30. Juni 2009

Zum 90. Todestag des Kronstädter Gymnasiallehrers Josef Traugott Meschendörfer (1832-1919)

Zu den Persönlichkeiten Kronstadts, die in Lehre und Forschung Be­deutendes geleistet haben, gehört auch Josef Traugott Meschendörfer. Mit ihm begann der erfolgreiche Unterricht der Naturwissenschaften an den Kronstädter sächsischen Mittelschulen. Mit seinen Lehrbüchern schuf er die Grundlage für diesen Unterricht in ganz Siebenbürgen. Meschendörfer ist zugleich der Begründer der geologischen Erforschung des Burzenlandes. Als Pfarrer und Seelsorger in Petersberg hat er sich Verdienste auch in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht erworben.
Josef Traugott Meschendörfer wurde am 1. März 1832 in Petersberg bei Kronstadt geboren als Sohn des Rektor-Lehrers und Predigers Jo­sef Meschendörfer. Die Volksschule und das Gymnasium besuchte er in Kronstadt. Nach der Reifeprüfung studierte er 1851-1854 Theologie und Philosophie (Lehrfach: Naturgeschichte) in Tübingen (1951/53) und in Berlin (1853/54). Wäh­rend seines Studiums in Tübingen erwarb er sich als Gasthörer an der landwirtschaftlichen Lehranstalt in Hohenheim zusätzliche praktische Kenntnisse bei Prof. Ed. Lucas im Obstbau. In Berlin, wo er sich seiner Ausbildung als Schul­meister widmete, waren namhafte Wissenschaft­ler jener Zeit, wie der Mineraloge Gustav Rose, der Chemiker Eilhard Mitscherlich und der Bota­niker Alexander Braun, seine Lehrer.

Gymnasiallehrer – Der Naturkundeunterricht wurde 1850 an den Mittelschulen Siebenbürgens eingeführt. Als Meschendörfer 1854 nach Kron­stadt zurückkehrte und ihm der Unterricht der Naturwissenschaften am dortigen sächsischen Obergymnasium und an der Realschule übertra­gen wurde, fand er in diesem Fachbereich fast völliges Brachland vor. Seinen größten Erfolg als Lehrer erzielte Meschendörfer in seinem Chemieunterricht, den er 18 Jahre an der Kron­städter Realschule erteilte. Um den Schülern die Vorbereitung in diesem Lehrfach zu erleichtern, gab er 1864 das Lehrbuch „Anfangsgründe der Chemie für Unterreal- und Bürgerschulen“ her­aus – das erste diesbezügliche Lehrbuch in Sie­benbürgen. Bemerkenswert ist, dass es von den namhaften deutschen Pädagogen A. Diesterweg und Lüben als gutes Lehrbuch anerkannt und als Leitfaden auch für den Chemieunterricht an Schulen in Deutschland und Österreich empfohlen wurde. Für die Förderung des Naturkunde­unterrichts gab Meschendörfer 1867 das „Lehr­buch der Na­turgeschich­te“ [für die untern Klas­sen der Gym­nasien und Realschulen, wie auch für gehobene Volksschulen] heraus, das an allen Schulen Sie­benbürgens verwendet wurde und bis 1890 in vier verbesserten Auflagen erschien.
Josef Traugott Meschendörfer (1832-1919). ...
Josef Traugott Meschendörfer (1832-1919).
Geologe – Der Mineralogie und Geologie be­sonders zugetan, begann Meschendörfer nach seinem Dienst­antritt am Gymnasium die geologische Schulsammlung durch von ihm im Bur­zenland gesammelte Handstücke von Minera­lien und Gesteinen für den Unterricht zu bereichern und sich eingehend mit dem geologischen Aufbau seiner engeren Heimat zu befassen. Als Er­gebnis dieser Untersuchungen erschien 1859 seine erste Mitteilung über „Das Neo­comien-Vor­kommen bei Kronstadt“ in den Verhandlungen und Mitteilungen des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt. 1860 veröffentlichte er ebenfalls in dieser Zeitschrift seinen Beitrag über „Die vulkanischen Gesteine im Burzenland“. Im gleichen Jahrgang der Ver­handlungen und Mit­teilungen und im Programm des Honterus­gymnasiums veröffentlichte Me­schendörfer auch die grundlegende Arbeit über „Die Gebirgs­arten im Burzenlande“ [ein Beitrag zur Geognosie von Siebenbürgen], in der erstmals die Gesteinsarten dieser Gebirgsmassive beschrieben wurden. Diese Veröffentlichung war die Grundlage für die weitere geologische Erfor­schung des Burzenlandes. Der beste Beweis für die wissenschaftliche Bedeutung dieser Arbeit Meschendörfers ist die Tatsache, dass die Wie­ner Geologen Franz v. Hauer und Guido Stache, die Siebenbürgen 1859/60 geologisch erforscht hatten, seine Ausführungen über das Burzen­land vorbehaltlos in ihre „Geologie Siebenbür­gens“ (Wien 1863) übernahmen.

