25. April 2006

Deutsche Wissenschaftseinrichtung mit Blickpunkt Südosteuropa

Das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e. V. (IKGS) hat sich seit der Anbindung an die Ludwig-Maximilians-Universität München im Oktober 2004 als deutsche Wissenschaftseinrichtung mit Blickpunkt Südosteuropa weiterhin profiliert. Dies erklärte Hon.-Prof. Dr. Stefan Sienerth, der das Institut seit Februar 2005 leitet, gegenüber dieser Zeitung. Die engere Vernetzung mit der Münchner Universität und mit Hochschulen und Forschungsinstituten in Südosteuropa äußert sich in einer verstärkten Wahrnehmung von Lehrveranstaltungen der Wissenschaftlichen Mitarbeiter an deutschen und südosteuropäischen Universitäten, in einer intensiveren Teilnahme an akademischen Veranstaltungen im In- und Ausland, einer erhöhten Präsenz von Studenten und Doktoranden in den Räumlichkeiten des Instituts und nicht zuletzt in einer beeindruckenden Buch- und Zeitschriftenproduktion.
Den beiden Germanisten des Hauses, Hon.-Prof. Dr. Peter Motzan und Hon.-Prof. Dr. Stefan Sienerth, ist seit kurzem seitens des Instituts für Romanische Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) die Prüfungsbefugnis im Fach Rumänische Literaturwissenschaft zuerkannt worden. Sie haben im Zweitfach rumänische Sprach- und Literaturwissenschaft studiert und werden hinfort neben ihren germanistischen Lehrverpflichtungen auch Hauptseminare und Vorlesungen über rumänische Literatur anbieten. Bereits im Wintersemester 2005 konnte Peter Motzan, der ein Jahr davor mit seinen Münchner Hörern den Einflüssen von Bertolt Brecht in der rumäniendeutschen Lyrik nachgegangen war, in einer gut besuchten Veranstaltung die Beziehungen Mihai Eminescus zur deutschen Romantik untersuchen. Stefan Sienerth untersucht im Sommersemester 2006 am Institut für Deutsche Philologie die Rezeption der Moderne in den deutschen Regionalliteraturen Südosteuropas und wird demnächst ein Hauptseminar über Lucian Blagas Verbindungen zur deutschen Literatur- und Geistesgeschichte leiten.

In der Halskestraße 15 in München: Der Eingangsbereich des Institutes für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
In der Halskestraße 15 in München: Der Eingangsbereich des Institutes für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

PD Dr. Mariana Hausleitner las im Sommersemester 2005 am Historischen Seminar der LMU, Abteilung Geschichte Ost- und Südosteuropas, über die Geschichte der Rumänen, ihre Beziehungen zu den Minderheiten und Nachbarländern (18.-20. Jahrhundert), zurzeit vergleicht sie in einer Lehrveranstaltung am selben Institut die Minderheitenpolitik in Rumänien, Ungarn und Russland/Sowjetunion im 19. und 20. Jahrhundert.

Erhöht hat sich auch die Zahl der Lehrveranstaltungen, die die wissenschaftlichen Mitarbeiter des IKGS an südosteuropäischen Universitäten abhalten. Die beiden Germanisten vermittelten 2005 im Rahmen von Blockvorlesungen, -seminaren und Doktorandenkolloquien an den Universitäten in Bukarest, Klausenburg, Hermannstadt und Ljubljana Kenntnisse über die deutschsprachigen Regionalliteraturen in diesem Raum. Dr. Hausleitner hielt Vorlesungen zur Geschichte der Minderheiten in Rumänien, speziell in der Bukowina und in Bessarabien, an der Historischen Fakultät der Universität Klausenburg.

