15. Juli 2002

Leserecho: Das dreifache Geschäft

Zu den Beiträgen Begegnung in einem eindrucksvollen Land und Häuserrückgabe mit Hindernissen stellt Leser Christof Hannak fest:
Bei einer Studienreise durch Rumänien Ende Mai/Anfang Juni 2002 kam ich auch in meinen Geburtsort Kronstadt und betrat nach mehr als fünfzig Jahren wieder mein Elternhaus, um es meiner Tochter und meinem Schwiegersohn zu zeigen. Eine Hausbewohnerin berichtete, dass in unserer Wohnung ein Geheimpolizist wohne, mit dem sich keiner im Haus verträgt, weil er seine Macht mit der Axt unterstreicht und niemanden in den Garten gehen lässt. Und dann erzählte sie, dass die Hausbewohner kürzlich alle vier Wohnungen dem Staat abgekauft hätten. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf stieg. Der rumänische Staat hat also ein dreifaches Geschäft gemacht: Zuerst hat er unser Haus 1950 "verstaatlicht", ohne einen Leu dafür zu bezahlen. Zum Zweiten kassierte er über 50 Jahre lang die Miete vom Haus, ohne auch nur eine einzige Reparatur daran durchzuführen. Und zum Dritten hat er nun die Wohnungen, die ihm de facto gar nicht gehören, an die ehemaligen Mieter verkauft und ein weiteres, fettes Geschäft gemacht.

Wir haben uns aus mehreren Gründen nicht darum bemüht, das Haus zurückzuverlangen, auch weil ich von jemandem erfahren habe, dass allein der Rechtsanwalt, der den Vorgang der Hausrückgabe beim Gericht in die Wege leiten sollte, 4 000 Dollar dafür verlangt hat!

Warum überhaupt so umständlich über Gericht und Rechtsanwalt? Bei der Verstaatlichung ging doch alles blitzschnell und unbürokratisch an einem einzigen Tag über die Bühne und die ehemaligen Hauseigentümer haben nicht einmal eine Quittung für das Verlorene erhalten. Na, bei der Deportation ging es ja auch ohne Ausreiseantrag, ohne Reisepass und ohne russische Sprachkenntnisse... Dass man uns in besagtem Haus zwei Jahre nach der Verstaatlichung auch noch in drei Tagen aus der Wohnung warf und uns Zwangsaufenthalt aufbrummte, weil wir (die wir doch das Haus gar nicht mehr besaßen) "Ausbeuter" und damit "Staatsfeinde" wären, sei nur am Rande erwähnt.

Wir besuchten dann das Haus, in dem wir nach der Zwangsevakuierung gewohnt hatten. Auch dort konnten die Mieter die Wohnungen kürzlich vom Staat kaufen. Sie prozessieren nun gegeneinander, weil der Garten wegen Unklarheiten im Grundbuch nicht paritätisch aufgeteilt werden kann. Von Wiedergutmachung seitens des rumänischen Staates gegenüber den ehemaligen Hauseigentümern kann also gar keine Rede sein. Die ehemaligen Hauseigentümer sollen den Prozess zur Hausrückgabe gefälligst gegen die neuen Wohnungseigentümer führen, was den Fall noch mehr kompliziert.

In diesem Punkt scheinen sich die Nachkriegsregierungen des Landes, egal welcher Couleur sie waren oder sind, einig zu sein. Es ist anzunehmen, dass das Wiedergutmachungsgesetz nur verabschiedet wurde, damit Rumänien formal die Bedingungen für den Eintritt in die EU erfüllt. Allerdings herrscht Gleichberechtigung zwischen den Bevölkerungsgruppen, denn auch noch im Lande lebende Rumänen haben Schwierigkeiten bei der Hausrückgabe, selbst wenn sie den Prozess beim Internationalen Gerichsthof in Den Haag gewonnen haben.

Christof Hannak, Freiburg


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2002, Seite 12)

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.