11. Juni 2022

Heiko Hendriks: "Friedenspolitik im Kleinen mit großer Wirkung"

Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland leiste mit seinen Verbindungen und Möglichkeiten „europäische Verständigungspolitik und Friedenspolitik im Kleinen mit großer Wirkung“, betonte Heiko Hendriks, Beauftragter des Landes Nordrhein-Westfalen für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern, bei der Eröffnung des Heimattages am 4. Juni in Dinkelsbühl. Nordrhein-Westfalen bekenne sich mit Stolz zur Patenschaft, die das Land 1957 für den Verband der Siebenbürger Sachsen übernommen habe. Hendriks berichtete in seiner Festansprache mit viel Empathie über das erfolgreiche Wirken der Siebenbürger Sachsen. Auch politisch macht er sich stark für sie und forderte eine Korrektur des Fremdrentengesetzes, um die Rentenungerechtigkeit bei Aussiedlern und Spätaussiedlern zu beseitigen. Heiko Hendriks Rede wird im Folgenden ungekürzt wiedergegeben.
Heiko Hendriks, Beauftragter des Landes Nordrhein ...
Heiko Hendriks, Beauftragter des Landes Nordrhein-Westfalen für die Belange von deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern, sprach bei der Eröffnung des Heimattages am 4. Juni in Dinkelsbühl. Foto: Christian Schoger
Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Vorsitzender, lieber Rainer Lehni,
sehr geehrte Frau Bundesbeauftragte Pawlik,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin,
liebe Kollegin aus Bayern, liebe Sylvia Stierstorfer,
lieber Herr Bischof,
liebe Landsleute, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Jetzt folgt die dritte Rede. Ich beginne mal anders, als Sie vielleicht erwarten. Als ich reinkam, standen am Rand eine Dame und ein Herr, und der Herr sagte: „Da kommt der Pate.“ Ein irritierter Blick der Dame neben ihm, denn den Begriff „der Pate“ kann man verschieden interpretieren. Und da ich weiß, dass die Reden aufgezeichnet werden, versuche ich dies einmal politisch korrekt auf den Punkt zu bringen. Ich bin sehr froh, dass ich heute hier im schönen Bayern die Grüße aus dem wunderschönen Nordrhein-Westfalen seitens der nordrhein-westfälischen Landesregierung überbringen kann und Ihnen sagen darf, voller Überzeugung: Wir sind sehr stolz, dass der Verband der Siebenbürger Sachsen unsere Patenlandsmannschaft ist. Und ich sehe immer noch das Leuchten in den Augen unseres ehemaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet, der hier 2018 zu Gast war, und immer wenn er von diesen Begegnungen, von dieser Veranstaltung berichtet hat, wusste ich, meine Arbeit wird ein Stück leichter, weil Sie sozusagen den Boden bereitet haben wie viele andere auch, dass gesehen wird, dass eine Bundesregierung, eine Landesregierung eine wichtige Aufgabe haben: Landsmannschaften, Verbände der deutschen Heimatvertriebenen, der Aussiedlerinnen und Aussiedler, der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler zu unterstützen. Ideell, mit Besuchen, mit Begleitung, aber auch finanziell. Und deswegen unsere Patenschaft, die wir am 26. Mai 1957 beschlossen haben. Kurz bevor ich ins Amt kam, vor viereinhalb Jahren, durften wir 60 Jahre Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Verband der Siebenbürger Sachsen im Düsseldorfer Landtag feiern. Man muss immer deutlich machen, dass dies keine Aufgabe der Vergangenheit ist, darauf haben schon andere hingewiesen, sondern eine Zukunftsaufgabe für uns alle, insbesondere auch im europäischen Sinne.

