11. März 2018

Memorial Sighet als europäische Kulturerbestätte anerkannt

Die Europäische Kommission hat dem Memorial Sighet in Nordrumänien das Europäische Kulturerbe-Siegel verliehen zusammen mit acht weiteren europäischen Stätten wie den Musikdenkmälern in Leipzig, KZ Natzweiler (Deutschland), Dohány-Straße (Ungarn), Fort Cadine (Italien), Javorca-Kirche (Slowenien), Bois du Cazier (Belgien), Dorf Schengen (Luxemburg) und Gelände des Vertrags von Maastricht (Niederlande). Die Preisverleihung findet am 26. März in Plovdiv (Bulgarien) im Rahmen einer Konferenz zum Thema „Kulturelles Erbe: Für ein nachhaltigeres Europa“ statt.
Am 17. März, 20.00 Uhr, stellt Ana Blandiana im Museum Runde Ecke in Leipzig den neuen Film des Memorial Sighet vor, mit einer Einführung von Horst Samson und einer Lesung aus dem Essay und Reden-Buch von Ana Blandiana: „Wozu Dichter in dürftiger Zeit?“, herausgegeben von Katharina Kilzer und Helmut Müller-Enbergs, Edition Noack & Block, Berlin.

Wer seine Vergangenheit nicht kennt, kann seine Zukunft nicht gestalten, schrieb Ana Blandiana auf die Wand des Konferenzraums im Memorial Sighet: Der Wunsch nach Wahrheit, die Erinnerung an die kommunistischen Ungerechtigkeiten und authentischen sozialen Notwendigkeiten nach 1989, die Beharrlichkeit und Zuversicht des rumänischen Schriftstellerpaars Ana Blandiana und Romulus Rusan (1935-2016) waren die Voraussetzungen für ein gutes Gelingen des Projekts, das vor 25 Jahren auf den Ruinen des ehemaligen politischen Gefängnisses in Sighet entstand: die Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und des Widerstands während der kommunistischen Zeit in Rumänien und in den Ländern des Ostblocks. Die Idee entstand 1992, die Gedenkstätte wurde 1993 gegründet. Eine Delegation des Europarats mit Catherine Lalumière hatte 1992 Sighet besucht und das Projekt unter ihre Ägide genommen. Das verlassene und heruntergekommene Gebäude, das von 1948-1955 politisches „Ministergefängnis“ war, wurde mit Unterstützung deutscher Stiftungen (Hanns-Seidel, Konrad-Adenauer und Friedrich-Ebert) und von Exil-Rumänen als Memorial auf- und umgebaut. Zum 20-jährigen Bestehen fand 2013 eine der letzten Tagungen des Sommercamps mit Schülern, Studenten sowie zahlreichen Gästen aus Europa und Amerika statt, da die Konrad-Adenauer-Stiftung die finanzielle Unterstützung nicht mehr gewährleisten kann.
Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus in ...
Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus in Sighet: Besucher erhalten Zugang zu den ehemaligen Zellen, die heute Ausstellungsräume sind, 2014. Foto: K. Kilzer
Das Buch „Geist hinter Gittern“ – die rumänische Gedenkstätte Memorial Sighet mit Beiträgen vieler Teilnehmer, die das Projekt von Anfang unterstützt haben, wurde vorgestellt. 60 ehemalige Gefängniszellen sind als Ausbildungsräume gestaltet; die Themengebiete Zwangsarbeit, Widerstand in den Bergen, Schriftsteller im Gefängnis, Frauen im Gefängnis, Abdankung der Monarchie, Deportationen, das Alltagsleben im Kommunismus, Kollektivierung der Landwirtschaft, die Securitate, Chronologie des Kalten Krieges, die schwarze Zelle u.a. werden anschaulich gemacht; die großen Säle im Eingangsbereich sind dem kommunistischen Lagersystem und Persönlichkeiten wie Iuliu Maniu und Gheorghe Brătianu, die ihr Leben in Sighet ließen, gewidmet. Neben dem Museum sind das Studienzentrum und eine Forschungsstätte für angehende Historiker untergebracht. In der Sammlung der „Bibliothek Sighet“ wurden Tagungsbeiträge und Zeitzeugenberichte veröffentlicht. Mündliche Zeitzeugen-Aufzeichnungen wurden zusammen mit dem Hoover-Institut für immer konserviert. 1997 erkannte die christlich-soziale Regierung Rumäniens die Gedenkstätte als Nationale Kulturstätte an, was eine finanzielle Unterstützung sicherte. Es ist gelungen, in Sighet eine lebendige, offene Institution zu schaffen, die nicht nur zum Nachdenken anregen, sondern auch ein Erinnerungsort und ein Aufbewahrungsdepot sein soll. Nun erfährt die Gedenkstätte durch die Europäische Kommission eine entsprechende Würdigung.

Katharina Kilzer

Schlagwörter: Sighet, Kommunismus, Diktatur, Gedenkstätte

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