3. Januar 2006

"Enzyklopädische Spannweite" und "Wagemut"

War die Veranstaltung zu Ehren des achtzigjährigen Hans Bergel im Münchner Haus des Deutschen Ostens (diese Zeitung berichtete) für ein breiteres Publikum gedacht, so war das am 9. Dezember letzten Jahres vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas in Zusammenarbeit mit dem Südostdeutschen Kulturwerk e.V. durchgeführte literarische Symposium wissenschaftlicher Natur und einem kleinen Kreis vorbehalten. Unter dem Titel "Worte und Wege im 20. und 21. Jahrhundert, der siebenbürgische Schriftsteller und Publizist Hans Bergel" hatten die Gastgeber in der Münchner Halskestraße Nummer 15 fünf ausgewiesene Literaturhistoriker bzw. -wissenschaftler z.T. weither eingeladen, um über Bergels Werk zu referieren.
Die Germanistin und Historikerin Dr. Renate Windisch (Berlin), Prof. Dr. George Gutu und Universitäts-Assistentin Raluca Radulescu (beide vom Bukarester Germanistik-Lehrstuhl), der Kunstwissenschaftler Johann Adam Stupp (Möhrendorf bei Erlangen) und Honor.-Prof. Dr. Peter Motzan (München) boten nach der Begrüßung durch den Institutsdirektor Honor.-Prof. Dr. Stefan Sienerth und einem musikalischen Auftakt von Dr. Franz Metz und Thomas Butorac auf unterschiedlichen Ebenen Einblick in Bergels vielschichtiges und vielgesichtiges Werk.

Hans Bergel bei der abschließenden Literaturlesung am 9. Dezember 2005 im Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas. Foto: Wolfram Schneider
Hans Bergel bei der abschließenden Literaturlesung am 9. Dezember 2005 im Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas. Foto: Wolfram Schneider
Die ausnahmslos auf hohem Niveau angesiedelten Vorträge bzw. Referate fesselten und beeindruckten das Publikum. Ob sich die Bukarester Doktorandin Radulescu - die ihre Dissertation über das Europäische in Bergels Texten schreibt - zum Humanitas-Begriff bei Bergel ausließ, Dr. Windisch über Bergel als Sachwalter kulturellen Vermächtnisses referierte, Dr. Gutu dessen südosteuropäischen Horizont absteckte, Stupp die Verdienste um die Kulturzeitschrift "Südostdeutsche Vierteljahresblätter" umriss oder Dr. Motzan mit Bewunderung über eine verloren geglaubte umfassende Analyse Bergels "Novelle als Kunstform" sprach - die Vorträge glänzten durch Inhalt und Stil und machten, wie es bei Stupp hieß, "die enzyklopädische Spannweite" des Werks von Bergel deutlich, den Dr. Gutu eine "Synthese aus analytischem Verstand und poetischem Vollblut" bezeichnete, was aus einem Gesamtwerk von 35 Büchern mühelos abzulesen sei.

In einigen Räumlichkeiten des Institutssitzes hatten die Veranstalter durch M.A. Eduard Schneider eine Ausstellung vorbereiten lassen, die auf 15 Tafeln im Großformat Illustrationen zu Bergel-Texten mit informativer Beschriftung zeigte. Als ungemein aufschlussreich bezeichneten die Besucher vor allem einige der Tafeln, auf denen Arbeitsbeispiele - unter anderem die Entstehungsphasen eines Gedichtes - präsentiert wurden. Neu waren selbst für Kenner der Bergel-Vita die dem ehemaligen Spitzensportler, Champion und Rekordmann gewidmete Foto- und Textinformationen, eindrucksvoll auf der Tafel daneben die Verhaftungsbefehle, Gerichtsurteile und Gefängnisakten aus der Zeit im kommunistischen Rumänien. Die Ausstellung bot den Querschnitt eines abenteuerlich bewegten Lebens, dem Dr. Sienerth gelegentlich "unzähmbares Temperament" und "Wagemut" als herausragende Eigenschaften bescheinigte. Die Anschaulichkeit der großzügig aufgemachten Ausstellung ergänzte die Vorträge in glücklicher Weise.

Der Schluss- und Höhepunkt der Fünf-Stunden-Veranstaltung war dem Geehrten vorbehalten: Bergel las die vor kurzem entstandene Erzählung "Die ‚Erdwarze' in der Donausteppe" - einen Text, dessen pikareske Lebens- und Weltironie, Humor und Esprit die Besucher immer wieder zum Auflachen brachte, souverän vorgelesen, wie man es von diesem Autor gewohnt ist.

Dass die Damen der Instituts-Verwaltung mit Imbiss und vorzüglichem Getränk zusätzlich zum geistigen und künstlerischen Niveau dem gesprächsfördernden Unterhaltungsbedürfnis Rechnung getragen hatten, das durchaus auch zu seinem Recht kam, rundete den Erfolg der Veranstaltung ab. Diese stellte allen Beteiligten - aktiven wie passiven - das beste Zeugnis aus und bestätigte den guten Ruf des Münchner Instituts und Kulturwerks.

M. K.

Schlagwörter: Tagungen, Schriftsteller, Bergel

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