10. September 2006

Oskar Pastior eröffnete 26. Erlanger Poetenfest

In einer Loge des Markgrafentheaters in Erlangen verfolgte am Abend des 24. August ein interessiertes Publikum fasziniert und zuweilen lustvoll stöhnend die Lesung Oskar Pastiors zum Auftakt des Poetenfestes.
Das Autorenportrait des in Hermannstadt geborenen Oskar Pastior umfasste ein Gespräch des Dichters mit seinem ehemaligen Lektor Peter Urban, einem der renommiertesten deutschen Übersetzer, moderiert vom Leiter des Literaturhauses Berlin, Ernest Wichner, zudem eine Lesung, die nicht nur in unserer Loge immer wieder spontane Lacher und kopfschüttelndes Staunen hervorrief: Durch die Betonung der Wörter, durch Pausen in den Wörtern oder durch Verwenden von Wörtern, wie z. B. „Froschmäusigkeit“ und „dralles Missverständnis“. Den Genuss bereitenden Variationen von „Hügel“, „Tal“ und „Weg“ folgten köstliche „Ton“-Verbindungen, die von „Beton“ (Oskar Pastior versteht etwas davon, weil er nach seiner Rückkehr aus der Deportation u. a. beim Bau des Hermannstädter Flughafens sein Geld verdiente) über „Proton“, „Misston“ und viele andere bis zu „Washington“ und „Boston“ führten. Auch anhand des spannenden Märchens „Bis er bricht“ führte der siebenbürgische Lyriker vor, was man aus und mit unserer Sprache machen kann. Er gestaltete einen „lautmalerisch-heiteren Abend mit wunderbaren Wortspielereien“, schrieb S. Mössler-Rademacher in den Nordbayerischen Nachrichten vom 26. August. Der 78-jährige Dichter bewegte sich erstaunlich flott und schwungvoll auf der Bühne, wurde aufgrund seiner klaren und flüssigen, außerordentlich melodischen Aussprache sehr gut verstanden und gab auch durch seine einnehmende Freundlichkeit einen überaus sympathischen Menschen ab. Kein Wunder, dass das Publikum noch um eine Zugabe bat.

„Der diesjährige Büchner-Preisträger“, heißt es in den Nordbayerischen Nachrichten, „kramt dann in seinem schier unerschöpflichen Fundus an Gedichten, in denen er virtuos mit Anagrammen, Sonetten und allerlei Arten von poetischen Formen jongliert. Da werden Anlaute variiert, Endungen durcheinander gewirbelt, aus alten Regeln neue Gesetzmäßigkeiten für die Wirkung von Sprache entwickelt. Schelmisch grinsend bewegt sich hier ein Anarchist durch Sprachkonventionen, erschafft dabei oft ein eigenes Vokabular, eine eigene Grammatik des Absurden. Dazu bewegt Pastior sanft seine Hände, seine Arme, als ob er sich bei dieser Sprach-Symphonie selbst dirigiert.“

In den siebziger Jahren arbeitete Oskar Pastior zusammen mit Peter Urban und renommierten Lyrikern an der Übersetzung des Werks des russischen Modernisten Velimir Chlebnikov. Lustvoll habe er am Werk von Chlebnikov gearbeitet, verriet der begnadete Dichter, bevor er im Markgrafentheater einige Kostproben dieser Hommage an Chlebnikov vortrug. Man konnte seine Lust voll spüren!

Dem Redakteur Peter Millian gestand Oskar Pastior („Nordbayerische Nachrichten“ vom 25. August 2006, S. 14): „Die orale Dimension ist mir wichtig. Erst bei Lesungen spüre ich, es geht aus mir über mich hinaus, es entsteht eine dritte Sache. Das sind Glücksmomente für mich, und ich bin auch glücklich, wenn sich die Leute darüber freuen können.“

Doris Hutter


Schlagwörter: Oskar Pastior, Lesungen

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