2. Februar 2013

Rentenkonten prüfen

Anfragen vieler Landsleute bezüglich der Verfahren bei Rentengewährung aus Rumänien haben Defizite in der Anerkennung rumänischer Zeiten in der deutschen Rentenversicherung aufgezeigt. Dabei sind auch nach dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union die nach dem Fremdrentengesetz in der deutschen Rente anerkannten Zeiten die wesentliche Grundlage der Alterssicherung. Die nachfolgenden Ausführungen sollen eine Anleitung sein, wie eine zu niedrige Bewertung der Zeiten aus Rumänien erkannt und höhere Rentenwerte durchgesetzt werden können. Gleichgültigkeit kann im Alter teuer werden.
Die Höhe der Rente hängt entscheidend von der Bewertung der Zeiten im Herkunftsgebiet ab. Diese kann sich, wegen des Einflusses auf den rentenrechtlichen Gesamtleistungswert, sogar auf die Bewertung einzelner späterer Zeiten in Deutschland auswirken. Da die angemessene Anerkennung der Zeiten im Herkunftsgebiet oft von der Beibringung noch erforderlicher Unterlagen von ehemaligen Arbeitgebern oder zu Ausbildungszeiten abhängt, sollte eine Schlüssigkeitsprüfung der Bewertung eigener Zeiten in den Bescheiden zur Kontenklärung oder in den Rentenbescheiden vorgenommen werden, so lange diese Unterlagen noch erreichbar sind.

Bei der Prüfung der anerkannten Zeiten ist auf folgende Fragen zu achten:
1) Sind im Bescheid der Behörde alle Aspekte meines Lebenslaufes (Ausbildungszeiten und erworbene Abschlüsse, Arbeitszeiten, sonstige Zeiten wie Krankheit, Arbeitslosigkeit etc.) enthalten? Dabei kommt es auf Zeiten eines echten Lohnbezuges bereits ab dem 14. Lebensjahr an. Ausbildungszeiten werden ab dem 17. Lebensjahr anerkannt. Um dieses zu prüfen, ist ein genauer Vergleich zwischen dem eigenen Lebenslauf und den Eintragungen im Bescheid der Behörde vorzunehmen.

2) Wurden angemessene Qualifikationsgruppen für meine Tätigkeit in Rumänien anerkannt? Das ist in der Anlage des Bescheides zu erkennen, in welcher die Anerkennung und Bewertung der Zeiten nach dem Fremdrentengesetz offengelegt werden (meist Anlage Nr. 10). Es gilt ein 5-Stufen-System, wobei für Tätigkeiten eines Hochschulabsolventen die Gruppe 1, eines Technikers oder Fachschulabsolventen die Gruppe 2, eines Meisters die Gruppe 3, eines gelernten Arbeiters oder Angestellten die Gruppe 4 und nur für diejenigen in Tätigkeiten unterhalb eines Lehrberufes die Auffanggruppe 5 anzuerkennen sind. Zu einer entsprechenden Bewertung führt die Glaubhaftmachung des entsprechenden Berufsabschlusses oder der Berufserfahrung sowie der entsprechenden Tätigkeitsmerkmale. Die zutreffende Einstufung ist bares Geld wert und der Schlüssel zur richtigen Rentenhöhe! Unterschiede können erheblich sein. Fehler können sich ergeben, wenn die Behörde auf Grund unzureichender Angaben zu beruflicher Tätigkeit oder durch Prüfungen oder Berufserfahrung erworbener Qualifikation eine zu geringe Qualifikationsgruppe anerkannt hat.

Beispiele: Für die Tätigkeit einer Absolventin des „Liceu Sanitar“, die für ihre Tätigkeit als „asistenta medicala“ als Beruf „Krankenschwester“ angegeben hat, wurde die Qualifikationsgruppe 4 anerkannt. Das ist falsch und führt zu einer erheblichen Rentenminderung. Zutreffend wäre gewesen, auf den Fachschulabschluss und die Tätigkeit einer „Medizinalassistentin“ hinzuweisen, die zu der wesentlich besseren Gruppe 2 berechtigt. Für die Tätigkeit einer Lehrerin mit „Studiu Pedagogic de 3 ani“ wurde die Gruppe 2 anerkannt. Das ist falsch. Zutreffend wäre die Gruppe 1, da dieses Studium einem Hochschulstudium gleich steht, was ebenfalls eine erhebliche Rentenerhöhung mit sich bringt.

3) Wurden richtige Wirtschaftsbereiche anerkannt? Alle Arbeitgeber werden – unabhängig von der eigenen Tätigkeit – in sogenannte „Wirtschaftsbereiche“ eingeordnet. Diese Zuordnung erfolgt nach dem Haupterwerbszweck des Betriebes und wirkt sich ebenfalls wesentlich auf die Rentenhöhe aus. Eine Auflistung der Bereiche bekommt jeder Antragsteller mit dem Antragsformular zur Anerkennung der Jahre aus Rumänien zugestellt. In diesem Formular kann er eine eigene Einschätzung abgeben, die aber nicht verbindlich ist. In Zweifelsfällen lohnt aber eine Prüfung. Die Höhe der Werte entspricht weder der Nummerierung der Bereiche noch ist diese einheitlich (in einigen Jahren ist der eine Bereich günstiger, in anderen ein anderer). Diese wurde vom Gesetzgeber nach rein statistischen Daten vorgenommen und sollte konkret geprüft werden. Eine falsche Einstufung kann schnell 30 bis 40 Prozent der eigenen Rentenhöhe kosten und sich bis an das Lebensende und danach auch noch in den Hinterbliebenenrenten auswirken.

