28. Februar 2008

Dieter Schlesak: "Als Roman, nicht als Geschichtstraktat zu lesen"

Der Historiker Michael Kroner hat den Roman „Vlad. Die Dracula-Korrektur“ von Dieter Schlesak in der Siebenbürgischen Zeitung Online sehr kritisch besprochen. Dazu veröffentlichen wir folgende Erwiderung des Autors, der empfiehlt, sein Buch "als Roman und nicht als Geschichtstraktat zu lesen".
Liebe Leserinnen und Leser, die Bespre­chungen meiner Bücher, auch die des „Vlad“-Romanes, sind bisher seriös und sehr gut gewesen, die Siebenbürgische Zeitung machte keine Ausnahme; ich erinnere nur an die „Capesius“-Rezension. Verfasser aber waren immer Li­te­raturexperten.

Nun hat Dr. Michael Kroner, ein Historiker, den ROMAN „Vlad. Die Dracula-Kor­rektur“ und seine fiktiven Literaturelemente gründlich missverstanden, sie mit einem Geschichtstraktat über Vlad Țepeș verwechselt und anstatt einer Rezension eine Roman-Misshandlung abgeliefert samt vielen Fehlin­formationen. Freunde, auch Kritiker, ich selbst, waren geschockt, da wir Kroner für einen seriösen Sachsenhistoriker gehalten hatten! Ich schlug im ersten Entwurf einen scharfen Ton an. Dann musste ich lachen. Da streiten sich zwei Kenner, zwei freilich ganz verschieden denkende Sachsen, um Probleme aus dem 15. Jahrhundert! Einige Freunde rieten mir, das „Pamphlet“ „mit Nichtachtung zu strafen“. Doch viele erwarten nun eine Erwi­derung. Nun gut. Kroner und allen Lesern empfehle ich als Erstes: „Vlad“ als ROMAN, nicht als Geschichts­traktat zu lesen! Und lege Wider­spruch gegen die vielen Falschinformationen des Kroner-Textes und gegen die Deutung der Vlad-Sachsen-Beziehung ein. Oder gar: Die Fehl­deu­tung als Sachsen-Abneigung bei mir, der ich belegbar Negatives der Sachsenge­schichte nicht, wie üblich, verschweige. Ich, selbst ein Sachse, tue nur meine Autorenpflicht, die Wahrheit aufzudecken. Was eigene Leute tun, berührt freilich schmerzlicher, geht tiefer als bei Untaten von Fremden. Man hätte es ja selbst sein können! Über all dies gibt es unter www.dieterschlesak.de ausführlichere Kommentare!

Der erste Zorn weicht dem Lachen. Doch Freunde fragten mich, „weshalb hat Kroner nicht zuerst mit dir gesprochen! Es war unfair!“ Ein Vorschlag zur Güte fällt schwer. Das verletzte Gerechtigkeitsgefühl muss erst befriedigt werden. Also zur Sache: Der Roman ist „historische Korrektur“, Vlad wird als Romanfigur, als grausame, aber komplexe Persönlichkeit dargestellt, korrigiert jenes Monster-Bild der Anti-Vlad-Pamphlete, zu denen Sachsen beigetragen haben. Bram Stokers „Dracula“-Roman und vielen Filmen diente es mit als Quelle. Kor­rekturen an Bram Stoker und den Filmen sind vor allem in meinem Roman-Nachwort nachzulesen.

Weitere Korrekturen nun an Kroners Vlad-Bild (Auswahl! Eine vollständige Liste können Sie im Internet unter www.dieterschlesak.de finden.)

1. Kroner propagiert jenes falsche Vlad-Bild und verschließt vor den Gräueln der Geschichte die Augen. Er kritisiert deshalb „Vlad. Die Dracula-Korrektur“, wo schreckliche (aber be­legte!) Gräuel vorkommen, kehrt Quellen unter den Tisch oder kennt entscheidende nicht! Un­sere Vorfahren waren Opfer solcher Gräuel, doch auch starke wehrhafte Naturen, und nicht nur Opfer, wie Kroner es wünscht, sondern auch Täter.

2. Kroner leugnet aus Unkenntnis der Quel­len, dass unsere Vorfahren auf Vlad-Pamphlete eingewirkt, möglicherweise Vlad-Pamphlete geschrieben, vielleicht sogar das Ur-Pamphlet („Die histori …“) verfasst haben, das (durch 14 Varianten) mit zu Stokers Dracula-Roman ge­führt hat. Nachzulesen in: Șerban Papacosteas Untersuchungen, in Ion Stăvăruș’ Buch über „Vlad Țepeș-Draculea“, bei Dieter Harmening, der auf das klar umrissene sächsische Milieu in den Pamphleten verweist, das nur ein Sachse so kennen konnte! Usw., usf.

3. Historie besteht aus: Schlachten, Intrigen, Foltern, Leiden!! Die „unappetitlichen“ Tatsa­chen, etwa Pfählungs-Schilderungen oder das blutige Gastmahl von 1459 sind belegt (vgl. Martin Beheim), zitiert und kommentiert, etwa in Ioana Constantinescu „O lume într-o carte de bucate“, 1997, und vielen anderen Quellen (vgl. Punkt 2).