Im Münchner Institut begegnet man einer wachsenden Zahl von Studenten, Doktoranden und Praktikanten, stellt Direktor Stefan Sienerth mit Genugtuung fest. Neben Studenten, die unter Anleitung der Wissenschaftler und Nutzung der gut ausgestatteten Spezialbibliothek und des Archivs ihre Referate, Haus- und Abschlussarbeiten vorbereiten, haben im Jahre 2005 Doktoranden/innen aus Rumänien, Ungarn, Slowenien und Kanada über literarische Gruppenbildung in der rumäniendeutschen Literatur der 1970er und 1980er Jahre, die deutschsprachige Presse in Slowenien am Ende des 19. Jahrhunderts, die ungarndeutsche Gegenwartsliteratur, über Mircea Eliades Rezeption im deutschen Sprachraum sowie über das literarische Werk von Hans Bergel und Franz Hodjak geforscht.

Im hauseigenen IKGS-Verlag sind im verflossenen Jahr wichtige Bücher erschienen, darunter – im germanistischen Bereich – eine umfangreiche Monografie über den im Banat geborenen Lyriker Nikolaus Lenau (1802-1850). Als Autor zeichnet der Doyen der Budapester Germanisten Prof. Dr. h. c. Dr. Antál Mádl, der die Entwicklung der Germanistik in Ungarn in der Nachkriegszeit entscheidend mitgeprägt hat und als einer der besten Kenner des österreichischen Dichters gilt. Äußerst lesenswert sind auch die Essays, Studien und Portraits Zeugen an der Grenze unserer Vorstellung des siebenbürgischen Schriftstellers Dieter Schlesak, der sich mit vielseitigen südosteuropäischen Themen und Autoren wie Paul Celan, Moses Rosenkranz, Constantin Noica, Emil Cioran, Norman Manea, Paul Goma u. a. auseinandersetzt. In einer fortgeschrittenen Arbeitsphase befinden sich ein Sammelband über die deutschsprachige literarische Presse Südosteuropas (herausgegeben von Peter Motzan, Stefan Sienerth und Mira Miladinovic Zalaznik) sowie zwei Editionen. Franz Heinz gibt die unter dem Namen Belgrader Tagebuch bekannt gewordenen Pressebeiträge aus der Zeit des Ersten Weltkrieges von Otto Alscher u. a. ungekürzt heraus. Veröffentlicht wird auch die von Alfred Margul-Sperber in den 1930er Jahren zusammengestellte, jedoch nicht erschienene legendäre Anthologie Die Buche mit deutschjüdischer Lyrik der Bukowina, die George Gutu, Peter Motzan und Stefan Sienerth edieren und mit einem kritischen Apparat versehen.

Im Bereich der Geschichtsschreibung sei auf die von Hon.-Prof. Dr. Krista Zach, bis 2004 Direktorin des IKGS, und Mitarbeitern herausgegebenen Sammelbände zur Memorialistik, Migration und Modernisierung Rumäniens hingewiesen sowie auf ein vor kurzem erschienenes Buch (herausgegeben von Mariana Hausleitner und Harald Roth) über den Einfluss von Faschismus und Nationalsozialismus auf Minderheiten in Südosteuropa, an dem vorwiegend junge Forscher aus Deutschland, der Schweiz, den USA und aus Südosteuropa mitgewirkt haben.
Weit gediehen sind auch die Arbeiten am Lexikon deutschsprachiger Autoren aus Südosteuropa des 20. Jahrhunderts, ein langjähriges Projekt des IKGS, das von Eduard Schneider bearbeitet wird, der auch die Redaktion der hauseigenen Zeitschrift Spiegelungen übernommen hat, die die Tradition der Südostdeutschen Vierteljahresblätter (1952-2005) fortführt.


Neben den Spiegelungen, die vierteljährlich erscheinen und besonders auf Literatur, Germanistik und Zeitgeschichte ausgerichtet sind, ist das IKGS auch an der Herausgabe des wissenschaftlichen Jahrbuches Danubiana Carpathica. Zeitschrift für Geschichte und Kultur in den deutschen Siedlungsgebieten Südosteuropas, beteiligt. Das Jahrbuch dient der wissenschaftlichen Vernetzung, setzt das Südostdeutsche Archiv in neuer Gestalt und mit zum Teil gewandelten Inhalten fort und wird in Zusammenarbeit mit der Südostdeutschen Historischen Kommission sowie dem Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde (Tübingen) redigiert. Herausgeber sind Matthias Beer, Harald Heppner, Gerhard Seewann und Stefan Sienerth.

