8. Februar 2008

Ein Schöpfer volkstümlicher Mundartlieder: Hans Mild

Am 14. Februar 2008 jährt sich zum 125. Mal der Geburtstag von Hans Mild, einem Schöpfer volkstümlicher Mundartlieder. Er ist in Magarei geboren und wirkte in mehreren siebenbürgischen Gemeinden als Lehrer, Rektor und Pfarrer. Bis zu seinem Tode am 10. Oktober 1958 war er über 29 Jahre lang Pfarrer in Meschendorf. Aus Anlass seines zehnten Todestages hat der siebenbürgische Volkskundler und Kunsthistoriker, Erhard Antoni (1898-1985), im Jahre 1968 einen Nachruf geschrieben, der hier ebenso wiedergegeben wird wie die Betrachtungen seines Enkelsohnes Hermann Mild, der im kommenden Herbst ein Liederbuch mit etwa 50 seiner schönsten Lieder herausgeben wird.
Erhard Antoni schreibt in der „Hermannstädter Zeitung“:

Wie oft bin ich an milden Sommerabenden am geöffneten Fenster meiner Schreibstube gestanden und habe dem Gesang im kleinen Dörfchen mit Bewegung, ja andächtiger Ergriffenheit zugehört. Vor allem am Sonntag. Da gingen die Mädchen in ihrer Sonntagsausgehtracht in langen Reihen ineinandergehakt durch die abendstillen Gassen, in einem kleinen Abstand dahinter die Burschen. Ihr Schritt war wiegend und leicht, die jungen Stimmen klangen zusammen, dass es weithin tönte. Ein Lied hörte ich oft „Hirt des Stromes Sälwerwellen“. Ich fragte nach dem Verfasser und erfuhr, dass Hans Mild der Autor sei.

Hans Mild, die Aufnahme entstand Anfang der ...
Hans Mild, die Aufnahme entstand Anfang der vierziger Jahre in Schäßburg.
Richtig, eines der vielen sächsischen volkstümlichen Lieder, die dieser Mann in stillen Stunden geschaffen hat. Er besaß bloß eine Mandoline, auf der er seine Lieder zurechtformte, und oft hat er nachts die Kerze angezündet, um eine der ihn bedrängenden Weisen aufzuschreiben.

Als ich von den Bauernmädchen den Namen Hans Mild hörte, schaltete sich bald auch persönliche Erinnerung ein. In den zwanziger Jahren hatte ich ihn kennengelernt und mehrmals zufällig getroffen und gesprochen.

Ich habe ihn als einen freundlich-liebeswürdigen Mann in Erinnerung, der ohne viel Aufhebens von sich zu machen seinen Weg ging, mit dem sinnenden, nach innen gerichteten Blick des Musikers. Ein Mensch, dessen Musikalität man aus Physiognomie und Haltung lesen konnte.

Im Folgenden seien seine wichtigsten Lebensdaten vermerkt:

Er wurde am 14. Februar 1883 in Magarei (Kreis Hermannstadt) als Bauernsohn und jüngstes von vier Kindern geboren. Von 1894 bis 1898 besuchte er das Untergymnasium in Mediasch und von 1898 bis 1902 das Seminar in Hermannstadt. Dort sagte einmal sein Musikprofessor Bella vor der Klasse „Mild hat die hübscheste Stimme“. Von 1903 bis 1909 war Mild Rektor in Hundertbücheln. Dort schuf er sein erstes Lied. 1909 wurde er zum Rektor in Schönberg gewählt, wo er 1913 die in dieser Gemeinde beheimatete Katharina Kessler heiratete. Hier wurden ihnen drei Kinder, zwei Töchter und ein Sohn, geboren. Von 1921 bis 1929 war er Pfarrer in Braller und von 1929 bis 1958, also bis zu seinem Tode, Pfarrer in Meschendorf. Er starb am 10. Oktober 1958 und ist in Schäßburg auf dem Bergfriedhof begraben.