Bekenntnis zur Patenschaft für den Verband der Siebenbürger Sachsen

Im Kabinettsbeschluss zu meiner Ernennung steht, dass der Beauftragte der nordrhein-westfälischen Landesregierung für die Belange der deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler sich bitte auch insbesondere um das Verhältnis zu den beiden Patenlandsmannschaften kümmert. Eine Patenlandsmannschaft ist die Landsmannschaft der Oberschlesier, die andere ist der Verband der Siebenbürger Sachsen. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich dazu gerne bereit bin, aber auch deutlich gemacht, in der beratenden Funktion für die Landesregierung, dass wer A sagt, auch B sagen muss und Mittel zur Verfügung stellen muss. Ehrenamtliche Arbeit wird immer gelobt, die ist auch ganz wichtig, unentbehrlich. Ich sehe gerade hier viele aus Nordrhein-Westfalen, die viel ehrenamtliche Arbeit leisten. Aber wir wissen auch: Ohne hauptamtliche Unterstützung kann eine solche Arbeit auch in einem Verband wie dem der Siebenbürger Sachsen in seiner ganzen Größe nicht existieren. Und deswegen ist wichtig, entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, um Verbandsarbeit insbesondere der Landsmannschaften der Aussiedlerinnen und Aussiedler auch möglich zu machen. Nach dem Kabinettsbeschluss damals in meiner Beauftragung wurde mir auch der Vorsitz des Landesbeirats für Vertriebenen-, Flüchtlings- und Spätaussiedlerfragen übertragen, und unsere erste auswärtige Sitzung war in Wiehl in Drabenderhöhe, einem Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen in Nordrhein-Westfalen. Dort an dieser Stelle, aber auch bei meinem Besuch auf Schloss Horneck und auch an anderer Stelle konnte ich genau diese Mischung finden zwischen Ehrenamt und Hauptamt und den Möglichkeiten, die daraus erwachsen.

"Die nachfolgenden Generationen für besondere Lebenswege sensibilisieren"

Dass das Land Nordrhein-Westfalen, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit fast 400.000 Euro die Digitalisierung der Heimatstuben, der Heimatsammlungen unterstützt – Hessen hat jetzt nachgezogen, ich hoffe, andere Bundesländer ziehen auch entsprechend nach –, davon partizipieren nicht nur die Siebenbürger Sachsen, deren Sammlungen digitalisiert und somit einem neuen Kreis in der digitalen Welt, die das andere nicht ersetzt, aber eine gute Ergänzung ist, entsprechend zugänglich macht. Und das ist ja mit unser Thema, nämlich die Frage: Wie gelingt es uns, die Siebenbürger Sachsen, die Banater Schwaben, die Oberschlesier, die Russlanddeutschen, deren Kultur, deren Geschichte, deren Schicksal in der Gesamtgesellschaft bekannter zu machen? Ich arbeite so wie Sie seit vielen Jahren daran. Ich habe zum Beispiel die Chance genutzt, als in Nordrhein-Westfalen wir wieder von G8, G9, also am Gymnasium von acht auf neun Jahre umgestellt haben, dafür Sorge zu tragen, dass im Curriculum des Geschichtsunterrichts der 10. Klasse festgeschrieben wird, dass der Geschichtsunterricht nicht mit der Kapitulation Deutschlands endet, sondern eben auch die Nachkriegsgeschichte, Flucht, Vertreibung, Mauerbau, Aussiedlung, Mauerfall entsprechend beschrieben werden. Ich glaube, darin besteht eine große Chance, die nachfolgenden Generationen zu sensibilisieren für besondere Lebenswege. Ich bin zum Beispiel in meiner Funktion als Beauftragter, das unterscheidet mich ein Stück weit von den Länderkolleginnen und Länderkollegen, auch zuständig für die ehemaligen Bürgerinnen und Bürger der sogenannten DDR, die vor dem Mauerfall nach Nordrhein-Westfalen gekommen sind, freigekaufte Häftlinge, Flüchtlinge, Übersiedlerinnen und Übersiedler. Und ich sage an dieser Stelle und auch an anderer Stelle: Wir können vieles beeinflussen, aber nicht, wo wir geboren werden. Übrigens auch nicht, von wem. Aber in erster Linie beziehe ich mich mal auf das Wo. Wir haben das gerade bei Frau Pawlik gehört und viele andere haben ähnliche Lebensgeschichten. Auf unser Leben nimmt es sehr wohl Einfluss, wo wir geboren werden, welche Rahmenbedingungen da sind. Mein Leben, ich bin ein Ruhrgebietskind, wäre vielleicht ganz anders verlaufen, wäre ich 1966 in Jena geboren oder in Kronstadt, in Breslau oder in St. Petersburg. Mein Leben wäre wahrscheinlich anders verlaufen. Sich deswegen auf diese Wurzeln zu besinnen, seinen Weg gehen, aber gleichzeitig seine Lebensgeschichte zu transportieren und damit auch um Verständnis zu werben bei anderen, warum vielleicht die ein oder andere Einstellung, die ein oder andere Meinung eine andere ist auch aufgrund des Lebenswegs, aufgrund der Erfahrung, ist, glaube ich, mit unsere gemeinsame Aufgabe.