Die aktualisierte Homepage des IKGS informiert unter www.ikgs.de über das Institut, seine Organe wie Mitarbeiter, und über den Online-Shop können die Bücher des Institutsverlags erworben werden.

Des Weiteren hat das Münchner Institut im verflossenen Jahr zahlreiche Tagungen (mit)veranstaltet, u.a. das germanistische Symposium in Frankfurt an der Oder in Zusammenarbeit mit dem Elias Canetti Lehrstuhl der Europa Universität Viadrina, die Tagungen zum Themenkreis Deutschsprachige Literatur aus Mittel- und Südosteuropa als Gegenstand von Forschung und Lehre (in Zusammenarbeit mit dem Stiftungslehrstuhl für Deutsche Literatur im südöstlichen Mitteleuropa) an der Universität Klausenburg, die Tagung aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums des Germanistiklehrstuhls der Universität Bukarest, eine Tagung über deutsche und andere Minderheiten im gesellschaftlichen Umbruch der Jahre 1944/45 in Temeswar. Es liegt in der Tradition der germanistischen Tagungen des IKGS, dass sie jeweils mit Dichterlesungen verbunden werden. So war in Frankfurt an der Oder Hans Bergel Gast der Veranstaltung, in Klausenburg lasen Franz Hodjak und Adrian Popescu aus ihren Werken vor einem zahlreichen, meist jugendlichem Publikum.

Zudem bietet das Institut einem stets wachsenden Interessentenkreis Lesungen und Vorträge an. So las im Frühjahr 2005 der österreichische Autor Martin Pollack aus dem in den Medien viel beachteten Erinnerungsbuch Der Tote im Bunker. Bericht über meinen Vater in einem Vorlesungsraum der LMU München. Ein zahlreiches Publikum fand sich im Mai 2005 in dem viel zu kleinen Vortragssaal des IKGS zur Begegnung mit dem Banater Schriftsteller Richard Wagner ein, der aus seinem Roman Habseligkeiten las. Aus Anlass der 80. Geburtstages von Hans Bergel fand in Zusammenarbeit mit dem Südostdeutschen Kulturwerk eine wissenschaftliche Veranstaltung statt (diese Zeitung berichtete). Die im IKGS erschienenen Bücher von Antál Madl und Dieter Schlesak wurden kürzlich in Budapest, Berlin und auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt. Ebenfalls für 2006 sind Autorenlesungen mit Edgar Hilsenrath, Franz Hodjak, Dieter Schlesak u.a. geplant.

Seit 2005 hat das IKGS, das die Aktivitäten des von der Bundesregierung finanzierten Stiftungslehrstuhls für Deutsche Literatur im südöstlichen Mitteleuropa an der Universität Klausenburg unterstützt und begleitet, an den germanistischen Lehrstühlen in Bukarest, Hermannstadt und Ljubljana kleine Forschungs- und Dokumentationszentren in eigens hierfür von den jeweiligen Universitäten zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten eingerichtet und mit der nötigen Apparatur und mit Veröffentlichungen des eigenen Verlags ausgestattet. Unterstützen konnte das IKGS mit kleinen Stipendien mehrere Doktoranden aus Südosteuropa und die Arbeiten am Banat-schwäbischen und Siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch, an deren Fortführung es den Mitarbeitern und der Leitung des IKGS sehr gelegen ist.

Last not least erwähnt Direktor Stefan Sienerth, dass das kleine wissenschaftliche Team des IKGS vor kurzem vergrößert worden ist. Seit dem 1. April gehört ihm auch die Historikerin Dr. Juliane Brandt an, die sich als Wissenschaftliche Mitarbeiterin vorwiegend der Geschichte der Deutschen in Ungarn und der Slowakei widmen und auch sonst an den vielfältigen Tätigkeiten des IKGS mitwirken wird.

Schlagwörter: IKGS

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