1. August 2002

Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen (XII)

In Garmisch-Partenkirchen und Berlin gestartet / Wilhelm Zacharias nimmt 1936 an den Olympischen Winter- und Sommerspielen in Deutschland teil / In der alpinen Kombination, als Staffelläufer und im Handballturnier dabei
Das wird ihm wohl keiner mehr nachmachen, nicht einmal ein Profi: Wilhelm Zacharias wird wohl der einzige Siebenbürger Sachse und Vertreter Rumäniens bleiben, der sowohl an Olympischen Winter- als auch an Sommerspielen teilgenommen hat, und das noch in einem Jahr. 1936 geht der am 7. März 1914 in Hermannstadt geborene Zacharias sowohl bei den Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen als auch bei den Sommerspielen in Berlin an den Start, in der alpinen Kombination aus Abfahrt und Slalom, als Startläufer in der Langlauf-Staffel über 4 mal 10 Kilometer und im Großfeldhandball-Turnier.
Nationalmannschaft vor dem Krieg, von links nach rechts: Willi Zacharias, Stefan Zoller, Wilhelm Heidel, Fritz Halmen, Wilhelm Kirschner, Günther Schorsten, Alfred Höchsmann, Karl Haffer, Hans Zikeli, Robert „Kiwolu“ Speck und Fritz Haffer, ferner ein Schiedsrichter.
Nationalmannschaft vor dem Krieg, von links nach rechts: Willi Zacharias, Stefan Zoller, Wilhelm Heidel, Fritz Halmen, Wilhelm Kirschner, Günther Schorsten, Alfred Höchsmann, Karl Haffer, Hans Zikeli, Robert „Kiwolu“ Speck und Fritz Haffer, ferner ein Schiedsrichter.

Zum Sport kommt Zacharias durch den Sportlehrer Wilhelm Binder, der Anfang der 20er Jahre den Handballsport von Berlin nach Siebenbürgen bringt. „Ohne die vorzüglichen, vielseitig gestalteten Turnstunden Binders hätten wir Burschen des Gymnasiums und des Seminars niemals die Grundbegriffe in fast allen Sportarten kennen gelernt. Die Mädchen am Gymnasium hatten das Glück, A. Fels zum Sportlehrer zu haben. Die jährlichen Schauturnveranstaltungen aller Klassen des Brukenthal-Gymnasiums, des Lehrerseminars und des Mädchen-Gymnasiums waren das Ergebnis systematischer Körperertüchtigung in den Turnstunden - und als Darbietung fernsehreif.

Zacharias beginnt seine sportliche Laufbahn 1924 mit Turnen, und zwar am Reck, am Barren und am Pferd. Seine guten Leistungen führen dazu, dass er bei zwei Schauturnveranstaltungen als Vorturner zusammen mit einem Partner den Hunderten von Gymnasiasten und Seminaristen die sogenannten Freiübungen vorführt.

Ballspiele gibt es in jener Zeit in den Turnstunden keine. Erst am Ende des Turnunterrichts wurde in der Halle auch Korbball gespielt, im Sommer aber Feldhandball, erinnert sich Zacharias. Doch von einem Feld sei wenig zu sehen gewesen, Asche und Sand hätten vorgeherrscht. Stürze seien durch blutende Hautabschürfungen bestraft worden.

Weil Zacharias als guter Spieler auffällt, kommt er schon als 14-Jähriger in die Coetus-Mannschaft der oberen Klassen dieser Gymnasiasten-Verbindung. Bei einer Schüler-Olympiade der deutschen Gymnasien in Bistritz belegt er als 16-Jähriger den zweiten Platz im Fünfkampf: Zu absolvieren waren die Disziplinen 100-Meter-Lauf, Hoch- und Weitsprung, Kugelstoßen und Diskuswerfen. Nach dem Abitur stößt Zacharias zum Hermannstädter Turnverein, wo er Leichtathletik und Handball treibt. Zwischendurch leistet er seinen Militärdienst bei den Gebirgsjägern in Kronstadt ab und studiert in Österreich und Deutschland von 1932 bis 1937.

Während des Studiums ist Zacharias Mitglied des Akademischen Turnvereins in Graz. Dort kann er in einer erfolgreicheren Handballmannschaft sein Spiel verbessern und vieles hinzulernen. Ein glücklicher Zufall bringt ihn mit dem ATV-Spitzenskifahrer Helmut Schmidt zusammen, der ebenfalls an den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen teilnimmt, und mit Heini Harrer, später akademischer Weltmeister im Abfahrtslauf, Miterstbezwinger der Eiger-Nordwand und Lehrer des Dalai Lama in Tibet. Mit diesen Ski-Assen trainiert Zacharias im Toten-Gebirge, wo der ATV eine Hütte besaß. Die von dort aus unternommenen Skitouren und kleinen Wettkämpfe tragen maßgeblich dazu bei, dass Zacharias, wieder daheim in Hermannstadt, den 18-Kilometer-Lauf gewinnt und mit Vorsprung Vereinsmeister wird. Außerdem hat er solch eine Kondition getankt, dass er bei den Landesmeisterschaften in den alpinen Kombinationen an die Spitze vorstoßen kann.

Doch noch vorher hatte sich Zacharias als Schüler zu bewähren. In den Schulferien wurden auf der Hohen Zinne die Grundkenntnisse für ein Weiterkommen im alpinen Skisport erlernt. Diese Kenntnisse vermittelt ihm und seinen Kameraden Turnlehrer und HSK-Vorstand A. Fels, der die guten Kronstädter Skifahrer Lexen und Bruno und Horst Scheser einlädt. Viel hilft ihm das monatelange Training bei den Gebirgsjägern in der Schulerau. Es sei eine hervorragende Gelegenheit gewesen, sich skifahrerisch zu vervollkommnen.

Horst Scheser gewinnt im Olympiajahr 1936 die rumänischen Landesmeisterschaften in der Abfahrt und im Slalom und damit den Wanderpokal des rumänischen Skiverbands. Im darauf folgenden Jahr wird Zacharias diese Titel gewinnen. Er verursacht bei den siegesgewohnten Kronstädtern einen Schock, denn er wird den Wanderpokal nach dreimaligen Gewinn endgültig in seinen Besitz bringen. Die alpinen Erfolge Zacharias’:1937 gewinnt er die alpine Kombination in Vatra Dornei, 1938 am Bulea und 1939 auf dem Vârful cu Dor. Doch am erfolgreichsten ist Zacharias 1938, dem Jahr, in dem er mit dem fast unglaublichen Vorsprung von mehr als einer halben Minute - heute geht es um Hundertstelsekunden - sowohl den Abfahrtslauf als auch den Slalom gewinnt. Dafür und für besonders gute Leistungen als Spieler und Torschütze bei den Ausscheidungsspielen zur Handball-Weltmeisterschaft 1938 erhält Zacharias als vielseitig erfolgreichster Sportler des Jahres den vom rumänischen König gestifteten Kulturorden zweiter Klasse. Es ist die höchste Sportauszeichnung Rumäniens.

Doch trotz aller Erfolge: „International waren wir reinen Amateure nicht konkurrenzfähig, weil wir in Rumänien noch keine Drahtseilbahnen oder Skilifte besaßen und deshalb die meiste Trainingszeit nicht mit Abfahren, sondern mit Hochsteigen verbrachten, was allerdings bergsteigerisch schöner war.“

Johann Steiner


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 7 vom 30. April 2002, Seite 15)

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