee).

Eine der einfühlsamsten Vorstellungen gehörte dem Preisträger des Rolf-Bossert-Gedächtnispreises“ von 2022, Bastian Kienitz aus Mainz. Begleitet von interessanten Bilderprojektionen moderner Kunst, las er seine dazu verfassten Gedichtzeilen vor.

Der Abend endete mit der Gala-Verleihung des Gedächtnispreises Rolf-Bossert 2024 in der einstigen Schule von Rolf Bossert, dem im ehemaligen Hochofen-Industriegebiet Reschitzas gelegenen zweisprachigen „Diaconovici-Tietz“ Kolleg. In Begleitung einer Ausstellung aus Archiven über den Schüler und Autor Rolf Bossert, begrüßte Erwin Țigla zusammen mit der stellvertretenden Schulleiterin die Gäste. Hellmut Seiler sprach einführende Worte zur Verleihung des Preises an den Dramaturgen, Autor und Dichter Dietrich Machmer, in Worms geboren. Die Laudatio sprach Bastian Kienitz, gefolgt von den Dankesworten des Preisträgers. Dieser war zum ersten Mal in Rumänien und gab sich beeindruckt von der Vielfältigkeit der Landschaften, Sprachen, Kulturen, die er kennenlernte. Anschließend las er die sieben Gedichte vor, die als beste Einsendung der 127 Bewerber von der Jury des Gedächtnispreises (Olivia Spiridon, Katharina Kilzer, Werner Kremm, Hellmut Seiler, Bastian Kienitz) bewertet wurden. Es folgte eine Schulführung durch das 150 Jahre alte Gymnasium, das in der etwas trostlosen Umgebung der verlassenen Hochofen-Industrie ausharrt.
Gruppenbild der Teilnehmer in Wolfsberg. ...
Gruppenbild der Teilnehmer in Wolfsberg. Bildquelle: Demokratisches Forum der Banater Berglanddeutschen
Schließlich gehörte die Aufmerksamkeit am letzten Tag zunächst den aus Maribor, Slowenien angereisten Autoren. Veronika Harin, Vertreterin des Kulturvereins Deutschsprachiger Frauen in Slowenien und Ivan Korponai aus Stehanja, Slowenien, stellten Texte vor. Der nächste Tagespunkt gehörte der Thematik des Literatur-Ausflugs in das einstige Deutschböhmen Dorf der Banater Berge: Wolfsberg. Katharina Kilzer las eine Erinnerungsgeschichte an ihre Zeit als Lehrerin im Dorf 1978 vor. Danach stellte sie das Buch „Germanii din Banat“ (Die Deutschen aus dem Banat) – Zeitzeugenberichte und -interviews banatschwäbischer Herkunft aus den Dörfern des Banats (Nitzkidorf, Triebswetter, Jahrmarkt, Schöndorf u.a.) und des Banater Berglands, herausgegeben in zweiter Auflage 2017 im Polirom-Verlag, Jassy von der Literaturprofessorin Smaranda Vultur. Die Wolfsberger Zeitzeugen enthüllten Szenen aus deren Leben und Sein in dem einstigen böhmischen Dorf in den Banater Bergen über „Die Wassermühle von Wolfsberg“ der Familie Hausner und die Erinnerung eines echten Böhmendeutschen „Ferdinand Rank: Ein Waldmensch“.

Ein besonderer Höhepunkt der Literaturtage waren die Lesungen der Temeswarer Literaturkreises Stafette, vertreten durch Henrike Brădiceanu-Persem, Arnold Schlachter, Benjamin Burghardt, Arthur Funk und Bianca Barbu, die ihre Werke vortrugen, und Henrike Brădiceanu-Persem stellte den neuen Sammelband der Stafette vor, zum ersten Mal von ihr selbst herausgegeben. In der Hoffnung, den regen Austausch mit deutschen und deutschsprachigen Vertretern der Literatur zu vertiefen, bedankte sich auch der Veranstalter bei den Stafette-Mitgliedern.

Die 34. Deutschen Literaturtage in Reschitza gingen zu Ende mit einem sehr schönen Ausflug bei strahlendem Sonnenschein ins Banater Bergland, nach Franzdorf zum Stausee und nach Wolfsberg mit einem Besuch in der Kirche, wo Herbert Weinfurther über die Geschichte und Besiedlung des Dorfes berichtete und die Gruppe anschließend in seinen Garten der Pension Heidi am Fuße des Kreuzweges von Wolfsberg neben der Kirche einlud. Erwin Țigla verabschiedete die Teilnehmer mit dem Versprechen, dass die nächsten Literaturtagen in Reschitza bereits einen festen Termin haben.

Katharina Kilzer

Schlagwörter: Literaturtage, Reschitza, Banat, Berglanddeutsche, Wolfsberg

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