9. August 2013

Fragen und Antworten zum Gesetz über Entschädigung für politisch Verfolgte

Das „Gesetz Nr. 211/2013 zur Gewährung von Rechten an Personen ohne rumänische Staatsangehörigkeit, die aus politischen Gründen von der am 6. März 1945 errichteten Diktatur verfolgt wurden sowie die (nach dem 23. August 1944) ins Ausland verschleppt oder in Kriegsgefangenschaft geraten sind“ (siehe Siebenbürgische Zeitung Online vom 4. Juli 2013) wird inzwischen in der Praxis umgesetzt. Die ersten Genehmigungsbescheide sind bereits ergangen. In einigen Fällen treten Fragen auf, die nachfolgend geklärt werden sollen.
In dem Artikel steht, Kinder seien nicht antragsberechtigt. Ich wurde im Alter von 16 Jahren als Kind verschleppt. Darf ich keinen Antrag stellen?
Doch. Jeder, der selbst betroffen ist, darf unabhängig von seinem Alter einen Antrag stellen. Das Gesetz kennt keine Altersgrenze als Ausschlusskriterium. Ausgeschlossen sind nur Kinder, die einen Antrag für die Verfolgung der verstorbenen Eltern stellen wollen. Diese sind vom Gesetz nicht erfasst.

Ich wurde selbst nach Russland verschleppt. Meine Frau war auch verschleppt, leider ist sie verstorben. Kann ich nun für mich und für meine Frau einen Antrag stellen?
Nein, das geht leider nicht. Das rumänische Rentenrecht kennt keine Anspruchshäufung („cumul de pensii“). Gemäß Artikel 6 des Gesetzes kann man für verstorbene Ehegatten nur dann einen Antrag stellen, wenn man nicht selbst verschleppt war.

Ich habe leider keinen Beleg über die Verschleppung nach Russland und habe einfach so einen Antrag auf dem Formular eines Bekannten an die Rentenkasse gestellt. Nun passiert nichts. Was ist zu tun?
Hier sind gleich mehrere Fehler passiert. Zum einen muss der Antrag zuerst an die Kommission zur Anwendung des Dekretes 118/1990 am Ort des letzten Wohnsitzes gestellt werden (AJPIS). Das ist nicht die Rentenkasse! Zwar müsste diese (als unzuständige Behörde) den irrtümlich dorthin gesendeten Antrag nach rumänischem Recht an die zuständige Stelle (AJPIS) weiterleiten. In der Praxis passiert das aber nicht. Der Antrag bleibt liegen. Es ist daher sehr wichtig, die richtige Behörde zu wählen und auch die richtige Adresse zu ermitteln. Wenn also der Antrag aus Versehen an die falsche Behörde gesendet wurde, sollten Sie ihn erneut an die richtige Stelle senden. Auch müssen alle Sachverhalte bewiesen werden, aus denen man ein Recht ableiten will. Das rumänische Recht kennt – anders als deutsches Sozialrecht – keine „Amtsermittlung“. Nachweise müssen in rumänischer Sprache vorgelegt werden. Die Russlandverschleppung ist oft in Bescheinigungen (Adeverințe) bestätigt worden. Fehlt eine solche, kann eine Eintragung im rumänischen Arbeitsbuch weiterhelfen. Liegt auch diese nicht vor, müsste aus Rumänien jede andere Nachweismöglichkeit ausgeschöpft werden. Nicht ausreichend sind nachträgliche Aufzeichnungen oder Feststellungen deutscher Behörden. Es ist nicht hilfreich, z.B. Kopien des Registrierscheines oder einer deutschen Heimkehrerbescheinigung nach Rumänien zu senden, weil diese dort keinerlei Beweiswirkung haben. Bei Verwendung von Formularen sollten Sie darauf achten, dass es unbedingt die zutreffenden sind. Es muss ausdrücklich ein Antrag auf Feststellung und Leistung nach dem Dekret 118/1990 sein, der an die AJPIS gerichtet ist. Wenn Sie z.B. das Formular zur Besorgung eines Nachweises (gerichtet an die CNSAS in Bukarest) ausfüllen und an die AJPIS senden, dann hat das keinerlei Wirkung. Weil aber die Entschädigung nur ab dem Monat der richtigen und vollständigen Antragstellung gezahlt wird, kommt jedes Versäumnis einem Verlust von Geldleistung gleich. Daher sollten Anträge sehr genau ausgefüllt und mit allen Unterlagen versehen an die richtige Stelle eingesendet werden. Auch müssen die Anträge persönlich unterschrieben werden.

