26. Juni 2007

Ein Europa der Identitäten: Kulturanthropologen tagten in Arad

Als Veranstaltung des rumänischen Kultur- und Kultusministeriums in Zusammenarbeit mit dem Kulturrat Nationaler Minderheiten, Bukarest, und dem Museumskomplex Arad fand vor kurzem in der Stadt an der Marosch das 9. Internationale Kulturanthropologische Symposium statt.
Ethnologen, Kulturwissenschaftler, Kunsthistoriker und -theoretiker aus sieben Ländern – Rumänien, Ungarn, Serbien, Bulgarien, Deutschland, der Ukraine und der Slowakei – fanden sich, wie auch in vergangenen Jahren, zu einem interethnischen Gedankenaustausch zusammen.

Die 44 wissenschaftlichen Referate, die unter der Leitung der Ethnologin Dr. Rodica Elena Colta in vier Sektionen, in jeweils rumänischer, ungarischer oder serbischer Sprache vorgelegt und diskutiert wurden, waren dem aktuellen Thema „Das Europa der Identitäten“ gewidmet. Die Teilnehmer beleuchteten Aspekte ethnischer Eigenheiten in einer multiethnischen, multikulturellen und grenzenlosen europäischen Gesellschaft. Dabei wurden primär Fragen nach einer möglichen „europäischen Identität“ im Gegensatz zu den bestehenden „regionalen Identitäten“ und den verschiedenen Formen von ethnischer Autonomie diskutiert.

Von den Referaten, die sich mit der Problematik nationaler Minderheiten auseinandersetzten, seien hier besonders die Beiträge von Dr. Lubivoje Cerovic, Novisad: „Die siebenbürgischen Serben“, Dr. Sergej Hackman, Czernowitz: „Ethnische Stereotypen in der Bukowina“, Dr. Jarmila Gerbocova, Preßburg/Bratislava: „Ethnische Gemeinschaften in der EU“, Dr. Zoltán Erostyák, Budapest: „Aberglauben bei den ‚walachischen Zigeunern‘ im Kreis Békés“, Maria Hadiji, Temeswar: „Die Kraschowänen im Banat“, und Prof. Dr. Madlena Bulboaca, Arad: „Jüdische Kinder in rumänischen ‚künstlichen Familien‘ nach dem Weltkrieg“, genannt.

Siebenbürgische Künstler

Die in Baldham bei München lebenden Kunsthistoriker und Volkskundler, Brigitte Nussbächer-Stephani, M.A., und Dr. Claus Stephani, untersuchten in ihren Referaten in rumänischer Sprache Aspekte des Identitätsbegriffs und Identitätsbewusstseins in verschiedenen siebenbürgischen Bereichen. So lautete das Thema von Brigitte Nussbächer-Stephani: „Otto Czekelius, ein europäischer Architekt und seine ‚Hermannstädter Identität‘“. Czekelius stammte aus einer alten siebenbürgischen, traditionsgeprägten Familie; sein Vater war einst Stadtphysikus in Hermannstadt. Er lebte nach seinem Studium in Berlin – auf Vermittlung des bekannten Architekten und Professors Alfred Breslauer – zwanzig Jahre lang, bis 1943, in Spanien und wirkte dort als Stadtarchitekt von Madrid. Noch vor Kriegsende kehrte er wieder in seine siebenbürgische Heimatstadt zurück, mit der sich der „Westeuropäer“ bis zu seinem Tod, 1974, in jeder Hinsicht identifizierte. Ihr widmete er als Stadtarchitekt sein gesamtes kreatives Denken sowie berufliches und wissenschaftliches Schaffen und entwickelte so eine besondere „Hermannstädter Identität“.

Dr. Claus Stephani untersuchte „Die Rolle der Identität in der europäischen Avantgarde“ und hob dabei besonders den Beitrag einiger aus Rumänien stammenden Künstler hervor. Während z.B. Marc Chagall, als „bedeutendster europäischer Künstler des 20. Jahrhunderts“ immer noch in seinem Schtetl Liosno und in Witebsk „innerlich und geistig beheimatet“ blieb – auch als er längst in Paris lebte –, integrierten sich der Bildhauer Constantin Brâncuși (Hobița/Paris) sowie die Maler Hans Mattis-Teutsch (Kronstadt/ Budapest/Paris/München), Victor Brauner (Piatra Neamț/Wien/Paris) und Arthur Segal (Jassy/ Paris/München/Berlin) in eine „neue Spiritualität“. Hans Mattis-Teutsch sei, so Stephani, vielleicht der erste international bekannte Künstler gewesen, der sich bereits in den 1930er Jahren als „Europäer, als homo europaeus“, bezeichnet habe. Und das in einer Zeit, als ein aggressiver Nationalismus herrschte.

Wie die beiden Referate zeigten, fühlten sich neben Otto Czekelius und Hans Mattis-Teutsch auch andere in Frankreich bzw. in Deutschland lebende siebenbrügisch-sächsische Künstler wie Heinrich Neugeboren (Henri Nouveau), Walther Teutsch, Grete Csaki-Copony, als Schülerin von Arthur Segal, bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als „Europäer“. Ihr Denken sei grenzenüberschreitend fortschrittlich gewesen, lange bevor der „europäische Gedanke“ zustande gekommen sei.

Angela Popa

Schlagwörter: Kulturaustausch, deutsch-rumänische Beziehungen

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