22. Oktober 2002

Montan- und Wirtschaftsgeschichte Siebenbürgens

Vom 13. bis zum 15. September fand in Leoben in der Steiermark die 39. Jahrestagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde statt. Passend zum Tagungsthema „Montan- und Wirtschaftsgeschichte Siebenbürgens“ fungierte die Montanuniversität von Leoben als Gastgeberin.
Im Eröffnungsreferat am Freitagabend verknüpfte Liselotte Jontes von der Universitätsbibliothek Leoben den Veranstaltungsort mit dem Schwerpunktthema, indem sie die Montanuniversität als Ausbildungsstätte von Berg- und Hüttenleuten aus der Habsburger Monarchie vorstellte. Unter den Studierenden befanden sich auch Siebenbürger, was sich jedoch durch die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges änderte.

Paul Niedermaier stellte überblicksartig die Entwicklung des Abbaus der verschiedenen Rohstoffe im Mittelalter dar, wobei sich auf der zeitlichen Achse Salz, Silber und Gold als jeweils wichtigster geförderter Rohstoff ablösten. Danach ging er näher auf die Siedlungsstruktur der Bergorte ein, die oft aus mehreren, klar voneinander abgetrennten Einheiten bestanden. Konrad Gündisch rückte mehr den rechtlichen Status der Bergleute in den Mittelpunkt. Wie anderswo besaßen auch in Siebenbürgen Bergleute Privilegien. Der Referent zeichnete jedoch anhand verschiedener Beispiele nach, dass die persönliche Freiheit der Bergleute nicht zu verwechseln ist mit einer sozialen Gleichheit – vielmehr wussten die Unternehmer die Bergleute am Gängelband zu führen.
Eine interessante Annäherung ans Tagungsthema zeigte sich im Referat von Nikolaus Reisinger. Über die Beschäftigung mit Eisenbahngeschichte kam er auf einen Förderwagen, der im Bergwerk von Brad im Siebenbürgischen Westgebirge im 16. Jahrhundert im Einsatz stand. Das Interessante an dem Wagen ist, dass er als direkter Vorläufer der Radschienen-Technologie gilt. Im Anschluss zeigte der Referent verschiedene Ausstrahlungsrichtungen im Zusammenhang mit Bergbau- bzw. Schienentechnik auf. Mit der Frage, ob auch siebenbürgische Bergleute bis nach England, dem Geburtsland der Eisenbahn, kamen, schloss der Referent in der Hoffnung, dass allfällige Hinweise darauf in die wissenschaftliche Diskussion einfließen werden.

Zoltán Huszár ging auf die Geschichte des Kohlebergbaus in Ungarn im 19. und 20. Jahrhundert ein. Ebenfalls dem Abbau eines einzelnen Rohstoffes widmete sich Volker Wollmann, der mit dem Quecksilberabbau in Siebenbürgen von der Antike bis ins 20. Jahrhundert ein wenig erforschtes Thema aufgriff. Schließlich kamen im Referat von Ioan Dordea verschiedene Arten und Techniken der Salzförderung und -verarbeitung in Siebenbürgen im 18. Jahrhundert zur Sprache.

Die beiden letzten Referate hatten dann einen größeren Bezug zur Sozial- beziehungsweise Kunstgeschichte. Das Gesundheitswesen in den siebenbürgischen Bergbaugebieten im 18. und 19. Jahrhundert stand im Mittelpunkt des Referates von Gabriela Rusu. Bernd Moser ging auf Schmucksteinmaterialien im „Siebenbürger Schmuck“ ein.

Die Sektionen Volkskunde, Germanistik und Genealogie hielten am Samstag eine gemeinsame Sitzung ab, in der vier Referate präsentiert wurden. Hier kamen vor allem die Beziehungen zwischen dem Gastland (Österreich) und dem Studienobjekt der Tagung (Siebenbürgen) zur Sprache. Die im 18. Jahrhundert aus den österreichischen Erblanden nach Siebenbürgen umgesiedelten Evangelischen, die Landler, rückten dabei ins Zentrum. Wilfried Schabus referierte über die Sprache der Landler als spezifisches Symbol ihrer Selbstbehauptung als Gruppe, und Franz Grieshofer ging den Spuren von Johann Reinhard Bünker in Siebenbürgen nach. Dieter Knall präsentierte ein auf reichlich Archivmaterial aufbauendes, sehr emotional gefärbtes Bild der Situation der Evangelischen in der Steiermark, einer Region, aus der wenige Jahre vor dem josephinischen Toleranzpatent die letzten Evangelischen ihres Glaubens wegen nach Siebenbürgen ziehen mussten. In Siebenbürgen angekommen, unterschieden sich die aus Österreich Stammenden, die „Landler“, von ihren siebenbürgisch-sächsischen Glaubensgenossen nicht zuletzt durch die Kleidung, wie Irmgard Sedler ausführte. In Österreich hatte sich das Kleidungsverhalten, etwa die Trennung in eine zweiteilige Bekleidung, bereits früher zu wandeln begonnen als in Siebenbürgen, wo die Sachsen an einem noch stark archaischen, ständisch geprägten Kleidungsverhalten als eine Art „Nationalkostüm“ festhielten. Bewusste Markierung und Abgrenzung zwischen Landlern und Sachsen ist als Phänomen bis ins 20. Jahrhundert selbst beim Kauf industriell gefertigter Textilien zu beobachten.

Die Tagung bot eine reichhaltige Palette von Themen. Es zeigte sich einmal mehr die äußerst wichtige Rolle, die der Bergbau in Siebenbürgen seit der Antike spielt. Auch kamen viele sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekte im Umfeld des Bergbaus zur Sprache. Insgesamt zeigte sich im Anschluss an die Tagung, dass mancher Teilnehmer positiv überrascht waren von der Vielfalt der gebotenen Themen.

Nach einer Andacht mit Volker Petri schloss die Tagung mit der Mitgliederversammlung (mit Berichten von Vorstand, Geschäftsstelle und Herausgebern/Redakteuren) und der Einladung zur Jahresversammlung 2003 nach Schengen/Luxemburg. Tagungsbegleitend war eine von Helmar Christian Wester erarbeitete Ausstellung mit Wertpapieren aus dem Montanwesen Siebenbürgens und Rumäniens im 20. Jahrhundert sowie, in der Universitätsbibliothek, eine Auswahl von Werken aus und über Siebenbürgen zu sehen.

Daniel Ursprung

Schlagwörter: Bergbau, Wirtschaftsgeschichte, Volker Wollmann

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