20. Juli 2019

Brücken der Toleranz – Plattform des freundschaftlichen Dialogs

Frage an Radio Eriwan: „Mit welchem Ergebnis kann ein Gerichtsstreit zwischen einem Armenier und einem Juden ausgehen?“ Antwort: „Mit zehn Jahren Gefängnis für den Richter.“ Mit diesem Scherz endet Dr. Arsen Arzumanyan seine akademische Präsentation über den Beitrag der armenischen Minderheit zur Entwicklung Rumäniens. Wie solche Witze entstehen, ist klar: Wo mehrere Völker zusammenleben, gibt es immer auch Konkurrenz, wie dies zwischen den armenischen und jüdischen Händlern auf dem historischen Gebiet der Moldau der Fall war. Erzählt man sie sich augenzwinkernd auch untereinander – wie der armenische Vortragende auf einer von der jüdischen Freimaurerloge B‘nai B‘rith Rumänien organisierten Veranstaltung – ist ebenso klar, dass man freundschaftlich miteinander kommuniziert. Genau darum geht es in der sechsten Ausgabe von „Brücken der Toleranz“ („Podurile Toleranței“). Um Brücken, die die nationalen Minderheiten Rumäniens begehen, um den freundschaftlichen Dialog zu pflegen.
Das EU-Projekt „Brücken der Toleranz“ war 2012 auf Vorschlag der später zur Präsidentin von B’nai B’rith Europa gewählten, 2015 verstorbenen rumänischen Jüdin Dr. Erika von Gelder entstanden. Als Aufklärungsprojekt gegen Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenhass eigentlich für sieben Länder in Zentral- und Osteuropa geplant, fand 2013 die erste Ausgabe in Rumänien, Bulgarien und der Slowakei statt. Weitere Ausgaben gab es dann nur noch in Rumänien.

Die ersten beiden befassten sich mit dem Beitrag der jüdischen Minderheit zur Landesentwicklung, Holocaust-Erinnerungen und dem Image der Juden in Rumänien. Zur dritten Ausgabe waren auch Roma und Tataren als Minderheiten mit schwerer Vergangenheit eingeladen worden. Die vierte Ausgabe befasste sich mit dem Zusammenleben aller nationalen Minderheiten mit der Mehrheit. Ab der fünften Ausgabe, darin ging es um den Beitrag der Minderheiten in Rumänien zur Entwicklung einer lebendigen europäischen Kultur, übernahm Staatspräsident Klaus Johannis die Schirmherrschaft. Das Thema der sechsten Ausgabe, einer Konferenz in der Rumänischen Akademie am 19. Juni, lautete: „Der Beitrag der nationalen Minderheiten zur wirtschaftlichen Entwicklung Rumäniens“. Die Moderation der Vortrags- und Diskussionsgruppen hatten Jose Iacobescu, Präsident von B’nai B’rith Rumänien, Akademiemitglied Prof. Dr. Paul Niedermaier und Prof. Dr. Horvath István, Präsident des Instituts für das Studium der Probleme Nationaler Minderheiten, inne.

In den Fachvorträgen ging es um die Rolle der jüdischen Gemeinschaft bei der Etablierung des Bankensystems durch Einführung moderner Bankinstrumente vor 1850 (Nationalbank-Vizegouverneur Prof. Dr. Liviu Voinea), um die Rolle der Armenier bei der Entwicklung der Moldau (Dr. Arzumanyan und der Minderheiten-Abgeordnete Varujan Pambuccian), den Einfluss der Griechen seit der Dakerzeit (Minderheiten-Abgeordneter Dragoș Zisopol), eine Studie über jüdische Händler, Handwerker und Industrielle in Hărlâu (Jassy) stellte Prof. Dr. Carol Iancu von der Univ. „Paul Valery“, Montpellier vor. Dr. Aurel Vainer, Präsident der Föderation der jüdischen Gemeinschaften in Rumänien (FCER), verwies auf die Juden, die im Ersten Weltkrieg freiwillig an der Seite Rumäniens gekämpft hatten, obwohl sie nicht einmal die Staatsbürgerschaft besaßen. In jeder größeren Stadt gab es eine Haupthandelsstraße mit Namen Lipscani mit jüdischen Groß- und Kleinhändlern. Der Markt landwirtschaftlicher Produkte aus Bessarabien war fest in jüdischer Hand. Zur Entwicklung der Industrie und Militärtechnik hatte Max Auschnitt entscheidend beigetragen. Juden gründeten die Textilindustrie in Arad, die erste industrielle Schuhfabrik in Klausenburg, eine Draht- und Nägelfabrik in Turda, eine Brotfabrik, eine Farbenproduktion und Metzgereien in Bukarest; zur kommunistischen Zeit legte ein Jude die Basis für das Stromnetz Rumäniens. Europaparlamentarier Iuliu Winkler erwähnte exemplarisch den Einfluss verschiedener Ethnien auf die Regionalentwicklung Rumäniens. Staatssekretär (ICR) Krizbai Béla Dan verwies auf den Beitrag ausländischer Bergleute in der Blütezeit des Schiltals. Im Banat leisteten Deutsche, Tschechen, Slowaken und Polen ihren Beitrag im Bergbau.

Über den Beitrag der Deutschen referierten der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), Dr. Paul-Jürgen Porr, und Dr. Konrad Gündisch. Porr betonte die Rolle der Siebenbürger Sachsen als Mitbegründer Großrumäniens (1919) und hob exemplarisch die Errungenschaften Deutscher in Rumänien hervor – die erste Straßenbahn, das erste Spital, das erste Wasserkraftwerk, die erste Apotheke, die erste Zeitung, die erste Schule, das erste Museum, das erste Theater, die erste Druckerei. Er erinnerte daran, dass die europäische Idee in Siebenbürgen, im Banat und in der Bukowina seit Jahrhunderten bereits gelebt wird. Gündisch referierte über den Beitrag der deutschen Minderheit durch ihr mitgebrachtes Wissen in Technik und Landwirtschaft, die Begründung des Zunftwesens, die gezielte Kolonisierung mit deutschen Bergbau- und Forstexperten (Banater Berglanddeutsche, Banater Schwaben, Zipser) und ihre nachhaltigen Einflüsse auf die Entwicklung des Landes (der Vortrag erscheint in Kurzfassung auf dieser Seite).

Nina May

Schlagwörter: Konferenz, Bukarest, Rumänische Akademie, Juden, Freimaurer

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