Als weiteres Ergebnis seiner geologischen Un­tersuchungen veröffentlichte er 1866 im Pro­gramm des Honterusgymnasiums den „Versuch einer urweltlichen Geschichte des Burzenlandes“ vom Erdmittelalter bis zum Jungtertiär. Eine Synthese seiner geologischen Forschungen stellt seine Arbeit über den „Geologischen Bau der Stadt Kronstadt und ihres Gebietes“ dar, die Meschendörfer 1892 in der „Festschrift der Stadt Kronstadt für die 26. Wanderversammlung un­garischer Ärzte und Naturforscher“ mitteilte.

Pfarrer und Seelsorger – Nicht weniger er folgreich war sein Wirken als Geistlicher in seiner Geburtsgemeinde Petersberg von 1872 bis 1912. In dieser Zeit hat er in mehrfacher Hin­sicht das Gemeindeleben gefördert und ausgebaut. Als Seelsorger gab er für seine Gemein­deglieder zwei Erbauungsbüchlein („Häusliche Gebete“ 1889 und „Für stille Stunden“ 1904) heraus, die er an diese kostenlos verteilte. Auch für den Ausbau der Schule, an der schon da­mals acht Lehrkräfte tätig waren, hat sich Me­schendörfer verdienstvoll eingesetzt. Als Wohl­fahrtseinrichtungen schuf er das „Helferamt“ und eine „Tischlereischule“. Das Helferamt be­sorgte den jungen Landwirten rasch und kostenlos Darlehen für den Kauf von Grundstücken oder half in Not geratenen Bauern bei der Ret­tung von gefährdeten Anbauflächen. Während seiner Amtszeit wurden in Petersberg in 24 Jah­ren 152 Darlehen vergeben, dank derer über 300 Grundstücke im Besitz von sächsischen Bauern blieben. Die 1887 ins Leben gerufene Tischlerei­schule vermittelte in den Wintermonaten jungen Bauern die notwendigen Kenntnisse, um selbständig anfallende Arbeiten in Haus und Hof durchführen zu können. Diese nützliche Ein­richtung wurde danach in vielen Gemeinden Siebenbürgens eingeführt.

Während seiner Dienstzeit in Petersberg wur­de auch der Übergang von der Dreifelderwirt­schaft zum Vierfelderfruchtwechsel vollzogen. Von 1874 bis 1886 war er der wiederholt gewählte Vorstand des Burzenländer landwirtschatlichen Bezirksvereins und durch sein 1879 erschienenes Büchlein „Wie können wir unserer Landwirtschaft wieder aufhelfen?“, hat er nicht nur im Burzenland zu einer verbesserten Wirtschaftsführung bei den Landwirten beigetragen. Weiterhin erschien 1895 von Meschen­dörfer ein „Lehr- und Lesebuch für die ländlichen Fortbildungsschulen“, das er gemeinsam mit Wilhelm Morres und Dr. Eduard Morres herausgab und von dem bis zum Ersten Welt­krieg drei Auflagen gedruckt wurden.

Am 1. Juli 1912 ging Josef Traugott Meschen­dörfer in den Ruhestand, übersiedelte nach Kronstadt, wo er am 18. Juni 1919 im Alter von 87 Jahren starb.

Dr. Heinz Heltmann

Schlagwörter: Naturwissenschaften, Pädagogik, Kronstadt, Burzenland

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