23. Januar 2009
Leserecho: Schmutziger Kampf der Securitate
Ergänzung zum Bericht über die Tagung zum Schwarze-Kirche-Prozess, erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 13. Dezember 2008.
Das Symposion in Bad Kissingen zum Schwarze-Kirche-Prozess und der Bericht darüber waren verdienstvoll, aber einseitig. Die Version der Securitate erhielt – unbeabsichtigt – zu viel Gewicht. Deswegen bitte ich, diese Zuschrift als Ergänzung anzusehen.
Konrad Möckel bestritt im Februar 1959 in einem Gesuch um Wiederaufnahme des Prozesses rundheraus, dass er sich gegen „Mischehen“ ausgesprochen und die Sachsen als einen „Außenposten des Westens“ angesehen habe, was die Securitate ihm unterstellte. Die Anklage verquickte Vorwürfe gegen ihn mit einer angeblichen Verschwörung der Jugendlichen. Das war perfide. Das Gericht verurteilte ihn nicht, weil er illoyal gewesen wäre, sondern obgleich er dem Staat gegenüber loyal war. Zum Beweis dafür gibt es genügend Äußerungen, auch in Predigten, die nicht auf politischer Ebene liegen. Konrad Möckel predigte beispielsweise vom „Siegeswillen“ in der Nachfolge Christi, der Securist dachte an Siegeswillen im West-Ost-Konflikt. In ihrer Sprache konnte die Securitate den Stadtpfarrer gar nicht verstehen. Sie nahm ihn, den „Mann des Wortes“, als Gefahr wahr und schaltete ihn aus.
Man darf sich auch nicht vorstellen, dass Konrad Möckel einfach naiv war. Eine solche Behauptung, besonders wenn Nachgeborene sie aussprechen, die Konrad Möckel nicht kannten, ist – gelinde gesagt – dreist. Er wusste, dass man ihn bespitzelte. Er machte Fehler, sowohl in seiner Arbeit in der Zeit vor der Verhaftung als auch nach der Verhaftung im Verhör. Das bestritt er nie. Hätte er sich nach 1945 aus Ängstlichkeit das Leben verbieten sollen, auch wenn er nichts Verbotenes tat? Es war erlaubt, in den Räumen der Kirche freiwillige Stunden anzubieten. Er wurde auch nicht deswegen verhaftet, sondern weil man ihm unterschob, er habe die Jugendlichen aufgewiegelt. Er machte auch Fehler im Verhör, aber er unterschrieb nicht gutgläubig, sondern weil man ihn dazu nötigte. Wie das geschah, geht aus den Protokollen natürlich nicht hervor; doch lassen sie einen schmutzigen, hinterhältigen Kampf erkennen. Mein Vater sagte nach seiner Begnadigung, dass er nach den Verhören in der Einzelhaft um eine Zeit einfach nicht mehr weiter konnte. Das ist schlimm, aber etwas ganz anderes als Naivität. Die Preisgabe des Verstecks seiner geologischen Karten war auch in seinen Augen ein Fehler. Aber auch das geschah unter Druck und nicht leichthin. Ich vermute, es war die bohrende und ihm in stundenlangen Verhören bis zur Erschöpfung gestellte Frage: „Was haben Sie noch versteckt?“ Ob er dem Druck länger hätte widerstehen können und müssen, kann ich nicht beurteilen. Die Wendung „verblüffend unvorsichtig“ im Bericht der Siebenbürgischen Zeitung ist jedoch unangemessen. Seine Unterschriften sagen mehr über das Gift der Fälscherwerkstatt Securitate aus als über ihn.
Die Kommunistische Partei vernichtete, wen sie wollte. Die Securitate arbeitete sich in den Verhören an die Kirchenleitung in Hermannstadt heran. Sie machte die bloße Absicht einer Neubelebung der Bruder- und Schwesterschaften und der Nachbarschaften zu einem zusätzlichen Anklagepunkt, wie die Gerichtsverhandlung zeigt. Damit hätten alle Pfarrer des Burzenlandes, aber auch das Landeskonsistorium und der Bischof vor Gericht gestellt werden können. Vermutlich entschied ein hohes Parteigremium, den Bischof in Hermannstadt nicht hochgehen zu lassen. Der Vorwurf der Naivität gegenüber Konrad Möckel und den Angeklagten ist selbstgerecht und schäbig.
