12. September 2002

Das Verbindende zwischen den Kulturen vertieft

Die Siebenbürger Sachsen treiben ihre Integration zielstrebig voran und profilieren sich zugleich als Brückenbauer zwischen West und Ost. Ein Bayern/Ungarn-Folklorefestival veranstaltete die Nachbarschaft Erding der Siebenbürger Sachsen in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchengemeinde Erding am 31. August in der Stadthalle Erding. Ungarn, Bayern und Siebenbürger boten dabei selbstbewusst volkstümliche Musik und Tänze dar, zeigten sich aber zugleich offen für die Kultur der jeweils anderen.
Das Fest stand unter der Schirmherrschaft des bayerischen Staatsministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Hans Zehetmair. Das Programm wurde von drei siebenbürgischen Kulturgruppen (Blaskapelle Garching, Volkstanzgruppe der Nachbarschaft Garching, Reußmarkter Chor), zwei bayerischen Vereinen (Bayerische Stub’n-Musi, Trachtenverein „Edelweiß-Stamm“ Erding) und der Volkstanzgruppe „Völgység“ Bonyhád aus Ungarn gestaltet. Anschließend spielte die Blaskapelle Garching zum Tanz auf.
Siebenbürger Sachsen gestalteten den Folkoreabend in Erding maßgeblich mit, vor der Bühne der Reußmarkter Chor unter der Leitung von Paul Staedel, hinten die Blaskapelle Garching. Foto: Friedrich Falkenstein
Siebenbürger Sachsen gestalteten den Folkoreabend in Erding maßgeblich mit, vor der Bühne der Reußmarkter Chor unter der Leitung von Paul Staedel, hinten die Blaskapelle Garching. Foto: Friedrich Falkenstein


Pfarrer Friedrich Falkenstein erinnerte an die tausendjährige Geschichte der bayerisch-ungarischen Beziehungen. Die bayerische Herzogstochter Gisela hatte 995/96 Stephan den Heiligen geheiratet, der den Anschluss Ungarns an die christlich-europäische Kultur vollzog. Ein Riesenverdienst des ungarischen Staates und Volkes sei es gewesen, den Eisernen Vorhang zum Einsturz gebracht zu haben. Die neu eröffneten Chancen hatte die Evangelische Kirche in Erding genutzt, 1994 eine Partnerschaft mit der evangelischen Kirchengemeinde Bonyhàd in Ungarn einzugehen. Der partnerschaftliche Gedanke wird intensiv gepflegt, auch viele Jugendliche bringen sich beherzt ein, freute sich der Pfarrer.

Das demonstrierte auch die ungarische Kindergruppe von der Musikschule in Bonyhad mit ihrem temperamentvollen Auftritt in der Stadthalle Erding. Für ihre geradezu professionelle Darbietung traditioneller ungarischer Tänze erntete die 40-köpfige Nachwuchsgruppe frenetischen Applaus. Ebenso schwungvoll präsentierte sich die Instrumentalgruppe der gleichen Musikschule. „Das ist Pfeffer und Paprika zugleich“, schwärmte Heinrich Melzer.

Der Konsul der Republik Ungarn in München, Vince Szalay-Bobrovniczky, freute sich, dass Erding auf Verwaltungs- und kirchlicher Ebene enge Kontakte zu Ungarn pflegt. Der Diplomat erinnerte an den Freiheitswillen der Ungarn, der zum Sturz des kommunistischen Systems geführt habe und eine „ungeheure Erfolgsgeschichte“ erleben durfte. Das Land stehe nun an den „Toren der EU“.