Die Kirchenburgen haben als Kulturgut eine Bedeutung mindestens europäischer Dimension

Im Kabinettsbeschluss stand auch, dass wenn der Beauftragte in den Heimatregionen die Minderheiten besucht, er verpflichtend auch Vertreterinnen und Vertreter der jeweiligen Verbände mitnimmt. Ich weiß gar nicht, ob eine andere Landesregierung das so festgeschrieben hat, Sylvia, ob das bei euch auch der Fall ist in Bayern. Ich fand die Regelung gut, denn deswegen durfte ich mit Rainer Lehni, seiner Frau in ihrer Funktion als Kulturreferentin und Herrn Sander im Frühjahr 2019 Siebenbürgen besuchen. Ja, Herr Oberbürgermeister, das ist schwer beeindruckend. Das ist schwer beeindruckend, nicht nur weil ich mit Bischof Reinhart Guib und anderen Gespräche führen durfte, sondern weil ich gesehen und erkannt habe, dass die Kirchenburgen als Kulturgut eine Bedeutung haben mindestens europäischer Dimension, wenn nicht noch mehr. Und dass vor Ort Hand in Hand die Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Minderheit mit der Mehrheitsgesellschaft versuchen, genau diese Kulturgüter zu erhalten und somit in die Zukunft zu transportieren. Daran kann viel festgemacht werden. Mich hat auch sehr beeindruckt, dass uns die Bürgermeisterin von Hermannstadt begrüßt hat mit „Herzlich willkommen in Hermannstadt“. Mich hat dann übrigens weniger beeindruckt, weil zwei Tage später ein Gipfel stattfindet, dass in der Tagesschau dann stand: „Gipfel in Sibiu“. Wir waren in Hermannstadt, Kronstadt, Deutsch-Weißkirch, Schäßburg und, wie könnte es anders sein, Rainer Lehni war dabei, natürlich auch in Zeiden. Alles beeindruckend, sehr spannend und sehr interessant für mich, das habe ich entsprechend mitgenommen und berichtet, dass immer da, wo die Siebenbürger Sachsen, die Minderheit, mit der Mehrheitsgesellschaft zusammenarbeitet, die größten Erfolge erzielt werden. Das ist europäische Verständigungspolitik im Kleinen mit großer Wirkung. Und ich fand es übrigens auch sehr beeindruckend, dass Wege von Siebenbürger Sachsen, die lange Zeit in Nordrhein-Westfalen gelebt haben, wieder zurück gingen in die alte Heimat oder in die Heimat ihrer Vorfahren, zum Beispiel nach Kronstadt oder Hermannstadt. Win-win-Situation nennt man das im betriebswirtschaftlichen Sinne. Ich glaube, kulturell betrachtet ist das noch viel mehr, das ist das zusammenwachsende Europa, von dem wir immer geträumt haben, und wer sich so miteinander verbindet, der fängt auch keinen Krieg miteinander an. Deswegen ist das, was Ihr Verband macht mit seinen Verbindungen, mit seinen Möglichkeiten, meines Erachtens Friedenspolitik im Kleinen, wiederum mit großer Wirkung. Ich glaube, so kann man das ausdrücken, und das ist wichtiger denn je, wenn ich weiß, dass zur Zeit in vielen russlanddeutschen Familien – die Russlanddeutschen sind ja sehr heterogen – Risse zwischen den Familien, zwischen den Generationen gehen in der Bewertung verschiedener Fragen, wenngleich, ich kann das für Nordrhein-Westfalen sagen, ich auch hier ganz nüchtern feststelle, dass über 90 Prozent, wahrscheinlich 95 Prozent den Krieg, die Politik Putins genauso ablehnen wie die Mehrheitsbevölkerung. Aber aufgrund der eigenen Geschichte, damit sind wir wieder beim Thema, gibt es andere Verbindungen. Natürlich russlanddeutsche-ukrainische Verbindungen, deutsch-russische Verbindungen, anders als das vielleicht bei mir sozusagen von Grund auf der Fall ist. Und all das kann man übertragen, so unterschiedlich die Verbände, die Landsmannschaften sind, und das kann ich ja alltäglich im Geschäft erleben, so schließt sich der Kreis doch immer an der Frage: Es geht um ein Miteinander in diesem Jahrtausend. Man muss zurückblicken dürfen, aufklären dürfen, Fragen stellen dürfen, aber man muss gemeinsam nach vorne schauen, um Friedensordnungen, die geschlossen worden sind, so zu manifestieren, dass sie Bestand haben und nicht, wie beim Angriffskrieg gerade geschehen, einseitig gebrochen werden. Deswegen findet auch dieser Heimattag wieder unter schwierigen Bedingungen statt: Es gibt immer noch Corona. Ich wollte schon vor zwei Jahren bei Ihnen sein, es hat nicht geklappt, Videogrußworte, einmal habe ich mich an den Rhein gestellt, einmal ins Büro beim zweiten, um ein bisschen Abwechslung reinzubringen, man wird ja da kreativ, aber das ersetzt nicht die Begegnung, das Gespräch und die Möglichkeit, sich auszutauschen.

