3. Mai 2007

Leserecho: Kaum Deutsche bei Aufstand in Temeswar 1956

Leserbrief zu den Artikeln Opfer für Demokratie und Freiheit und Zeitgeschichtlicher Schwerpunkt: "Ungarn 1956" in der Siebenbürgischen Zeitung Online.
Dass des studentischen Aufstandes von Temeswar im Jahre 1956 (unter dem Einfluss der Revolution in Ungarn) heute nicht genügend gedacht wird, wird auch durch die Tatsache relativiert, dass - laut rumänischer Zeitung „Ziua de Vest“ (27. Oktober 2006) - Ende Oktober 2006 in Temeswar anlässlich der 50-jährigen Wiederkehr eine Gedenkveranstaltung in der Universität West und ein wissenschaftliches Symposium in der Fakultät für Maschinenbau mit dem Thema „Antikommunistischer Widerstand in Rumänien in der Periode 1945 – 1989“ stattfanden.

Als damaliger Student der Technischen Hochschule (TH) Temeswar nahm ich an sämtlichen antikommunistischen Protestaktionen jener Tage aktiv teil. Diese setzten sich hauptsächlich aus drei Ereignissen zusammen:

1.) Sitzung der aufständischen Studenten in der Aula der Fakultät für Maschinenbau am Abend des 30. Oktober 1956: Während der Sitzung wurde der Campus von Soldaten umstellt. Hier wurden insbesondere politische und administrative Forderungen an die Machthaber formuliert und für den nächsten Tag eine Straßendemonstration in Temeswar beschlossen. Als Treffpunkt für den Umzug wurde die Fakultät für Agronomie (Landwirtschaft) vereinbart. Uhrzeit: 10 Uhr. Die Sitzung am 30. Oktober 1956 wurde (vor vollem Saal) von Studenten der Fakultät für Maschinenbau geleitet. Diese waren es dann auch, die später als „Rädelsführer“ zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.

2.) Antikommunistische Straßendemonstration durch Temeswar am 31. Oktober 1956: Nachdem wir uns (etwa 500 Studenten) am nächsten Tag um 10 Uhr vor der „Agronomie“ versammelt hatten, setzte sich der Demozug, politische Losungen mit antikommunistischem Inhalt skandierend, in Bewegung. Es ging über die Begabrücke Richtung Zentrum. Als wir bei der rumänischen Kathedrale angekommen waren, wurden wir von Securisten in Zivil mit Pistolenschüssen in die Luft gestoppt. Danach kamen Soldaten im Laufschritt mit Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten und trieben uns auf offene Armeelaster. Danach ging es in eine Kaserne außerhalb von Temeswar, wo wir drei Tage inhaftiert wurden.

3.) Kasernenhaft (31. Oktober – 3. November 1956): In der Kaserne (Schlafraum der Soldaten) wurden wir drei Tage festgehalten und am 3. November freigelassen. Vor der Freilassung hielt der Marxismus-Professor jedem Einzelnen eine „Moralpredigt“ (die Rede war von Undankbarkeit der Partei und dem Staat gegenüber etc.) Nach der „Moralpredigt“ musste jeder eine Art Erklärung unterschreiben, in der er sich verpflichtete, in Zukunft Aktionen dieser Art zu unterlassen. Danach brachte man uns zurück nach Temeswar und ließ uns frei.

Obwohl ich bei allen Aktionen (Sitzung, Straßendemo, Kasernenhaft) dabei war, habe ich unter den aufständischen Studenten leider keinen Siebenbürger Sachsen gesehen. Weder von der TH noch von der Medizin. So gesehen muss auch die Aussage, es hätten an dem Aufstand in Temeswar 1956 auch Deutsche teilgenommen, relativiert werden. Übrigens: Die studentisch-revolutionären Bewegungen von Temeswar im Herbst 1956 waren eine reine Männerveranstaltung. Studentinnen haben daran nicht teilgenommen. Die Frauen waren damals eben noch nicht so emanzipiert wie heute. Dass die Ereignisse vom Herbst 1956 (allen voran die Revolution in Ungarn) der Anfang vom Ende des Kommunismus bedeuteten, wie manche heute meinen, halte ich für unzutreffend. Der Anfang vom Ende des Kommunismus ist meiner Meinung nach in erster Linie auf die westliche Ostpolitik der 70er Jahre zurückzuführen.

Dipl.-Ing. Dieter Wiume, Stuttgart

Schlagwörter: Leserecho, Zeitzeugenberichte, Kommunismus

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