Ich habe die Zusammenkünfte der Kronstädter Jugendlichen als einen zertretenen Keim bezeichnet (Andreas Möckel: Der „Schwarze-Kirche-Prozess“ und Konrad Möckel. In: Zugänge, Heft 36/2008, S. 45-66). Sie mögen diskutiert haben, wie Jugendliche diskutieren, offen und unbekümmert. Zweierlei spricht für sie. Sie diskutierten kontrovers, bildeten sich also erst ihre Meinungen. Dass die Securitate Aussagen Einzelner als Gruppenmeinung wertete, war hinterhältig. Und sie waren realistisch und hörten im Februar 1957 mit den Treffen auf. Als die Securitate sie zehn Monate später verhaftete, waren sie innerlich längst andere. Man sollte an den Arbeitskreis für siebenbürgische Landeskunde in Heidelberg denken, dessen Anfänge genau so unbekümmert waren; dann weiß man, was die Kommunistische Partei damals in Kronstadt böswillig zerstörte. Der Vorwurf der Naivität verharmlost den Zynismus der Prozesse. Es ging schon im Schwarze-Kirche-Prozess um „Worte als Gefahr und Gefährdung“ und dazu um „das Wort“ der christlichen Verkündigung. Die Securitate trug nicht erst wegen der Jugendstunden belastendes Material zusammen, um Konrad Möckel zum Schweigen zu bringen. Sie plante im Dezember 1957 einen Depner-Volkmer-Prozess, und erkannte Anfang 1958 die Chance, Konrad Möckel als Hauptschuldigen zu präsentieren. Er kam in Haft, und seine Akte rückte in der Nummerierung vor die Akten der Jugendlichen, die schon angelegt waren.
Hans Fink weist in seinem Bericht zu Recht auf die Unhaltbarkeit der Vorwürfe hin, die Emil Krafft-Popescu und andere sich nach der Entlassung anhören mussten. Die damals Verurteilten müssen endlich aus dem Schwefellicht der Verleumdungen herausgeholt werden. Ihrem aufrechten Gang ist mehr zu trauen als den Betrügereien der Securitate. Sie waren im Recht, nicht das Militärgericht.
In den 1950er Jahren regte sich der Lebenswille der Kronstädter Honterusgemeinde. Ihr reiches, gottesdienstliches Leben ist gut bezeugt. Die Honterusgemeinde besteht heute noch. Sie ließ sich auch in schweren Zeiten nicht unterkriegen. Wenn die angeklagten Gemeindeglieder nach dem ungerechten Urteil fast nur Häme, allenfalls Mitleid fanden, so verdient ihr Glaube an eine lebenswerte Zukunft jenseits des Kommunismus heute, nach 50 Jahren, dankbare Anerkennung und eine faire Würdigung.
Konrad Möckel bestritt im Februar 1959 in einem Gesuch um Wiederaufnahme des Prozesses rundheraus, dass er sich gegen „Mischehen“ ausgesprochen und die Sachsen als einen „Außenposten des Westens“ angesehen habe, was die Securitate ihm unterstellte. Die Anklage verquickte Vorwürfe gegen ihn mit einer angeblichen Verschwörung der Jugendlichen. Das war perfide. Das Gericht verurteilte ihn nicht, weil er illoyal gewesen wäre, sondern obgleich er dem Staat gegenüber loyal war. Zum Beweis dafür gibt es genügend Äußerungen, auch in Predigten, die nicht auf politischer Ebene liegen. Konrad Möckel predigte beispielsweise vom „Siegeswillen“ in der Nachfolge Christi, der Securist dachte an Siegeswillen im West-Ost-Konflikt. In ihrer Sprache konnte die Securitate den Stadtpfarrer gar nicht verstehen. Sie nahm ihn, den „Mann des Wortes“, als Gefahr wahr und schaltete ihn aus.
Man darf sich auch nicht vorstellen, dass Konrad Möckel einfach naiv war. Eine solche Behauptung, besonders wenn Nachgeborene sie aussprechen, die Konrad Möckel nicht kannten, ist – gelinde gesagt – dreist. Er wusste, dass man ihn bespitzelte. Er machte Fehler, sowohl in seiner Arbeit in der Zeit vor der Verhaftung als auch nach der Verhaftung im Verhör. Das bestritt er nie. Hätte er sich nach 1945 aus Ängstlichkeit das Leben verbieten sollen, auch wenn er nichts Verbotenes tat? Es war erlaubt, in den Räumen der Kirche freiwillige Stunden anzubieten. Er wurde auch nicht deswegen verhaftet, sondern weil man ihm unterschob, er habe die Jugendlichen aufgewiegelt. Er machte auch Fehler im Verhör, aber er unterschrieb nicht gutgläubig, sondern weil man ihn dazu nötigte. Wie das geschah, geht aus den Protokollen natürlich nicht hervor; doch lassen sie einen schmutzigen, hinterhältigen Kampf erkennen. Mein Vater sagte nach seiner Begnadigung, dass er nach den Verhören in der Einzelhaft um eine Zeit einfach nicht mehr weiter konnte. Das ist schlimm, aber etwas ganz anderes als Naivität. Die Preisgabe des Verstecks seiner geologischen Karten war auch in seinen Augen ein Fehler. Aber auch das geschah unter Druck und nicht leichthin. Ich vermute, es war die bohrende und ihm in stundenlangen Verhören bis zur Erschöpfung gestellte Frage: „Was haben Sie noch versteckt?“ Ob er dem Druck länger hätte widerstehen können und müssen, kann ich nicht beurteilen. Die Wendung „verblüffend unvorsichtig“ im Bericht der Siebenbürgischen Zeitung ist jedoch unangemessen. Seine Unterschriften sagen mehr über das Gift der Fälscherwerkstatt Securitate aus als über ihn.
