14. Juli 2008

Literarische Begegnung im Zeichen der Partnerschaft Klausenburg – Köln

Im Zuge der Städtepartnerschaft von Köln und Klausenburg kam es vom 29. Mai bis 3. Juni in Köln zur literarischen Begegnung von sechs rumänischen und deutschen Schriftstellern. Die Stadt Köln lud am 31. Mai zum Literaturaustausch ins Rathaus. Den aus Rumänien angereisten Autorinnen und Autoren mit Klausenburger Hintergrund, Sînziana Mureșeanu, Constantina Buleu, Eginald Schlattner und Joachim Wittstock, begegneten die Kölner Autorinnen Gabriele Flessenkemper und Pilar Baumeister.
Joachim Wittstock und Eginald Schlattner lasen auch in der Lengfeld’schen Buchhandlung. Beide Lesungen moderierte der siebenbürgische Literaturhistoriker Ingmar Brantsch, der auch bei der Organisation dieses Literaturaustausches mitwirkte. Schlattner hatte noch einen weiteren Termin – in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf.

Zur Lesung am 31. Mai fanden sich mehr als 50 Literaturfreunde im großen Sitzungssaal des Kölner Rathauses ein. Zunächst wurde das Publikum über Klausenburg informiert. Dann las die 29 Jahre junge Essayistin vom Klausenburger Lehrstuhl für vergleichende Literatur und Weltliteratur, Constantina Buleu, aus ihrem 2004 erschienenen Nietzsche-Essay „Dostojewski und Nietzsche. Übereinstimmungen und Unterschiede“. Der in deutscher Sprache vorgetragene Auszug kam beim Publikum sehr gut an.

Ihre ebenfalls junge Kollegin Sînziana Mureșeanu hat bisher vier Gedichtbände veröffentlicht. Ihre metaphernreichen besinnlichen, aber doch nicht hermetischen Gedichte stießen im Rathaus auf positive Resonanz. Beide Autorinnen traten im Rahmen dieses Klausenburg-Kölner Literaturaustausches übrigens auch im Bonner Frauenmuseum auf.

Verbindungen zu Klausenburg weist auch der 1938 in Hermannstadt geborene Schriftsteller Joachim Wittstock auf. In seinem 2007 erschienenen Erinnerungsbuch „Die uns angebotene Welt“ schildert Wittstock seine Studienjahre (Germanistik und Rumänistik) zwischen 1956 und 1960 an der Universität Klausenburg. Im Kölner Rathaus überraschte der Autor mit seinem feinen, hintergründigen Humor, den er sich selbst in den Passagen, wo er das Leben in der Diktatur beschreibt, nie ganz nehmen lässt. Das sowohl im Rathaus als auch in der Lengfeld’schen Buchhandlung gelesene Fragment nahm das Publikum sehr für seine Art der oft doppelbödigen Betrachtung ein und es entbehrte auch nicht aktueller Bezüge und Befindlichkeiten.

Wie Wittstock kann auch Eginald Schlattner auf Studienjahre in Klausenburg zurückblicken. Seine im Rathaus wie auch in der Lengfeld’schen Buchhandlung vorgelesenen Fragmente fanden eine aufmerksame und interessierte Zuhörerschaft, ging es doch (besonders in den „Roten Handschuhen“) um seine Hafterlebnisse als politischer Gefangener im rumänischen Stalinismus.

Auch den beiden bundesdeutschen Autorinnen gelang es, durch den Vortrag ihrer Texte einen Bezug zu Rumänien und seinen kulturellen Traditionen herzustellen. Von Gabriele Flessenkemper, Buchautorin und Radiojournalistin, stammt die Drehbuchvorlage zum Feature „Die Liebe zur Homoöpathie“, in dem auch deren Erfinder Samuel Hahnemann vorkommt, der lange Zeit in der Bibliothek des Gouverneurs Samuel von Brukenthal in Hermannstadt gearbeitet hat.

Die Autorin Pilar Baumeister, die spanisch und deutsch schreibt, hat ihr schweres Handicap, blind zu sein, souverän gemeistert. Baumeister ist im Landesverband NRW des Schriftstellervereins der Bundesrepublik die Beauftragte für die bundesdeutschen Autoren mit Migrationshintergrund. Zur Zeit arbeitet sie an einem großen Essay über Selbstmord in der Literatur, in dem u. a. auch die rumänischen und rumäniendeutschen Autoren Urmuz und Liviu Rebreanu bzw. Rolf Bossert und Annemone Latzina berücksichtigt werden. Die rumäniendeutsche Literatur lebt selbst auf diese tragische Weise in dem nachdenklich-ergreifenden Essay und ist auch hier, im Rahmen der gesamtrumänischen Literatur, ein Brückenschlag nach Europa.

Kein „Hotelvollzug“ in Ossendorf

Bei Schlattners Lesung in der Justizvollzugsanstalt Ossendorf vor resozialisierungswilligen Teilnehmern des Hauptschul- und des Realschulkurses (Außenstelle des Abendgymnasiums Köln) interessierten vor allem seine Erfahrungen als Beauftragter der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien. Schlattner betreut in seiner Heimat nicht nur evangelische Siebenbürger Sachsen, sondern auch reformierte Ungarn und orthodoxe rumänische Gattenmörderinnen seelsorgerisch, zudem bundesdeutsche Gefangene, die ihre Strafen für in Rumänien begangene Straftaten eben in Rumänien absitzen müssen. Dort gibt es acht Quadratmeter große Zellen – in der Bundesrepublik eine Einzelzelle –, die mit vier oder mehr Mann belegt sind.

Schlattners Erfahrungen im Securitate-Gefängnis sorgten für Irritationen. „Wollen Sie etwa behaupten, wir hätten hier einen Hotelvollzug?!“, lautete eine kritische Stimme. Der pädagogische Leiter Heinrich Pflaging glättete die Wogen, indem er auf die allgemeine existenzielle Leidenserfahrung in der Haft hinwies. Doch er bat auch, das Besondere einer politischen Haft in einem Unrechtssystem (wie im damaligen kommunistischen Rumänien) zu bedenken, das alles nochmals verschlimmern könne. Thematisch wahrhaft weit gespannt war der Bogen der gut besuchten Veranstaltungen im Rahmen des Kulturaustausches der Partnerstädte Köln und Klausenburg.

Ingmar Brantsch

Schlagwörter: Lesungen, Städtepartnerschaft, Klausenburg

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