Überblickt man sein musikalisches Erbe, fällt eines besonders auf: Von seinen 115 Liedern sind 78 Texte in siebenbürgisch-sächsischer Mundart. Da er zu Hause immer diese Sprache gebrauchte, konnte er auch nur in der Mundart so richtig singen. Die Texte fand er bei V. Kästner, E. Thullner, O. Piringer, J. Lehrer, A. Lang, F. Binder-Radler, G. Lienert-Zultner, M. Wonner, H. Wellmann, D. Kasemirisch, L. Kraus, Ch. Maly-Theil und F. Schuller.

Das oben erwähnte vierstimmige Lied „Hirt des Stromes Sälwerwellen“ wurde vom Siebenbürgisch-Deutschen Sängerbund 1936, auf dem großen Sängerfest in Breslau gesungen. Herauszuheben wären noch „Ta häst net selle wuerden“ oder „Hirt ir de Sensen schlon“. Fast alle seine Lieder hat Mild drei- oder vierstimmig gesetzt.

Vielleicht ließe sich eine kleine Sammlung von Mild-Liedern herausbringen. Im Druck ist nämlich wenig von ihm erschienen, bloß „Liederfrohe Stunden“, fünf Lieder in zwei verschiedenen Ausgaben, mit und ohne Klavierbegleitung, Agnetheln 1913, und in der Zeitschrift „Volk und Kultur“ Nr. 9/1957 und Nr. 7/1958 je ein Lied. In den letzten Jahren seines Lebens erhielt Mild bei einem Wettbewerb einen Preis. Der Musikpädagoge, Organist und Chordirigent Victor Bickerich hat Mild sehr geschätzt. Er war es, der ihm riet, seine Lieder nicht von anderen durchsehen oder gar verbessern zu lassen, denn dann seien es keine Mild-Lieder mehr.

Heute werden die Lieder Milds immer noch gerne gesungen. In ihnen leben die Menschen unserer Heimat.

Soweit der Nachruf von Erhard Antoni. In den Gemeinden, in denen unser Großvater als Rektor oder Pfarrer diente, war das Singen und Musizieren ein ganz wesentlicher Bestandteil des Kulturlebens. Der Schönberger Gesangverein erreichte unter seiner Leitung einen unbestrittenen Höhenpunkt. Neben dem Chorgesang wurden auch Singspiele einstudiert und mit Erfolg aufgeführt. In der Räuberkomödie „Renaldo Renaldini“ z. B. sang er selbst eine der Hauptrollen. In Meschendorf leitete er, mit kriegsbedingten Unterbrechungen, den Gemeindechor.

Neben dem Komponieren widmete sich unser Großvater mit großem Eifer und Erfolg auch der Imkerei und dem Obstbau. Seine Erzeugnisse waren weit über die Grenzen des Dorfes gefragt. Eine seiner schwersten Amtshandlungen als Pfarrer in Meschendorf war sicher der Abschiedsgottesdienst Mitte Januar 1945 für die zur Deportation nach Russland versammelten arbeitsfähigen jungen Frauen und Männer der Gemeinde. Auch deshalb schon, weil zu den 84 Ausgehobenen seine Schwiegertochter, Elisabeth Mild, meine Mutter, und sein Schwiegersohn, der Rektor Michael Brenner, gehörten.

Die Rolle als Vater für seine Enkelkinder musste er übernehmen, weil unsere Väter aus dem Krieg nicht mehr nach Hause kamen bzw. nach Russland verschleppt wurden. Uns Enkeln, im Sommer waren wir alle zehn auf dem Pfarrhof, hat er jedoch, in den schwierigen Nachkriegsjahren eine wunderbare, sorgenfreie Kindheit ermöglicht. Für mich kann ich sagen, dass es die schönsten Jahre meiner Jugend waren.

Da bis heute kaum Lieder von unserem Großvater im Druck erschienen sind, wollen wir Enkel dieses nachholen. Zu seinem 50. Todestag, dem 10. Oktober 2008, werden wir ein Liederbuch mit etwa 50 seiner schönsten Lieder drucken lassen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Es soll den zahlreichen siebenbürgischen Chorgemeinschaften in der Bundesrepublik, in Übersee und nicht zuletzt in unserer alten Heimat Siebenbürgen die Gelegenheit geben, dieses Liedgut zu verbreiten, um es für die Nachwelt zu erhalten.

Hermann Mild

Schlagwörter: Mundart, Lieder, Gedenken

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