6. Die diskriminierende Pamphlet-Darstel­lung (Sachsen und ungarischer Hof) sind nach Harmening „politische Zweckschriften“ über einen „maßlos grausamen Menschenschläch­ter“. Vlads Taten aber waren damals üblich und „normal“! Harmening: „Kämpfe um die Siche­rung staatlicher Zentralgewalt“. Russische Dar­stellungen, etwa Efrosin (1490) dazu: „Grau­samkeit als Recht und Pflicht des gerechten Selbstherrschers“. Kennt Kroner diese Quellen nicht? So Antonio Bonfinis „Rerum Hungari­carum“ (1487): Vlads „unerhörte Gerechtig­keit“, ebenso Sebastian Münster sowie türkische, griechische, byzantinische, rumänische Quellen.

7. Kroner übernimmt das „Wütterich“-Vlad-Bild der Vlad-geschädigten Kronstädter aus dem 15. Jahrhundert, spricht Vlad sogar die Siege gegen Mehmed ab. Warum wollte dann Pius II. Vlad zum Oberbefehlshaber im Antitür­kenfeldzug einsetzen? Corvin sperrte Vlad deshalb aus Eifersucht ein!

10. Zu Schäßburg. Ob Vlad dort geboren ist oder nicht, ob er mit sechs Jahren schon fort musste, was die Schäßburger damals dachten, flüsterten, auch über Vlad, wer kann das wissen? Doch genau diese Freiräume machen ja einen Roman möglich. Und man schüttelt den Kopf: Gespenster, Untote im Roman, gehören für Kroner nicht zum damaligen Zeitgeist und Thema. In meinem bald erscheinenden Ma­terialienband („Tod und Teufel“) zu Vlad werden dichterische Lizenzen kommentiert. Etwa das Problem „Urmanuskript“ (Brukenthal). Weil, wie Kroner es auch tut, der Roman als historischer Traktat missverstanden wird, fiktionale Momente in Vlad-Bibliographien auftauchen.

12. Die „Chorographia Transylvaniae Sybem­burgen“ von Honterus wurde (vgl. Wikipedia und „Lexikon der Siebenbürger Sachsen“, 1993, G. Nussbächer: 1532! nicht 1530, wie Kroner angibt) in Basel gedruckt.

13. Kroners Angabe: die Schäßburger Turm­uhr mit ihrem Figurenwerk, „die 1648 bzw. 1677 angebracht wurden“, ist nicht richtig! Da hat Meister J. Kirschel nur das Ziffernblatt erneuert, den Stundenschlag modernisiert. Es gab die Uhr also lange vorher! 14. Kroner behauptet gar, es habe im 15. Jahrhundert unseren Dialekt noch nicht gegeben. „Et sass e klin wald Vijelchen“, ein Lied aus dem 12. Jahrhundert, wird auch heute noch von Sachsen im aus der Urheimat mitgebrachten Dialekt gesungen. Dazu Balladen, Waisenlieder im Dialekt, vgl. dazu Hans Bergels „Literatur­geschichte“ (1988).

15. Kroner: Den Namen „Istambul“ gab es zu Vlads Zeit nicht! Richtig ist: Die Namensform Istanbul (استنبول, auch Istambul, Stambul) ist belegt seit 1203.

16. Kroner: „Murfatalar“ habe es zur Vlad-Zeit nicht gegeben! Weinlexikon (Wikipedia): „Die Weinkeller von Murfatlar wurden bereits vom römischen Dichter Ovid (43 v. Chr. bis 8 n. Chr.) erwähnt.“ (…). Weinbau-Geräte aus der Antike, auch Murfatlar, im Museum Constanța. Kroner: Kaffee gab’s damals nicht! Richtig ist: In der Region Kaffa/Äthiopien gab es ihn seit dem 9. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert kam er durch Sklavenhändler in die Türkei und in deren Einflussbereich.

18. Die Dracula-Korrekturen in meinem Nachwort gehören zur Standard-Bibliographie „Dracula“, nachlesbar als „Dracula-Legende“ bei www.sibiweb.de, sie wird von Kroner verschwiegen; ebenso, dass ich für „Vlad“ einen renommierten Preis im Stuttgarter Literatur­haus erhalten habe!

Kroner: Schlesaks „Abneigung gegen die Sachsen“. Richtig ist: es gibt sie nicht! Ich bin doch selber Sachse. Lebenslange Beschäftigung mit sächsischer Literatur (erste Michael-Albert-Herausgabe nach 44: 1966, Literaturgeschichte Schäßburgs etc., „Eine Transsylvanische Reise“, 1994). Mein ganzes Werk behandelt unser wahrscheinliches Geschichtsende und seine Ursachen! Sächsisches, das mir sehr nahe geht! Doch die unwissend-naive Selbstbeweihräu­che­rung, nur andere zu beschuldigen, ist mir zuwider! Sachsen waren vor allem Opfer, aber AUCH Täter! Verdrängte historische Wahrhei­ten müssen in Literatur und Geschichte aufgearbeitet werden.

Dr. h.c. Dieter Schlesak, Stuttgart/Camaiore

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Schlagwörter: Dracula, Leserecho

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  • 29.02.2008, 04:26 Uhr von der Ijel: Corvin sperrte Vlad deshalb aus Eifersucht ein! --aus Eifersucht oder weil er zu dem Zeitpunkt ... [weiter]

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