8. April 2012

Ostern ist das Fest zum Leben

Wie schön! Das Osterfest fällt ja auch, zumindest in unseren Breitengraden, in die schönste Jahreszeit. Die Tage sind heller und länger geworden. Der Frühling ist im Begriff einzuziehen. In den Gärten blüht und sprießt es in bunten Farben. Die Vögel jubeln in den Bäumen ihre vielstimmigen Lieder. Alles motiviert zum Leben.
Wir sind aber in der Passionszeit und gedenken des Leidensweges unseres Herrn Jesus Christus. Karfreitag ist vor Ostern. Das Kreuz Christi, einst auf Golgatha einzigartig errichtet, steht auf dem Weg, mit unendlich vielen anderen Kreuzen, die an Verbrechen gegen die Menschlichkeit erinnern, wenn wir Ostern erreichen wollen. Ein Ärgernis, eine Torheit? (1. Kor. 1, 18) Auslöser für die schon innerhalb der ersten christlichen Gemeinde in Korinth gestellte Warum-Frage: Musste das sein? Nicht nur im Zusammenhang mit dem Kreuz Christi, sondern unter der Last des eigenen Kreuzes, das Menschen zu tragen auferlegt bekommen haben, ergeben sich diese Fragen. Warum lässt Gott, den wir als den allmächtigen Schöpfer des Himmels und der Erde bekennen, so viel Leid zu? Muss der Schrei vom Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ auch heute noch Mütter und Väter, Junge und Alte erschüttern und zum eigenen, quälenden Aufschrei werden? – Solche Gedanken stehen in diesen Tagen besonders im Raum. Die schreckliche Nachricht von dem tragischen Verkehrsunfall in der Schweiz mit 28 Toten, darunter 22 belgische Schulkinder, erschüttert die ganze europäische Welt. Über das Fernsehen nehmen Millionen Menschen daran Anteil. Trauergottesdienste, Staatstrauer, Beileidsbekundungen, Kerzen, ein Blumenmeer wollen, so ein Nachrichtensprecher, „der Katastrophe ein Gesicht geben“. Ob das alles den betroffenen Familien in ihrem unermesslichen Leid helfen kann? Auf jeden Fall ist erfahrene Anteilnahme – und nicht allein gelassen sein – tröstend und aufrichtend, auch wenn uns im Angesicht von Leid und Tod eine große Sprachlosigkeit erfasst. Den tiefen seelischen Schmerz, den Mütter und Väter über den Verlust eines Kindes empfinden, kann ihnen niemand abnehmen. Aber sie können sich vielleicht hinein nehmen lassen in das unbegreifliche und dennoch wirkliche, über den Tod hinausreichende Ostergeschehen. Es bleibt durch die Zeiten hindurch dennoch das Fest zum Leben!
Beweinung und Grablegung Christi. ...
Beweinung und Grablegung Christi. Vorreformatorische Tafelmalerei von der Predella des alten Altars in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt (um 1530). Foto: Konrad Klein
Ein Blick auf das Titelbild, die Predella aus dem Altar der Hermannstädter Stadtpfarrkirche, lädt zum Nachdenken über das Verständnis von Karfreitag und Ostern ein. Das Bild ist, wie es mir mein Schulfreund, Architekt Dr. Hermann Fabini aus Hermannstadt auf Grund neuerer Forschungsergebnisse mitteilte, im Jahre 1512 angefertigt worden. Bei der Restaurierung durch Ursula Brandsch im Jahre 1988 kam nicht nur die Jahreszahl der Erstellung, sondern auch das Wappen des Stadtpfarrers Johannes von Alzen und das des Königsrichters Johann Lulay zum Vorschein. Ein Hinweis auf die Zusammengehörigkeit von Kirche und weltlicher Obrigkeit.

Dabei ergibt sich die Frage, ob ein vorreformatorisches Gemälde noch eine Aussage für unseren Glauben und das Leben im 21. Jahrhundert hat? Bei der Beantwortung dieser berechtigten Frage ist hilfreich und weiterführend, wenn es uns gelingt, Fragen des Glaubens, auch wenn sie sich aus Darstellungen alter Meister ergeben, mit anderen Christen zu besprechen.

Zusammen mit dem Religionslehrer Konrad Klein haben wir das Bild zu deuten versucht. Überschrieben wird es ja mit „Beweinung und Grablegung Christi“. Die Darstellung strahlt um den halbaufgerichteten Oberkörper des Leichnams Jesu eine bemerkenswerte Vielfarbigkeit aus, als handele es sich um ein feierliches gesellschaftliches Ereignis. Maria, die Mutter Jesu, mit weißem Kopftuch strahlt Helligkeit aus. Ihre rechte Hand zeigt segnend zum Kopf des Gekreuzigten. Leicht zurückversetzt an ihrer Seite ist Maria Magdalena, ebenfalls mit weißem Kopftuch, an dem Geschehen beteiligt. Im Hintergrund dürfte es Johannes, der Lieblingsjünger, sein, der mit der linken Hand zu Joseph von Arimathia weist, der im Begriff ist, den letzten Dienst am Leichnam Jesu zu verrichten. Das Gemälde zeichnet ein Geschehen von großer Ernsthaftigkeit, ohne dass es eine betonte Traurigkeit vermittelt. Es drückt in lebendigen Farben eher eine Übergangssituation aus, erfüllt von dem Glauben und der Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort haben wird, sondern die Auferstehung und das Leben, das der Welt am Ostermorgen verkündet wird.

Während ich diese Zeilen geschrieben habe, hat die Bundesversammlung einen neuen Bundespräsidenten, Pfarrer Joachim Gauck, gewählt. In mehreren Meinungsäußerungen wurde hoffnungsvoll auf seine christliche Werteorientierung hingewiesen. Er wird nicht ein politischer Moses sein, sondern einer, der aus der erfahrenen Freiheit lebt, „dem der Glaube am Herzen liegt“, dessen eingedenk, dass daraus die Verantwortlichkeit und der Dienst an den Menschen hervorgehen. Dies geschah am Sonntag Laetare, und das heißt mitten in der Passionszeit: „Freuet euch“! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes und gesegnetes Osterfest!

Dekan i.R. Hermann Schuller, Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD (Hilfskomitee)

Schlagwörter: Ostern, Predigt

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