Ich habe von der AJPIS nach sechs Wochen eine „Decizie“ bekommen, worin mein Antrag anerkannt wurde. Dort steht auch, dass ich nun für jedes Jahr 200 RON bekomme, ab dem 1. Juli 2013. Geld ist aber noch keines da. Was ist zu tun?
Sie haben mit Erfolg den ersten Schritt gemeistert. Nun ist diese Entscheidung der Kommission an die zuständige Rentenkasse (Casa Județeană de Pensii) weiterzuleiten und dort die Auszahlung des genehmigten Geldes zu beantragen. Dazu ist die Zahlungserklärung (nach Formular), eine Lebensbescheinigung (ebenfalls nach Formular!) zusammen mit einem Original-Kontoauszug und Kopien Ihres Ausweises sowie der Geburts- und ggf. Heiratsurkunde und dem Original der Entscheidung der Kommission (Decizie) einzureichen. In aller Regel ist dann in wenigen Wochen das Geld auf Ihrem Konto, rückwirkend ab dem Monat der vollständigen Antragstellung.

Warum muss ich einen Original-Kontoauszug vorlegen. Muss ich der Behörde wirklich mein Vermögen offenlegen?
Der Original-Kontoauszug ist zum Nachweis der Bankverbindung und der internationalen Überweisungsdaten (IBAN und BIS/SWIFT) notwendig. Damit wollen die Behörden vermeiden, dass Zahlungsanweisungen aufgrund von Zahlendrehern oder inexistenten Konten fehlgeleitet werden. Sie müssen selbstverständlich KEINE Vermögensdaten offenlegen. Sie können alle Angaben auf dem Kontoauszug, die Sie geheim halten wollen (z.B. Geldbeträge etc.), mit einem Stift „schwärzen“ (unleserlich machen).

Die Gemeindeverwaltung will mein Formular „Lebensbescheinigung“ nicht stempeln und hat mir eine andere Bescheinigung ausgestellt. Reicht das?
Leider kommt es in kleineren Gemeinden (die sich nicht auskennen) vor, dass die Bestätigung der Lebensbescheinigung auf dem Formular verweigert und stattdessen eine frei verfasste Bescheinigung ausgedruckt wird. Das reicht leider nicht, sondern führt zu unnötigen Komplikationen (Übersetzungs- und Beglaubigungsbedarf etc.). Weisen Sie die Gemeinden darauf hin, dass das zweisprachige Formular zwischen den deutschen und rumänischen Behörden abgestimmt und daher zu verwenden ist. Die Gemeinde muss am Ende des Formulars nicht mehr tun, als die Unterschrift der Person zu beglaubigen. Damit ist auch der Beweis erbracht, dass die Person lebt.

Ich habe keine rumänische Geburtsurkunde mehr. Reicht die deutsche Übersetzung oder eine Abschrift aus dem deutschen Familienbuch?
Jedes Papier, das Sie in Rumänien vorlegen wollen, muss auch in rumänischer Sprache verfasst sein. Andernfalls müssen Sie beglaubigte Übersetzungen fertigen lassen. Es ist einfacher, eine rumänische Geburtsurkunde oder einen Auszug aus dem Geburtenregister (extras din registru de naștere) am Geburtsort zu besorgen oder besorgen zu lassen, als ein ganzes deutsches Familienbuch ins Rumänische übersetzen zu lassen. Jedes nicht in rumänischer Sprache verfasste Papier (z.B. deutsche oder russische Urkunden), das Sie an die Behörde in Rumänien senden, ohne eine beglaubigte Übersetzung beizufügen, führt dazu, dass Ihr Antrag nicht weiter bearbeitet wird. Mit einigen Monaten Verspätung wird die Behörde vielleicht daran erinnern, dass Sie eine Übersetzung vorlegen sollen. In der Zwischenzeit ist Ihnen Entschädigungsrente entgangen. Ich empfehle daher, möglichst rumänische Unterlagen zu verwenden und nur sofern das nicht möglich ist, beglaubigte Übersetzungen in die rumänische Sprache beizufügen.