Rentengerechtigkeit für Aussiedler und Spätaussiedler

So bin ich sehr froh, heute hier zu sein, und gestatten Sie mir zum Abschluss noch einen Hinweis. Das Amt eines Beauftragten, einer Beauftragten ist natürlich auch ein politisches Amt. Und es ist ja die Frage: Darf man in einer Festansprache politisch werden? Ich glaube, an bestimmten Punkten muss man ein Stück politisch werden. Wir diskutieren zurzeit auf Länderebene, auf Bundesebene, die Bundesbeauftragte ist auch involviert und da müssen wir an einem Strang ziehen, den sogenannten Härtefallfonds. Der ist gut für bestimmte Menschen, bestimmte Gruppen, zweifelsohne, aber er löst nicht die Rentenungerechtigkeit bei Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern. Meine Landesregierung hat sich da sehr stark und klar positioniert, ich auch persönlich. Der Härtefallfonds ist das eine, das sollten wir machen, wichtig, aber wir müssen auf der anderen Seite eine Änderung des Fremdrentengesetzes erwirken. Nur dann können Sie, und hier sind viele im Raum, die davon persönlich betroffen sind, ein Mehr an Rente generieren, das, was Ihnen zusteht. Diese Rentenungerechtigkeit muss beseitigt werden, auch das muss eine Botschaft eines Heimattages sein im Jahr 2022!

Deswegen: Es gibt viel zu tun an verschiedenen Stellen. Ich möchte organisieren, dass unser amtierender Ministerpräsident und ich denke auch zukünftiger Ministerpräsident Hendrik Wüst, und dazu möchte ich meinen Beitrag leisten, auch hier als Vertreter des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, als Vertreter des Patenlandes auch einmal hier zum Heimattag kommt, denn dieser Heimattag, und das wissen Sie auch, ist auch ein Stück der Demonstration der Stärke Ihres Verbandes, Ihrer Vielschichtigkeit, Ihrer Arbeit, und die Demonstration der Stärke leibhaftig zu erfahren ist immer besser als das nur auf einem Papier zu lesen, das der Beauftragte als Bericht seines Besuches hier beim Heimattag schreibt, und deswegen glaube ich, das sollte unser gemeinsames Ziel sein. Ich freue mich auf jeden Fall sehr, in diesem Jahr hier zu sein, und bin ganz gespannt, ob ich auch ein Glänzen in den Augen habe so wie Armin Laschet, wenn er immer berichtet von dem großen Heimattag der Siebenbürger Sachsen hier im beeindruckend schönen Dinkelsbühl, was auch viele wunderschöne Ecken hat und somit wir gemeinsam sehr ertragreiche schöne Tage haben werden. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Gottes Segen, vielen Dank für Ihr Zuhören.

Schlagwörter: Heimattag 2022, Hendriks, Aussiedlerbeauftragter, Nordrhein-Westfalen

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