Beispiel: Die Tätigkeit in einem Fuhrpark für Land- und Straßenbaumaschinen (IMAIA, SMT etc.) wurde in den Bereich Landwirtschaft (14) eingestuft. Dies ist falsch, wenn das Unternehmen nicht eigene Flächen (wie eine LPG) bearbeitet, sondern die Geräte an andere Unternehmen vergeben hat, weil der Haupterwerbszweck des Unternehmens dann der Betrieb eines Fuhrparks und nicht Landwirtschaft gewesen ist. Hier würde der Bereich 15 (Transport/Verkehr/Fuhrparks/Reparaturbetriebe für Fahrzeuge) zustehen, der zu weit höheren Rentenwerten führt.

4) Wurden unzulässige Kürzungsfaktoren angesetzt? Am häufigsten wendet die Rentenbehörde die Reduzierung auf 5/6 an und missachtet die Nachweiseigenschaft vorgelegter Unterlagen. Hier kann durch Vorlage entsprechender Unterlagen oder durch Argumente bei Ablehnung durch die Rentenbehörde spätestens in Rechtsmittelverfahren eine Anwendung dieser Kürzungsvorschrift vermieden werden. Insbesondere die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Nordbayern erweckt in ihren Schreiben oft den Eindruck, eine volle Anrechnung von Zeiten in Rumänien sei grundsätzlich nicht möglich. Das ist falsch! Gerade in letzter Zeit haben Landessozialgerichte zu Gunsten der Betroffenen entschieden und eine Verpflichtung der Rentenbehörde zur vollen 6/6-Bewertung festgestellt (z. B. Landessozialgericht Baden-Württemberg im Urteil vom 30. August 2011, AZ. L 9 R 4758/09, Bayerisches Landessozialgericht im Urteil vom 20. September 2012, AZ. L 14 R 217/10).

Wichtig: Keinen Einfluss haben diese Urteile auf die Anwendung der 40-Prozent-Kürzung. Diese wurde bereits vom Bundesverfassungsgericht abschließend geklärt und erschöpft sich leider in den vom Bundestag beschlossenen Ausgleichszahlungen für Zeiten des Rentenbezuges bis 30. Juni 2000, wenn der Antrag bis 2004 gestellt wurde.

5) Wurde der richtige Rentenzugangsfaktor berücksichtigt? Durch den Rentenzugangsfaktor wird die Rentenhöhe in Abhängigkeit davon gesteuert, wie viele Monate die Rente vor dem Regelalter in Anspruch genommen wird. Dieses hängt allerdings von der Rentenart und weiteren Faktoren (z. B. Schwerbehinderung) ab. Die Behörde ist verpflichtet, den für den Betroffenen „günstigsten“ Zugangsfaktor (also die geringsten Abschläge) anzuwenden und gegebenenfalls eine entsprechende Antragstellung durch Beratung anzuregen.

6) Bei Rentenablehnung: Sind die Gründe für die ausgesprochene Ablehnung berechtigt oder kann die Rente doch noch durchgesetzt werden? Am häufigsten stellt sich diese Frage bei Rentenbegehren wegen Krankheit (Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit). Hier ist die Behörde verpflichtet, anhand der ärztlich festgestellten Leiden und der sich daraus langfristig ergebenden Einschränkungen für die Leistungsfähigkeit einen Rentenanspruch zu prüfen. Wenn jemand hiernach nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten kann, steht eine Rente dem Grunde nach zu, bei einer Leistungsfähigkeit von drei bis sechs Stunden kann in Abhängigkeit weiterer Faktoren eine Vollrente oder eine Teilrente gezahlt werden. Eine detailliertere Darstellung der Möglichkeiten eines Renteneintritts aus medizinischen Gründen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen und erfolgt daher in einer der folgenden Ausgaben.

Wenn sich nach einer solchen Grobprüfung zu den einzelnen Fragen Zweifelsmomente ergeben, sollte jeder Betroffene überlegen, mögliche Fehler beheben zu lassen.

Vor Einlegen eines Widerspruches oder der Stellen eines Korrekturantrages ist jedoch ein weiterer Prüfungsschritt zu empfehlen: Zuerst ist zu prüfen, ob bei der Rentenberechnung zusätzliche „Mindestentgeltpunkte“ anerkannt worden sind. Nach der dafür geltenden Vorschrift (§262 SGB VI) werden unter bestimmten Voraussetzungen alle vollwertigen Pflichtbeiträge vor dem 1. Januar 1992 zusätzlich um 50 % angehoben. Ob dies im eigenen Rentenkonto der Fall ist, kann der im Bescheid dargelegten Berechnung der Rente entnommen oder nachgerechnet werden. Ist dies der Fall, müsste vor einem weiteren Vorgehen geprüft werden, wie sich der gefundene Fehler in dieser Berechnung auswirkt. Er kann zu einer noch höheren Rente führen (wenn auch die Erhöhung wegen des Fehlers unter die Erhöhung gem. § 262 SGB VI fällt), so dass sich die Fehlerkorrektur mehrfach lohnt. Es kann aber auch zu einer Rentenminderung führen, nämlich dann, wenn durch den gefundenen Fehler die Werte so verändert werden, dass die Berücksichtigung von Mindestentgeltpunkten wegfällt und dann zwar der Fehler berichtigt wird, die Rente sich aber mindert. Hier sollte fachkundiger Rat eingeholt werden. Vorenthaltene Rentenbeträge werden ab dem Korrekturantrag vier ganze Kalenderjahre rückwirkend nachgezahlt (§44 SGB X).

Dr. Bernd Fabritius, Rechtsanwalt, München

Schlagwörter: Rechtsfragen, Rente

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