Ich habe zu meiner Altersrente aus Deutschland zuerst auch Rente aus Rumänien bekommen. Dann habe ich diese „aufgeschoben“, damit ich keinen Abzug von der deutschen Rente mehr habe. Kann ich nunmehr trotzdem auch die Entschädigungsrente aus Rumänien bekommen und wird die von der deutschen Rente nicht abgezogen?
Die Leistung gemäß Dekret 118/1990 hat nichts mit der deutschen Rente zu tun. Es ist eine nicht auf Beiträgen beruhende Entschädigungsleistung, die keinesfalls von der deutschen Rente abgezogen werden darf, sie fällt NICHT unter § 31 FRG. Sie können daher selbstverständlich diese Leistung beantragen, ohne dass von der deutschen Rente etwas abgezogen würde.

Ich habe den Antrag per Post nach Kronstadt geschickt. Jetzt verlangt die Behörde dort einen Sonderbevollmächtigten aus Kronstadt und einen „CNP“. Was ist zu tun?
Im Gesetz ist ausdrücklich geregelt, dass Sie den Antrag auch selbst stellen (unterschreiben) dürfen. Die Behörde in Kronstadt agiert leider bekannter Weise missbräuchlich und restriktiv. Eine Beschwerde wurde bereits an das Ministerium in Bukarest eingereicht und befindet sich in Klärung. Schreiben Sie der Behörde, dass Sie den Antrag selbst unterschrieben haben und auf einer Bearbeitung bestehen. Einen rumänischen Nummerncode (CNP) oder einen Sonderbevollmächtigten in Kronstadt benötigen Sie nicht.

Ich habe von der Rentenkasse in Rumänien vor zwei Wochen einen Bescheid bekommen, dass mir monatlich 974 RON zustehen. Auf meinem Konto sind aber 1642 Euro eingegangen. Jetzt mache ich mir Sorgen, dass ein Fehler passiert ist und ich das Geld zu Unrecht bekommen habe, und bin verunsichert.
Kein Grund zur Sorge, alles ist richtig. Freuen Sie sich über den Erfolg. Die 974 RON sind schlüssig und stehen für knapp fünf Jahre Russlandverschleppung. Das steht Ihnen nun lebenslang monatlich zu und wird in Euro auf Ihr Konto in Deutschland gezahlt (wohl etwa 231 Euro im Monat, je nach Umtauschkurs und Inflationsanpassung). Der höhere Eurobetrag auf Ihrem Konto ist die angesammelte Rente seit dem Monat der vollständigen Antragsstellung (also die Nachzahlung für die Vergangenheit).

Wer kann mir weiterhelfen?
Die Formulare sind meist zweisprachig und können mit wenig Aufwand ausgefüllt werden. Bei den Verfahren nach Dekret 118/1990 und Gesetz 112/2013 besteht in Rumänien kein Anwaltszwang. Helfen kann jeder, der sich mit dieser rechtlichen Materie gut auskennt. Sehr wichtig ist aber, den Schriftverkehr in rumänischer Sprache mit Behörden in Rumänien zuverlässig zu führen. Auskünfte erteilen auch die Geschäftsstellen der landsmannschaftlichen Verbände.

RA Dr. Bernd Fabritius, München

Schlagwörter: Russlanddeportation, Rechtsfragen, Entschädigung, Entschädigungszahlung

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