8. Februar 2007

In memoriam Gustav Weber

Am 28. Dezember 2006 hat Gott, der Herr über Leben und Tod, Gustav Weber, langjähriges Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwabe im Diakonischen Werk der EKD, im Alter von 65 Jahren, aus dieser Zeitlichkeit abberufen und zu sich genommen. Der Trauergottesdienst mit anschließender Beerdigung fand unter großer Beteiligung am 3. Januar 2007 auf dem Hauptfriedhof in Pforzheim statt. Die Traueransprache von Dekan i.R. Hermann Schuller wird im Folgenden wiedergegeben.
Gustav Weber war uns ein guter Freund und treuer Weggefährte in der Wahrnehmung verantwortlicher Aufgaben in unserer siebenbürgischen Gemeinschaft. Wir schauen dankbar auf sein Leben und suchen Worte des Trostes und ein hoffnungsvolles Dennoch unseres Glaubens im Angesichte der Vergänglichkeit dieses irdischen Lebens.

Textlesung aus dem 8. Kapitel des Römerbriefes:

31 Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?
32 Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?
38 Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.


Seit der besorgniserregenden Diagnose kehrte in der Familie, aber auch im Freundeskreis, bei uns allen, die ihm herzlich verbunden sind, eine große Sorge ein. Wer konnte schon begreifen dass Gustav Weber so schwer erkrankt ist. Sein rüstiges Erscheinungsbild deutete nicht auf ein so jähes Ende hin. Doch wieder galt die elementare Erfahrung: „Es kann über Nacht ganz anders werden als es am frühen Morgen war“. Diese Erfahrung hatte in erster Reihe er selbst zu verkraften. Bei alledem ging die Hoffnung nicht verloren. Bis in die letzten Tage, als die Kräfte schwanden, das Ende sich abzeichnete und ordnende Gedanken im Vorletzten notwendig machten. Dass ihr das Abendmahl vor Heilig Abend miteinander feiern konntet, war Stärkung durch die Zusage der Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Herrn und Heilandes Jesus Christus. Es war dann auch ein Abschied in der seine unbegrenzte Liebe zu Euch nochmals segnend erlebbar wurde. Ob wir zur Gewissheit des Apostels kommen können, dass uns nichts scheiden kann von der Liebe Gottes? Weder Tod noch Leben, weder Mächte noch Gewalten?

Wenn wir auf sein Leben schauen, widerspiegelt sich besonders an den Schwellenstationen die Vielfalt aber auch die Widersprüchlichkeit der zurückliegenden Jahrzehnte, unter dem Spannungsbogen politischer Mächte und deren Wechselwirkung auf ein Einzelschicksal.

Gustav Weber wurde am 9. November 1941 in Henndorf geboren. Es war Kriegszeit und der Vater in der deutschen Wehrmacht. So wuchs er die ersten drei Jahre, zusammen mit seiner Schwester, bei der Mutter auf, die allerdings im Januar 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt wurde. Bis zu ihrer Rückkehr im Juli 1948, nach Verlust der rechten Hand, fand er Aufnahme bei einer Großtante. Inzwischen war auch der Vater unversehrt aus der Gefangenschaft zurückgekommen, so dass, so wie er es selbst beschreibt, trotz oft widerlicher Verhältnisse, eine behütete und ungetrübte Kindheit und Schulzeit für ihn begann.

Von 1952 bis 1959 besuchte er die Bergschule in Schäßburg, an die er Zeit seines Lebens schönste Erinnerungen bewahrt hat. 1959- 1964 folge das Jurastudium in Klausenburg, das er mit der bestmöglichsten Benotung abschloss. Ein Ergebnis, dass auf seine große Wissbegier, Sachverhalte zu analysieren und große Zusammenhänge zu erkennen zurückzuführen ist. Das nicht nur in seinem Fachbereich, sondern darüber hinaus, in historische und gesellschaftspolitische Bereiche hinein.

Gleich im Anschluss, gerade erst 23 Jahre alt, wurde er Hilfsrichter am Staatlichen Schiedsgericht in Temeschburg und ab 1966-1969 Vertrags- und Wirtschaftsrichter in Temeschburg und Großwardein. 1969 trat er schließlich als erster Anwalt und von 1975-1985 als Hauptanwalt in den Dienst der evangelischen Kirche ein.