Lobende Worte fand Pfarrer Falkenstein, der das reichhaltige, fünfstündige Programm moderierte, auch für die Kultur und den nachbarschaftlichen Zusammenhalt der Siebenbürger Sachsen. Sie hätten eine der ältesten Demokratien der Welt begründet. Mit Blick auf die Zukunft forderte Falkenstein: „Wir wollen nicht die Asche der Vergangenheit pflegen, sondern die Glut entfachen und mit Blick auf Europa am Leben erhalten.“

Karl-Christian Schuller, stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Bayern der siebenbürgischen Landsmannschaft, äußerte die Hoffnung, dass immer mehr junge Politiker in Zukunft das Haus Europa festigen werden. Unsere Kultur- und Volksgruppen müssten das Fundament eines friedvollen Europa legen. Tracht und Brauchtum seien der Stolz eines jeden Volkes, betonte Schuller. Diesen Gedanken griff auch Heinrich Melzer, Vorsitzender der Nachbarschaft Erding der Siebenbürger Sachsen, auf. In einem von Pfarrer Falkenstein vorgelesenen Gedicht wies Melzer darauf hin, dass jedes Volk seine eigene „Heimattracht“ schätze und sich auf dieser gemeinsamen Grundlage vorzüglich mit anderen Völkern verständigen könne. „Die siebenbürgisch-sächsische Kultur wird in Zukunft nur dann Bestand haben, wenn es gelingen wird, sie in die bayerische Kultur zu integrieren“, erklärte Melzer gegenüber dieser Zeitung.

Erdings Bürgermeister Karl-Heinz Bauernfeind betonte: „Ungarn und Bayern sind sich schon immer ans Herz gewachsen. Sie essen, trinken und feiern beide gerne“. Der Bürgermeister hatte an diesem Abend auf das beliebte Herbstfest in Erding verzichtet, erlebte aber gleichwohl in der Stadthalle ein richtiges Volksfest: einen niveauvollen Folkloreabend. Er dankte Nachbarvater Heinrich Melzer, dass er den Abend gemeinsam mit Pfarrer Falkenstein veranstaltet habe. Zwischen der bayerischen und siebenbürgischen Kultur gebe es viele Gemeinsamkeiten, stellte Bauernfeind fest. Die bunten sächsischen Trachten, wie sie von den Mitgliedern des Reußmarkter Chores aus Waldkraiburg und München getragen werden, fand er faszinierend.

Auf diese Gemeinsamkeiten wies auch der Erdinger Anzeiger in einem ausführlichen Bericht in Wort und Bild hin. Schließlich seien im 12. Jahrhundert auch Bayern in dem großen Treck der Deutschen gewesen, die dem Ruf des ungarischen Königs Geisa II. nach Siebenbürgen gefolgt waren, hatte Schuller in seinem Grußwort erwähnt.

Die Siebenbürger Sachsen zeigten selbstbewusst, dass sie sich mit ihrer Kultur durchaus sehen lassen können. Sie waren gleich mit drei Gruppen vertreten: dem Reußmarkter Chor aus München und Waldkraiburg unter der Leitung von Paul Staedel, der Blaskapelle Garching unter Dirigent Hans Depner und der Volkstanzgruppe Garching unter der Leitung von Renate Kraus und Inge Schunn. In seinem Grußwort dankte Ewald Schwab, Vorsitzender der Nachbarschaft Garching, Pfarrer Falkenstein für seinen Einsatz. Er habe der siebenbürgisch-sächsischen Kultur zu großer Wirksamkeit in der Öffentlichkeit. So sei im letzten Jahr eine viel beachtete siebenbürgische Ausstellung im Erdinger Frauenkircherl gezeigt worden.

Vizelandrat Max Gotz freute sich, dass die Menschen über die Landesgrenzen hinaus zusammenkommen. Die Landesausstellung Bayern-Ungarn im vergangenen Jahr in Passau habe das Verbindende zwischen den beiden Kulturen vertieft. Unter den Ehrengästen waren in der Erdinger Stadthalle auch Altlandrat Xaver Bauer und die zweite Bürgermeisterin der Stadt Erding, Ingrid Solanek, zugegen, die gleichfalls eine begeisterte Fördererin der Siebenbürger Sachsen ist.

Die positive Resonanz unter den Zuschauern sowie in der Lokalzeitung ließen das Folkorefestival zu einem vollen Erfolg werden. Die Gestalter des Abends haben damit einen wertvollen Beitrag zum Kennenlernen und Zusammenwachsen zwischen West und Ost geleistet.

Siegbert Bruss



(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 14 vom 15. September 2002, Seite 5)

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