18. Februar 2007

Siebenbürgen stets als Ganzes erforscht

Ausnahmsweise einmal nicht in dem weniger auffälligen Pastellgrün, stattdessen im knallgelben Umschlag präsentieren sich die in durchgehender Seitenzahl nummerierten Hefte 1 und 2 des 100. Jahrgangs der „Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde“ (ZfSL). Lesen Sie eine Besprechung der beiden Hefte, beginnend mit einem kurzen Abriss des historischen Werdegangs der ZfSL, verfasst von den Redakteuren Dr. Konrad Gündisch/Oldenburg, Dr. Stefan Măzgăreanu/München, Dr. Harald Roth/Gundelsheim, Daniel Ursprung/Zürich und Dr. Thomas Ralf Göllner, Gestalter der Internetpräsentation.
Monatlich und auf 16 Seiten erschien die ZfSL das erste Mal 1878 als „Korrespondenzblatt des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde“, bis 1930 in der I. Folge. Zehn weitere Jahre hieß sie als Folge II „Siebenbürgische Vierteljahrsschrift“. In der Zeit der beiden totalitären Regime gab es weder den Verein für Siebenbürgische Landeskunde noch diese Publikation. Erst 1971 konnte jener 1961 in Deutschland in der Rechtsnachfolge des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde – nun „Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde“ genannt – die Zeitschrift als Folge III und unter dem Namen „Korrespondenzblatt des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde“ in jeweils zwei Heften pro Jahr mit durchschnittlich 130 Seiten (ab 1978 unter dem heutigen Namen) herausbringen. 1999 wurde sie mit der Zeitschrift „Siebenbürgische Semesterblätter“ (München 1987-1999) – nun Folge IV – vereinigt. In all den Jahren hat diese Publikation ihre Zielsetzung bewahren können: „Siebenbürgen als Ganzes zu betrachten, den deutschen Anteil in der Geschichte des Landes in besonderer Weise zu dokumentieren, ohne den Zusammenhang mit den Nachbarn aus dem Auge zu verlieren und strenge wissenschaftliche Maßstäbe anzusetzen“, so die Redaktion der ZfSL zur wechselvollen hundertjährigen Geschichte der Zeitschrift.

Die beiden Hefte dieses Jahrgangs umfassen in der ihren Lesern bekannten Strukturierung etwa zu einem Drittel Aufsätze. Ein zweites Drittel enthält Beiträge, die unter den Sammelbegriffen „Kolloquium“ und „Diskussionsforum“ gebündelt sind. Im letzten Abschnitt der Hefte stehen Buch- und Zeitschriftenbesprechungen, wie man sie sich zahlreicher kaum vorstellen kann, und am Ende Mitteilungen, Nachrufe und Berichte.

Es sind Beiträge von siebenbürgisch-sächsischen, rumänischen, ungarischen, aber auch vielen von ihrer Herkunft her mit dem Raum nicht verbundenen Autoren. Vielseitig und weit gestreut erfassen sie Themen aus der Archäologie und Mediävistik (z. B. von Adrian Ioni??:? „Tabla Bu?ii ist nicht die Kreuzburg des Deutschen Ordens“, Seite 129-142) bis hin zu neuen Erkenntnissen aus und um Archive und Quellen (Rainer Kramer: „Die Handschriften-Sammlung Trausch – ein Juwel des Archiv-Bestandes der evangelischen Honterusgemeinde in Kronstadt“, S. 1-19). Eine intensive Quellenstudie über die Armenier in Siebenbürgen im 17. und 18. Jahrhundert und ihre Glaubensproblematik stammt aus der Feder von Bálint Kovács („Über Rom nach Siebenbürgen ...“, S. 44-50). Leider ist dem Autor (oder dem Übersetzer) des Beitrags so mancher (auch Rechtschreib-)Fehler unterlaufen. Rezeptionsschwierigkeiten dieses Beitrags ergeben sich auch beim Lesen der Ortschaftsnamen, die selten in Deutsch stehen (wie z. B. Armenierstadt und Niklasmarkt) und bei denen die heute gebräuchlichen Namen in rumänischer und ungarischer Sprache fehlen. Andererseits verwendet der Autor für Elisabethstadt den selten gebrauchten Namen Ebesfalva. In den Literaturangaben dieses Aufsatzes vermisst man die Beiträge zur Geschichte der Armenier, die in siebenbürgischen wissenschaftlichen Publikationen erschienen sind (z.B. Judith Pál: „Armenier im Donau-Karpatenraum“. In: „Minderheiten und Regionalbewußtsein“, Böhlau, Köln, 2000, S. 120-137; und Daniel Bein: „Armenier in Siebenbürgen“. In: ZfSL, Nr. 21, 1998, S. 143-167).