Die Kommunistische Partei vernichtete, wen sie wollte. Die Securitate arbeitete sich in den Verhören an die Kirchenleitung in Hermannstadt heran. Sie machte die bloße Absicht einer Neubelebung der Bruder- und Schwesterschaften und der Nachbarschaften zu einem zusätzlichen Anklagepunkt, wie die Gerichtsverhandlung zeigt. Damit hätten alle Pfarrer des Burzenlandes, aber auch das Landeskonsistorium und der Bischof vor Gericht gestellt werden können. Vermutlich entschied ein hohes Parteigremium, den Bischof in Hermannstadt nicht hochgehen zu lassen. Der Vorwurf der Naivität gegenüber Konrad Möckel und den Angeklagten ist selbstgerecht und schäbig.
Ich habe die Zusammenkünfte der Kronstädter Jugendlichen als einen zertretenen Keim bezeichnet (Andreas Möckel: Der „Schwarze-Kirche-Prozess“ und Konrad Möckel. In: Zugänge, Heft 36/2008, S. 45-66). Sie mögen diskutiert haben, wie Jugendliche diskutieren, offen und unbekümmert. Zweierlei spricht für sie. Sie diskutierten kontrovers, bildeten sich also erst ihre Meinungen. Dass die Securitate Aussagen Einzelner als Gruppenmeinung wertete, war hinterhältig. Und sie waren realistisch und hörten im Februar 1957 mit den Treffen auf. Als die Securitate sie zehn Monate später verhaftete, waren sie innerlich längst andere. Man sollte an den Arbeitskreis für siebenbürgische Landeskunde in Heidelberg denken, dessen Anfänge genau so unbekümmert waren; dann weiß man, was die Kommunistische Partei damals in Kronstadt böswillig zerstörte. Der Vorwurf der Naivität verharmlost den Zynismus der Prozesse. Es ging schon im Schwarze-Kirche-Prozess um „Worte als Gefahr und Gefährdung“ und dazu um „das Wort“ der christlichen Verkündigung. Die Securitate trug nicht erst wegen der Jugendstunden belastendes Material zusammen, um Konrad Möckel zum Schweigen zu bringen. Sie plante im Dezember 1957 einen Depner-Volkmer-Prozess, und erkannte Anfang 1958 die Chance, Konrad Möckel als Hauptschuldigen zu präsentieren. Er kam in Haft, und seine Akte rückte in der Nummerierung vor die Akten der Jugendlichen, die schon angelegt waren.
Hans Fink weist in seinem Bericht zu Recht auf die Unhaltbarkeit der Vorwürfe hin, die Emil Krafft-Popescu und andere sich nach der Entlassung anhören mussten. Die damals Verurteilten müssen endlich aus dem Schwefellicht der Verleumdungen herausgeholt werden. Ihrem aufrechten Gang ist mehr zu trauen als den Betrügereien der Securitate. Sie waren im Recht, nicht das Militärgericht.
In den 1950er Jahren regte sich der Lebenswille der Kronstädter Honterusgemeinde. Ihr reiches, gottesdienstliches Leben ist gut bezeugt. Die Honterusgemeinde besteht heute noch. Sie ließ sich auch in schweren Zeiten nicht unterkriegen. Wenn die angeklagten Gemeindeglieder nach dem ungerechten Urteil fast nur Häme, allenfalls Mitleid fanden, so verdient ihr Glaube an eine lebenswerte Zukunft jenseits des Kommunismus heute, nach 50 Jahren, dankbare Anerkennung und eine faire Würdigung.
Prof. Dr. Andreas Möckel, Würzburg
Schlagwörter: Leserecho, Kommunismus, Securitate
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- 03.02.2009, 07:22 Uhr von guni: Es ist für uns Nachgeborene nicht erfassbar, wie schwer und unsicher diese "Übergangszeit", die ... [weiter]
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