15. Juli 2009

Aufbruch nach Osten: Roman über Auswanderung nach Transsilvanien

„Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen“, er­klärte einst Hermann Hesse. Wie schwer das, was so schnell dahergesagt, in der Realität ist, stellt die gebürtige Siebenbürgerin Käthe Barth in ihrem Roman „Aufbruch ins Ungewisse und Ankunft in Transsilvanien“ dar. Einfühlsam beschreibt sie die beschwerliche Reise eines Sied­lertrecks aus dem Moselland in den unbekannten Osten: Transsilvanien.
Die Erzählung beginnt um 1141 mit dem Anwerben der sächsischen Bauern durch Abgesandte des ungarischen Königs Geza II. und endet mit einem kurzen Ausblick auf die Vertreibung und Flucht zurück nach Deutschland in der Zeit des Kommunismus um 1945. Dabei ist der Roman nicht in Kapitel, sondern nur in die zwei großen Teile „Aufbruch ins Ungewisse“ und „Ankunft in Transsilvanien“ unterteilt.

Der erste Teil erzählt von einem ganzen Dorf, das all sein Hab und Gut auf große Planwagen verfrachtet und loszieht, um dem Ruf König Geza II. von Ungarn zu folgen und das ihnen unbekannte und weitentfernte Land Transsilvanien urbar zu machen. Sie entschließen sich, ihre Heimat zu verlassen, um sich und ihren Nachkommen eine gesicherte, eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Einfühlsam beschreibt die Autorin die Gefühle und Probleme der Auswanderer. Sie zeigt die Zerrissenheit zwischen der Sehnsucht nach einer besseren Zukunft und der Verwurzelung mit der Heimat, dem Zwang, sich zu verteidigen, und der Abscheu gegen Gewalt, dem Einlassen auf etwas Neues und dem Festhalten an der alten Kultur auf.

Der zweite Teil berichtet von der Besiedlung Siebenbürgend, von den Problemen und der Mühsal beim Urbarmachen des Gebietes, den Erfolgen der Siedler und dem Herausbilden einer spezifischen siebenbürgischen Kultur. Schließlich werden in kurzen Zügen auch spätere Schwierigkeiten thematisiert, von den gewaltsamen Überfällen der Türken, hohen Steuerzahlungen, zahlreichen Kriegen bis hin zur Vertreibung im Kommunismus. In knappen Worten gibt die Autorin einen Überblick über die Probleme, die die Siebenbürger Sachsen in den unterschiedlichen Epochen zu bewältigen hatten.

Als wichtiges Thema kommt dabei immer wieder der christliche Glaube zum Tragen. Auch hier wird mit viel Umsicht der Janus-Charakter des Geschehens dargelegt. Die Brutalität der Christianisierung, die plündernden und gewalttätigen Kreuzritter, aber auch die Hoffnung und Stabilität, die der Glaube den Siedlern gibt. Es wird aufgezeigt, wie sie zunächst lange Zeit weiter an den heidnischen Göttern festhalten und sich nur zögerlich dem neuen Glauben öffnen, wie sich dieser dennoch immer mehr festig und später tief in der Kultur und Tradition verwurzelt ist.

Käthe Barth, die Autorin des Romans "Aufbruch ins ...
Käthe Barth, die Autorin des Romans "Aufbruch ins Ungewisse und Ankunft in Transsilvanien".
Bei diesen Beschreibungen bezieht sich die Autorin immer wieder auf historische Ereignisse – und das nicht nur bezüglich des Glaubens. Die erzählte Geschichte und ihre Figuren mögen frei erfunden sein, doch sie sind eingebettet in eine wahre Historie und stützen sich auf reale Fakten. Immer wieder gibt es neben dem Romanstrang auch allgemeine Informationen über das Geschehen in der damaligen Zeit. Ebenso konkret wie diese historischen Ereignisse werden auch geografische Punkte benannt. Bekannte Städte, Flüsse und Gebirge werden namentlich erwähnt. Dadurch ist es dem Leser möglich, den Zug des Trecks durch ganz Deutschland genau nachzuvollziehen.

Einige Passagen des Romans, besonders die faktenreichen Erläuterungen, werden in sehr einfachen, klaren Worten dargelegt, andere wiederum zeichnen sich durch romantische Ausschmückungen aus. Die Autorin verliert sich hier manchmal in blumigen Details und Wiederholungen. Der Ausdruck ist allgemein etwas umständlich und langatmig. Teilweise gibt es detaillierte Ausführungen über die Natur, das Wetter, die Gefühle der Siedler, dann wieder wird ad hoc eine Zeitspanne von mehreren Jahren übersprungen. Hier wäre eine Kapiteltrennung übersichtlicher gewesen. Gerade im zweiten Teil gibt es zahlreiche, große Zeitsprünge, durch die die Übergänge oft etwas holprig wirken.

Doch gerade dieser durchgängige Textfluss und diese leichte Holprigkeit machen diesen Roman auch aus. Dadurch gewinnt er den Charakter des Gedankenberichts eines Zeitzeugen. Dies wird besonders durch die sehr warme Erzählhaltung der Autorin bestärkt. Es ist, als würde jemand, der all das miterlebt hat, vom größten Abenteuer seines Lebens berichten. Es ist wie eine spannende Geschichte, die Opa am Lagerfeuer erzählt – teilweise etwas ausschweifend, aber fesselnd.

Ina-Maria Maahs

Käthe Barth: „Aufbruch ins Ungewisse und Ankunft in Transsilvanien“, Roman, edition litera im R.G. Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 2009, 320 Seiten, 18,00 Euro, 32,90 SFr, ISBN 978-3-8301-9894-9.

Schlagwörter: Rezension, Roman

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