3. Januar 2009

"Nicht nur Siebenbürger Sachsen – nicht nur in Siebenbürgen"

Den Landlern und Siebenbürger Sachsen widmete sich die Kulturreferententagung unseres Verbandes. 32 Teilnehmer fanden sich vom 28. bis 30. November 2008 im Exerzitienhaus St. Paulus in Lei­tershofen bei Augsburg ein. Sie waren der Einladung des Bundeskulturreferenten Hans-Werner Schuster gefolgt, um sich mit den Referaten von Dr. Mathias Beer, Dr. Michael Kroner, Pfarrer Mag. Volker Petri, Dr. Claus Stephani sowie einer Filmpräsentation von Günter Czernetzky auseinanderzusetzen, über die Kulturarbeit in den Gliederungen unseres Verbandes auszutauschen und über zukünftige Vorhaben zu informieren und abzustimmen.
Die Teilnehmer waren sich bewusst, dass siebenbürgisch-sächsische Kultur nicht nur in Sie­benbürgen gepflegt wird, und dass ihre Träger zum überwiegenden Teil außerhalb Siebenbür­gens leben. Durch ihre Tätigkeit als Kulturrefe­renten waren sie auch der Überzeugung, dass diese spezifische Kultur, die sich als Spielart deut­scher Kultur in Anpassung an die Verhält­nisse in Siebenbürgen sowie im Austausch und in der Auseinanderstzung mit der Kultur der Nachbarvölker entwickelt hat, auch außerhalb Sie­benbürgens Bestand hat. Nichtsdestotrotz dürften sie es als nützlich empfunden haben, einen Blick zu den Landsleuten in Übersee und Österreich zu werfen, und auf die Bedingungen unter denen dort das Bestehen unserer Kultur gesichert oder zumindest bis heute bewahrt werden konnte.
Blick in den Tagungssaal im Exerzitienhaus ...
Blick in den Tagungssaal im Exerzitienhaus Leitershofen. Foto: Hans-Werner Schuster
Wenn diesbezüglich Optimismus angebracht erscheint, dann wohl weil es das Beispiel der Landler gibt, eine zahlenmäßig kleine Gruppe (unter 5 000 Personen), die sich im gleichen eth­nischen (deutschen) und konfessionellen (evangelischen) Umfeld bald drei Jahrhunderte lang behaupten konnte. Ihnen widmete sich Freitag­abend nach der Begrüßungs- und Einführungs­runde der stellvertretende Leiter und Geschäfts­führer des Institutes für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen, Dr. Mathias Beer, in seinem Referat „,und sye hette die sprach auch nicht verstanden.‘ Die Landler in Siebenbürgen“. Er zeichnete den Prozess nach, der zu der Aushebung der „Transmigranten“ aus den habsburgischen Kernlanden nach Sie­benbürgen führte, und ebenso die drei Deporta­tionszüge seit 1734. Den Schwerpunkt aber setz­te er auf die Ansiedlung in Siebenbürgen und den Prozess der Herauskristallisierung einer eigenen Gruppenidentität in den Ortschaften Neppendorf, Großau und Großpold. Überzeugend konnte er seine Thesen vertreten, dass für die Entwicklung dieser Gruppenidentität einerseits die Kriminalisierung der Transmigranten durch die österreichischen Behörden und andererseits die davon bedingte Ablehnung durch die Sieben­bürger Sachsen bestimmend waren. Die rege Diskussion zeigte nicht nur den Wissenshunger der Teilnehmer, sondern brachte auch Ergän­zungen aus eigener Anschauung und Erfahrung, war doch nicht nur der Referent ein Landler.

„Die Siebenbürger Sachsen südlich der Karpa­ten“ beleuchtete das Referat von Dr. Claus Stephani. Der Ethnologe und Publizist bot nicht nur eine Rückschau auf den Beginn sächsischer Siedlung südlich der Karpaten. Er widmete sich auch späteren Ansiedlungen von Flüchtlingen, „Pionieren“ und Existenzgründern und verfolgte deren Entwicklung bis in die Gegenwart. Dass er dabei trotz der über 30 deutschen evangelischen Gemeinden mit zeitweise 10.000 Mitglie­dern den Schwerpunkt auf Bukarest setzte, darf nicht verwundern. Um die Gegenwart bzw. die jüngste Vergangenheit kreiste die anschließende Diskussion. Allerdings dürfte Claus Stephani alle dafür sensibilisert haben, deutsche bzw. sächsische Spuren in Ortsnamen wie „Sâseni“ oder „Sasu“ zu sehen, oder auch in orthodoxen Kirchen ohne Iconostas.