Spannend und informationsreich sind die kunstgeschichtlichen Beiträge der Zeitschrift, wie: Frank-Thomas Ziegler: „Tod der Torheit. Zu den Narrendarstellungen in der Birthälmer Kirche“ (S. 20-31); Silvia Popa: „Der Tugendzyklus in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt“ (S. 197-208); Robert Offner: „Ein unbekanntes Ölgemälde des Fürsten Gabriel Bethlen auf der Wartburg“ (S. 32-35); Günther E. Schuster: „Mittelalterliche Sakralbauten in Mediasch“ (als Diskussionsforum in Heft 2 angeboten). In der Hoffnung, dass die Beiträge des „Diskussionsforums“ tatsächlich eine (wissenschaftliche) Debatte auslösen, soll ein Beitrag von Walter Schuller mit dem Titel „Siebenbürgisch-gotländische Beziehungen im Mittelalter“ erwähnt werden, in dem meist aufgrund von Ortsnamen eine (Herkunfts-) Beziehung zwischen den Siebenbürger Sachsen und dem schwedischen Gotland dargestellt wird.

Auch aus der Geschichte des 19. und des 20. Jahrhunderts sind Themen zu finden, z. B. H. v. Killyen: „Die ethnische und konfessionelle Zusammensetzung der Schülerschaft am Kronstädter deutschen Gymnasium“ (S. 37-43) oder ein Artikel über „Die Stasi in Siebenbürgen, eine geheimdienstliche Regionalstudie“ von Georg Herbstritt (S. 187-196). Über 50 Buchbesprechungen und Rezensionen befinden sich in jedem Heft der ZfSL. Schon die Wahl der besprochenen Publikationen ist eine redaktionelle Meisterleistung und widerspiegelt die oben genannte Zielsetzung der Zeitschrift. Rezensiert werden Werke, die in deutscher, englischer, rumänischer und ungarischer Sprache erschienen sind. In Heft 1/2006 ging es den Redakteuren u. a. um die Thematik Europa und die Nationen in ihrer Genese, um Ethnizität und ethnische Konflikte – vielleicht auch im Zusammenhang mit der 41. Tagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde zum Thema „Unvollendete Nationsbildung“ (Mitte September 2006 in Berlin). So gelesen in einem von Katja Lasch besprochenen Band mit dem Titel „Ethnische und soziale Konflikte im neuzeitlichen Osteuropa (Hamburg 2004), ein Band, in dem auch zwei Beiträge über Siebenbürgen von Harald Roth und Franz Sz. Horváth stehen. Kaum ein wissenschaftliches Erkenntnisgebiet, das in den landeskundlichen Rahmen hineinpasst, ist ausgelassen. Bücher aus der Welt der Botanik, Memorialistik, Kirchengeschichte, Militär-, Medizin- und Musikgeschichte usw. sind besprochen. Allein aus den Informationen über diese Bücher kann sich der Leser ein Bild zum aktuellen Stand der schwerpunktmäßig historischen Wissenschaften machen, die mit dem Donau-Karpatenraum im Zusammenhang stehen. Allerdings passen einige Rezensionen nicht in dieses raumbezogene Muster, z. B. über fünf Werke zur Geschichte Preußens (vorwiegend im 17. und 18. Jahrhundert), die – zumindest in der Rezension – zu Siebenbürgen keinerlei Bezug haben, und einige lassen sich nur mit Hilfe eines Lexikons entschlüsseln. Beispielsweise in der Rezension „Irenik und Antikonfessionalismus“ (S. 88-89) (Irenik: Lehre vom Frieden).

Die Hefte der ZfSL sind weitgefächerte und wertvolle, aus der wissenschaftlichen Landeskunde über Siebenbürgen nicht wegzudenkende Publikationen. Nicht zuletzt die Tatsache, dass die Zeitschrift immer nur ehrenamtlich gestaltet wird, und dass ihre Herausgeber wie auch die große Mehrheit der Autoren und Rezensenten dies in akribischer Arbeit in ihrer Freizeit tun, kann nicht genug gewürdigt werden.

Hansgeorg v. Killyen




Die Hefte der Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde sind zum Preis von € 30 (€ 15 für Mitglieder des AKSL) pro Jahrgang zu beziehen bei: Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg, Schloss Horneck, 74831 Gundelsheim/Neckar, Telefon: (0 62 69) 4 21 00, Fax: (0 62 69) 42 10 10, E-Mail: info@siebenbuergen-institut.de.

Schlagwörter: Landeskunde, Gundelsheim, Rezension

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