30. März 2023

Hilfsgüter, Kulturgutschutzprojekt, Ehrendoktorwürde: IKGS-Direktor Kührer-Wielach berichtet über Ukraine-Reise

Ende Februar ist Dr. Florian Kührer-Wielach, Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e. V. (IKGS), in die ukrainische Nordbukowina gereist. Das IKGS ist eine wissenschaftliche Forschungseinrichtung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und kooperiert eng mit der Universität Czernowitz. Lesen Sie im Folgenden den Reisebericht von IKGS-Direktor Kührer-Wielach.
Der Aufenthalt in Czernowitz/Tscherniwzi und im (nebenbei bemerkt: wunderschönen) Umland hatte mehrere Ziele: einerseits konnten wir gemeinsam mit Mitarbeitern der Universität Czernowitz im rumänischen Suceava Hilfsgüter besorgen, insbesondere Medikamente, Kleidung und Lebensmittel. Auf den Kleintransporter wurden außerdem einige Generatoren zugeladen, die die Universität Lübeck im Rahmen einer größeren Hilfsaktion für die Universität Czernowitz besorgt hatte, und von Freunden aus dem siebenbürgischen Cluj-Napoca/Klausenburg zwischengelagert und nach Suceava verbracht wurden. Die Geräte sichern unter anderem den Betrieb der Dekanate und weiterer Verwaltungseinrichtungen, ohne die der Universitätsbetrieb zum Erliegen käme.

Außerdem konnte ich mehrere im Aufbau befindliche Museen besichtigen, die wir im Rahmen des von der Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien geförderten und vom IKGS abgewickelten Kulturgutschutzprojekts „Schutz von Kulturgut und Kulturerbe in der Bukowina: Sprachen, Konfessionen und Kulturen – Stadt und Land in Wechselwirkung“ unterstützt haben. Konkret handelt es sich um das historische und das ethnographische Museum der Universität Czernowitz sowie das ethnographische Museum der Gemeinde Woloka, die sich aus rumänischen und ukrainischen Siedlungsteilen zusammensetzt. Auf dem Gemeindegebiet befindet sich auch eine ehemalige deutsche Siedlung – in Franztal, wie es die Einheimischen bis heute nennen, steht ein Kriegerdenkmal für Gefallene des Ersten Weltkriegs.
Serhij Lukanjuk, Leiter des International Office ...
Serhij Lukanjuk, Leiter des International Office der Universität Czernowitz, Dr. Florian Kührer-Wielach und Dr. Oxana Matiychuk, Germanistin und Leiterin des Zentrum Gedankendach an der Universität Czernowitz. Foto: Universität Czernowitz
Darüber hinaus haben wir mögliche zukünftige Maßnahmen besprochen, die zur nachhaltigen Sicherung des architektonischen UNESCO-Kulturerbes des Hauptgebäudes und der besonders wertvollen Bestände der Universität beitragen können. Besucht und besichtig wurden unter anderem die Universitätsbibliothek, das paläontologische Institut sowie das reparaturbedürftige, aber beeindruckende Uhr- werk der großen Universitätsuhr auf dem Dachboden des Hauptgebäudekomplexes.

Einen weiteren Höhepunkt der Reise in die Nordbukowina stellte für mich die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Czernowitz dar, die der Akademischen Rat in seiner Sitzung vom 28. November 2022 beschlossen hatte. Diese Ehrung soll die über viele Jahre andauernde, insbesondere im letzten Jahrzehnt intensivierte Zusammenarbeit zwischen IKGS und Universität Czernowitz bekräftigen. Die in erster Linie wissenschaftliche Kooperation im Rahmen von gemeinsamen Tagungen, Publikationen und Projekten hat seit der Invasion der russischen Streitkräfte im vergangenen Jahr auch die Dimension einer gemeinsamen Hilfsaktion – die Bukowinahilfe des „Netzwerk Gedankendach“ – angenommen, um die ich mich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen kümmere.

Im Rahmen verschiedener Treffen habe ich mit Vertreterinnen und Vertretern der Universität auch über die Fortsetzung der humanitären Hilfe gesprochen: Das IKGS wird weiterhin als erste Anlaufstelle in Deutschland fungieren, während die Beurteilung der aktuellen Bedarfe und die Verteilung der Hilfsgüter auch in Zukunft bei der Universität Czernowitz liegen. Über die Bukowinahilfe hinaus konnte ich dem ärztlichen Leiter des Fischer’schen Kinderspitals eine von niederösterreichischen Spenderinnen und Spendern aufgebrachte Summe überreichen.

Arbeitsgespräche mit der Universitätsleitung und den Dekanen der geistes- und sozialwissenschaftlichen sowie der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät unterstrichen auch die Absicht, weiterhin eng auf wissenschaftlicher Basis zu kooperieren. Am 8. Mai 2023 wird an der Universität Wien ein Symposium zum Thema „Herausforderungen für Wissenschaft und Kultur im Zeichen von Krieg und Krisen“ stattfinden, das wir gemeinsam mit der Historisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, dem Research Center for the History of Transformations (RECET) und einigen weiteren Kooperationspartnern organisieren.

Mit den Czernowitzer Kolleginnen und Kollegen habe ich insbesondere Projekte zur Regional- und zur Universitätsgeschichte ins Auge gefasst. Einerseits kann die Bukowina – auch jenseits aller Mythisierung – als historisches Laboratorium gelungenen Zusammenlebens fungieren. Andererseits wird die heute nach dem auf Ukrainisch und Deutsch schreibenden, österreichischen Schriftsteller Jurij Fedkowytsch (1834-1888) benannte Universität, die in der Tradition der 1875 gegründeten Francisco-Josephina steht, in wenigen Jahren ihr 150-jähriges Bestehen feiern – hoffentlich in Frieden.

Schlagwörter: Kührer-Wielach, IKGS, Reise, Ukraine, Ehrendoktor

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