Für den Blick über den großen Teich zu den „Siebenbürger Sachsen in Übersee“ war Dr. Michael Kroner prädestiniert. Angelehnt an die diesbezügliche Darstellung im 1. Band seiner 2007 erschienenen „Geschichte der Siebenbür­ger Sachsen“ (S. 277-293) beleuchtete der Histo­riker die Auswanderung von über 30 000 Lands­leuten in die USA und nach Kanada seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Das Haupt­augenmerkt legte er auf die Entstehung und Entwicklung sächsischer Gemeinschaft bis heu­te. Siebenbürgisch-sächsisches Bewusstsein und Identität ist sogar noch in fünfter Generation vorhanden. Und auch wenn nicht alle Aus­prägungen siebenbürgisch-sächsischer Kultur bewahrt werden konnten, werden einige in den Clubs gepflegt und gelebt.

In der anschließenden Diskussion weitete Dr. Kroner den Blick auch auf Südamerika und weitere Ecken dieser Welt, in die es Landsleute verschlagen hat. Primär stand aber die Frage im Raum, was eigentlich einen Siebenbürger Sach­sen bzw. siebenbürgisch-sächsische Kultur ausmache.

Den Siebenbürger Sachsen in Deutschland war kein Referat, sondern der Dokumentarfilm von Günter Czernetzky „Wir wollen bleiben, was wir sind ...“ gewidmet. Vom Patenland Nordrhein-Westfalen gefördert, ist er als „Work in Pro­gress“ noch immer im Werden. Gerade dadurch und ungeachtet der von der Technik bedingten Schwierig­keiten mit dem Ton provozierte er eine angeregte Diskussion, die der Regisseur mit Fragenlisten und vorangeschickten Thesen noch befeuert hatte.

Als Höhepunkt der Tagung wurde das Referat von Volker Petri empfunden. Nach einer kurzen Andacht zum 1. Adventssonntag widmete er sich dem Thema: „Aus Siebenbürger Sachsen in Österreich werden österreichische Siebenbürger Sachsen“. Vor dem Hintergrund seiner langjährigen Tätigkeit als Pfarrer und seit 1998 Bundes­obmann des Verbandes der Siebenbürger Sach­sen in Österreich und dank seiner Forschungen (2001 veröffentlicht in dem Band „Österreich. Deine Siebenbürger Sachsen“) war zu erwarten, dass er den Sachverhalt souverän meistern würde. Dass es allerdings so anschaulich und das Auditorium berührend geschah, hat sehr positiv überrascht.

Das, was sich in den Referaten herauskristallisierte – dass siebenbürgisch-sächsische Kultur und Gemeinschaft dort am erfolgreichsten be­wahrt wird, wo eine gewisse zahlenmäßige Stär­ke und räumliche Konzentration einerseits, und andererseits distinkte Unterscheidungsmerkma­le (Sprache, Religion) zum neuen Umfeld gegeben sind –, wurde durch die Berichte aus der Arbeit der Kulturreferenten bestätigt. In dem großen Spektrum von „wir zeigen, dass wir noch da sind“ bis hin zu überbordenden Aktivitäten wurde allerdings immer auch deutlich, dass die eigene Haltung und das eigene Bewusstsein, eine ähnlich große Rolle spielen wie die Bedin­gungen vor Ort.

Die Tagungsstätte, die schon von der Kulturre­ferententagung 2006 – damals stand Hermann­stadt im Blickpunkt – bekannt war, bot die idealen äußeren Bedingungen für die Tagung. Für ihren Erfolg war aber auch der Teilnehmerkreis – nicht nur die Referenten – entscheidend. Es gab arrivierte Kulturreferenten wie den seit bald 20 Jahren aktiven Willi Roth aus Augsburg (der in Pausen seine DVD-Präsentationen siebenbürgisch-sächsischen Brauchtums vorführte) und solche, die eben erst ins Amt gewählt worden waren. Und zwischen ihnen entspannte sich ein Dialog und Erfahrungsaustausch, der hoffentlich über den Tag und das Jahr hinaus aufrecht erhalten wird, und sich zum Nutzen unserer Gemeinschaft und unseres Verbandes niederschlägt.

Eine Gelegenheit dazu wird sich schon 2009 bieten, wenn unser Verband sein 60-jähriges Bestehen feiert. Diesen Anlass nicht nur für ein ansprechendes Kulturprogramm zu nutzen, son­dern auch für die Rückschau auf die Entwick­lung der einzelnen Gliederungen zur eigenen Selbstvergewisserung und Standortbestimmung, dazu rief der Bundeskulturreferent seine Kolle­gen aus den Landes- und Kreisgruppen auf. Un­ter ihnen war auch Klaus Wagner, der Kultur­referent des Bundesverbandes der Siebenbür­ger Sachsen in Österreich, der erstmals an der Kulturreferententagung teilnahm. In zwei Jah­ren ist es wieder so weit. Aber für 2009 ist eine Exkursion – nicht nur für Kulturreferenten – nach Siebenbürgen geplant.

H-W

Schlagwörter: Bundeskulturreferat, Tagung

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