5. August 2009

Hoffnung in Reußdörfchen: Stiftung hilft benachteiligten Kindern

Wo früher der Pfarrer wohnte und sich auf den Gottesdienst in der nur wenige Schritte entfernten Kirche vorbereitete, spielen und lernen heute Kinder. Die Stiftung für Öko-soziale Erziehung betreibt im ehemaligen Pfarrhaus von Reußdörfchen bereits seit 1990 einen Kinderbauernhof. Im Laufe der vergangenen 20 Jahre wuchsen die sozialen Probleme im Dorf und damit die Aufgaben, derer sich die Stiftung annimmt.
Seit der Jahrtausendwende betreibt die Stiftung ein Tageszentrum für Kinder. Ein großes Schild am Tor kündet von den EU-Geldern, die für das Projekt eingeworben werden konnten. Treibende Kraft hinter der Stiftung ist Hermine Jinga-Roth. Die pensionierte Lehrerin engagiert sich seit Jahren für soziale Belange im Dorf. Gleich nach der Wende gründete sie 1990 einen Kinderbauernhof, der in den Ferien für bis zu 500 Kinder ein kurzweiliges Programm bietet. In der Schulzeit ist jedoch das Tageszentrum für die Dorfkinder der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. Nach der Schule werden die Kinder hier weiter betreut, machen Hausaufgaben, lernen und spielen. „Unser Ziel ist es, dass jedes Kind einen Schulabschluss bekommt“, unterstreicht Roth.
Fremdsprachen-Unterricht im Garten. Volontärin ...
Fremdsprachen-Unterricht im Garten. Volontärin Marie Preis bringt den Kindern spielerisch Englisch bei. Foto: Holger Wermke
Ein Großteil der betreuten Kinder kommt aus sozial schwachen Familien. Es handelt sich überwiegend um Kinder aus Roma-Familien, die am Ende des Dorfes in kleinen Hütten leben. Im Laufe der 90er Jahre sei die Situation der Roma im Dorf zunehmend problematischer geworden, erinnert sich Frau Jinga-Roth. „Sie (die Kinder; der Verfasser) sollen nicht in diesen Teufelskreis kommen, in dem ihre Eltern stecken.“ Was sie damit meint, steht auf der Internetseite des Projektes (www.kinderbauernhof.org). Am Anfang des Kreises stehe der Analphabetismus, es folgt der Schulabbruch, verbunden mit einem Mangel an Wissen und einem niedrigem kulturellen Niveau. Die Folgen sind in vielen Fällen lebenslange Arbeitslosigkeit, ökonomische Schwäche und soziale Ausgrenzung vieler Familien im Dorf.

Drei feste Mitarbeiter kümmern sich um die Kleinen. Neben dem Direktor des Zentrums, Dorin Popa, noch seine Frau Daniela und die Soziologin Ioana Chirca. Hinzu kommen mehrere Aushilfskräfte und immer wieder Volontäre. Die Freiwillige Marie Preis schildert ihre Eindrücke von der Arbeit im Tageszentrum. „Viele Eltern begrüßen das Angebot, andererseits machen viele von ihnen nicht genügend Druck, dass die Kinder auch zur Schule gehen“, so Marie Preis. Die 20-Jährige arbeitet seit einigen Monaten im Rahmen ihres sozialen Jahres im Tageszentrum. Marie meint, es sei wichtig, dass man einen engen Kontakt zu den Familien halte. Die junge Deutsche und ihre zwei Volontärskolleginnen kümmern sich jeden Tag nach Schulschluss um die 47 Kinder, die derzeit das Zentrum besuchen. Gemeinsam mit der Köchin und einigen Helfern wird das Mittagessen für die Sechs- bis Zehnjährigen organisiert. Hier kann man sehen, was die Kinder bereits gelernt haben. Diszpliniert und eifrig servieren sie ihren Freunden die einzelnen Gänge und räumen nach dem Essen das schmutzige Geschirr ab. Danach geht es zurück in die Schule, wo die Kinder unterteilt nach Klassen ihr freiwilliges Nachmittagsprogramm absolvieren. Sozialarbeiterin Ioana gibt der vierten Klasse Nachhilfe in Rumänisch, Praktikantin Teresa übt mit der ersten Klasse die Wochentage auf Rumänisch. Geschätzt ist der Sprachunterricht im Zentrum. Die Kinder lernen hier auch Englisch und Deutsch.

Die Arbeit mit den Romakindern ist nicht leicht, wie ein Besuch vor Ort beweist. Die Mitarbeiter und Volontäre arbeiten mit viel Engagement, um die Kinder voranzubringen. „Sie lassen sich sehr schwer erziehen“, meint Doamna Hermine, wie die Projektleiterin von ihren Mitarbeitern liebevoll genannt wird. Dennoch machen die in der Vergangenheit erzielten Erfolge Mut. „Seit 2004 ist es uns gelungen, dass alle Kinder, die die vierte Klasse geschafft haben, in die Schule nach Kleinscheuern wechseln“, berichtet Frau Roth zufrieden. Sogar neue Klassenräume habe man in der dortigen Schule errichten müssen, um die neuen Schüler aus Reußdörfchen aufzunehmen.

Vom Bürgermeister unterstützt

Wie bei Projekten dieser Art üblich, ist die Finanzierung schwierig. Bisher finanziert sich das Projekt zum Teil selbst über die Einnahmen des Kinderbauernhofes. Hinzu kommt die staatliche Unterstützung pro betreutem Kind. „Daneben erhalten wir eine Unterstützung von etwa 50 000 Lei vom Bürgermeisteramt in Kleinscheuern“, so Jinga-Roth. Über die Unterstützung des Bürgermeister Mircea Dorel Marcu freue sie sich besonders. Problematisch sei jedoch die Gewinnung von Mitarbeitern. Nur wenige Menschen ließen sich für die Arbeit in dem abseits der Hauptstraße nach Salzburg gelegenen Dörfchen gewinnen. Dennoch blickt sie mit Optimismus in die Zukunft. Auch wenn es sich bei ihren Bemühungen um einen sehr langsamen Prozess handelt, ist sie überzeugt, dass ihre Mitarbeiter und sie in den zurückliegenden Jahren das Bild des Dorfes ein wenig zum Positiven verändert haben. Nun arbeitet man sogar schon an einem neuen Projekt, das die ganz Kleinen und die Erwachsenen mit in das Bildungsprogramm integrieren soll. Soziologin Ioana hat eigens dafür eine Befragung im Dorf durchgeführt. Dabei habe man festgestellt, dass viele Dorfbewohner Arbeit haben möchten, allerdings nicht über die nötigen Kenntnisse verfügen. Künftig solle daher die Bildung der bis 30-jährigen in das Programm aufgenommen werden. Außerdem wünscht sich Frau Jinga-Roth eine Kinderkrippe sowie Angebote für Jugendliche. Aktuell wird der Antrag für Gelder aus dem EU-Strukturfonds ausgearbeitet. Nur damit können die geplanten Projekte realisiert und gleichzeitig Schule und Pfarrhaus saniert werden.

Holger Wermke

Schlagwörter: Soziales

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