Wie es zu dieser, in den Augen seiner ehemaligen Studienkollegen, sicher seltsamen Entscheidung kam? Es war in erster Reihe eine Entscheidung des Herzens. Er wollte unter seinen „Sachsen sein“ in deren Mitte, in Hermannstadt. Für ihn war Kirche und ein guter Siebenbürger Sachse sein, eine Einheit. Dazu kam vermutlich auch, dass die endsechziger Jahre von einer leichten politischen Entspannung geprägt waren. Es waren Jahre der Erneuerung und der Hoffnung auf eine bessere Zeit.

Die Tätigkeit bei der Evangelischen Landeskirche umfasste ein breites Spektrum, das Belastbarkeit, personal -Führungskompetenz, Flexibilität und Verhandlungsgeschick erforderlich machten. Mit seinen juristischen Fachkenntnissen, mit einem ausgeprägten Gespür für andersartige Denkweisen und Mentalitäten, konnte er in herausgenommener Position zwischen einer militant atheistischen Regierung und der Kirchenleitung, die ihm volles Vertrauen schenkte, in vielfacher Weise ausgleichend und Gefahren abwendend wirken. Er war ein Anwalt des Ausgleiches und der Vermittlung mit damit verbundenen Belastungen und Gewissensnöten.

Zwei Söhne wurden ihnen in der1974 geschlossenen Ehe geschenkt. 32 gemeinsame Jahre waren es, die von seiner liebevollen Fürsorge geprägt waren. Schön dass ihr sagen konntet: „Er war immer für uns da, ohne wenn und aber. Er hat uns Freiräume geschaffen in denen wir aufwachen und uns entfalten konnten.“

1985 kam der große Bruch, der, wie es die Vielen in schmerzhaften Entscheidungsprozessen zwischen Bleiben oder Gehen und deren Folgen, durchzustehen war. Jeder Einzelne allerdings hatte eigenste Wegstrecken in besonderer Weise durch zu leiden....

Fast zufällig wurde Ötisheim-Schönenberg zu einem neuen Zuhause, wo auch kirchliche Beheimatung gefunden werden konnte. Über mehrere Stationen, Köln, Münster, fand Gustav Weber eine Anstellung im Kreissozialamt des Enzkreises in Pforzheim. Eine Arbeit, die er gerne leistete, in die er seine reiche Erfahrung im Umgang mit Menschen unterschiedlicher Herkunft einbringen konnte, von der er erfüllt war bis zu seinem krankheitsbedingten Ausscheiden. Am 1. Dezember 2006 wurde er in den Ruhestand versetzt, den er leider nicht mehr erleben durfte.

Gustav Weber war in seinem Selbstverständnis tief verankert in der Geschichte und Tradition Siebenbürgens und seiner Evangelischen Kirche. Ab 1991 war er Mitglied im Vorstand des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evang. Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD. Übernahm streckenweise das Amt des Schriftführers, war dann stellvertretender Vorsitzender und vertrat den Verein über mehrere Jahre im Kulturrat. Er war Vorsitzender im HOG Verband und Schriftführer im Vörderverein des Siebenbürgischen Museums.

Gustav Weber konnte gut zuhören und war stets bedacht auf Verständigung und versöhnliche Lösung von Konflikten. Für seinen Einsatz in unserer Kirche, in der siebenbürgischen Gemeinschaft danken wir ihm auch im Namen des Vorstandes des Hilfskomitees ganz herzlich

„Weder Tod noch Leben....kann uns scheiden von der Liebe Gottes?“ Ist das in einer solchen Stunde Trost oder eine Zumutung?! Zuvor haben wir gesungen: Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag, Gott ist bei uns, am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Bonhoeffer hat diese Worte zu Neujahr 44/45 geschrieben, sie haben Eingang in unser Gesangbuch gefunden und werden in aller Welt nachgesprochen gesungen und gebetet. Bonhoeffer war Opfer der Gewalt wie noch zich - tausende andere, unschuldige Kinder und Erwachsene.

Dennoch bleibt dieses Glaubenszeugnis, entstanden in der Enge einer Gefängniszelle, als tiefe Gotteserfahrung, die eine unfassbare Weite eröffnet, die über die Gräber hinausreicht und uns im Glauben in unserer Trauer erreichen und abholen will zu neuem Leben. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, weder Tod noch Leben noch andere Gewalten.

So geben wir unseren Verstorbenen zurück in Gottes Frieden und bewahren ihn in dankbarer Erinnerung. Amen.

Hermann Schuller

(Beilage “Kirche und Heimat”, Siebenbürgische Zeitung vom 31. Januar 2007, Seite 9)

Schlagwörter: Nachruf, Kirche und Heimat, HOG-Nachrichten

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