15. Januar 2001

Leverkusener Schüler forschen in Mediasch

Die Mitglieder des Leistungskurses Geschichte am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Leverkusen haben sich einem neuen Forschungsprojekt zugewandt. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Untersuchungen zur Schäßburger Bergschule, die von Oberstudienrat Hans Gerhard Pauer koordiniert worden waren (diese Zeitung berichtete mehrfach), ist unter Leitung des gleichen Lehrers ein zweites Projekt gestartet worden: Gegenstand der Recherchen ist dieses Mal das "Stephan-Ludwig-Roth-Lyzeum" in Mediasch, dessen Entwicklung von einer einfachen Dorfschule zu einem humanistischen Gymnasium untersucht und dokumentiert werden soll.
Ziel des Projekts ist es nachzuweisen, inwieweit dort die Einbeziehung europäischen Bildungsgutes in den Fachunterricht stattgefunden hat, um so an einem Modell in Erfahrung zu bringen, welche Bildungsaufgaben die Schule der Zukunft in einem vereinten Europa zusätzlich übernehmen muss und wie sie diesen gerecht werden kann. Dabei gehen die Leverkusener Lehrer und Schüler davon aus, dass es die Herausbildung einer gemeinsamen europäischen Identität notwendig macht, sich der unterschiedlicher nationaler Identitäten bewusst zu werden, denn die Bürger Europas können nur dann erfolgreich zusammenleben und kooperieren, wenn sie wissen, auf welchen nationalen sowie gemeinsamen Kulturtraditionen und Wertvorstellungen die Identität der anderen basiert.
Gerade diesbezüglich wollte man auf die Erfahrungen der Siebenbürger Sachsen zurückgreifen, die sich von ihrer Ansiedlung an bis heute als Mittler zwischen den östlichen und westlichen Regionen Europas betätigten, eine Rolle, die ihr Kolonistendasein bestimmt und sich aus der Polarität zwischen alter und neuer Heimat ergeben hat. Im Rahmen ihrer Schulen wirkten sie nicht nur für den Erhalt ihrer Eigenexistenz, sondern öffneten ihre Lehranstalten bereits im 16. Jahrhundert auch den Ungarn und Rumänen, mit deren Identität man sich schon sehr früh auseinandersetzte.
Mit finanzieller Unterstützung des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart konnte bereits zwischen dem 16. und 29. September letzten Jahres eine erste Studienfahrt der Leverkusener Schüler nach Mediasch und Hermannstadt stattfinden. Hauptziel des Aufenthalts in Mediasch war die Auswertung des dortigen Schularchivs, dessen reichhaltiger Bestand wertvolle Informationen zur Entwicklung der Roth-Schule lieferte, sowie das Sammeln von Bildmaterial zur Vergangenheit und Gegenwart der Kokelstadt und ihrer wichtigen Schule. Vor Ort wurden die Gäste von Schülern, Eltern und Lehrern sehr freundlich empfangen. Da ausnahmslos alle Leverkusener Schüler zum ersten Mal in Rumänien weilten, hatte es im Vorfeld der Aufteilung auf die Gastfamilien eine kaum zu verbergende Angst vor "diesen unbekannten Südosteuropäern aus dem Lande des Dracula" gegeben. Doch am nächsten Morgen schon schwärmten alle mit strahlenden Gesichtern von der unkomplizierten Gastfreundschaft der einheimischen Familien.
Nach der offiziellen Begrüßung durch den Schulleiter des Lyzeums, Dorin Chira, wurde der Projektgruppe die Aula des alten Schulgebäudes zur Verfügung gestellt, wo die gesammelten Materialien gesichtet, kopiert, fotografiert und bearbeitet werden konnten. Besonders beeindruckend war die Durchsicht des ungeordneten Schularchivs, in dem zahlreiche Protokolle der Lahrerkonferenzen ab 1828 zu finden sind, die eine wichtige Grundlage für die Schulgeschichte bilden. Die Gäste aus Leverkusen wurden bei ihren Recherchen von den einheimischen Lehrern Marius Gosa (stellvertretender Schulleiter) und Helmut Knall (Geschichtslehrer) tatkräftig und fachmännisch unterstützt, so dass der Aufenthalt zu einem vollen Erfolg wurde.
Besonders ergiebig und abwechslungsreich war die Arbeit im Archiv der evangelischen Kirche, wo die Schüler aus den dort vorliegenden Jahrgängen des Mediascher Tageblatts und der Mediascher Zeitung zahlreiche Informationen zum Schulalltag sowie wichtige Beiträge zum politischen Leben der Stadt sammeln konnten. Dabei konzentrierte man sich auch auf erheiternde Kuriositäten, wie etwa eine sorgenvolle Artikelserie des Jahres 1901 zum Thema: "Wie gefährlich ist das Radfahren für Frauen?"
Das Projekt zur Erforschung der Roth-Schule und ihrer Geschichte steht unter der Schirmherrschaft des Mediascher Bürgermeisters Teodor Plopeanu. Er hatte im Juli letzten Jahres als Kandidat der Liberal-Demokratischen Partei Rumäniens die Kommunalwahlen in der etwa 62 000 Einwohner zählenden Kokelstadt gewonnen und sich bei einem Besuch in Leverkusen sehr schnell vom Sinn der Kooperation beider Schulen überzeugen lassen. Seitdem unterstützt er das Projekt nachhaltig.
Hier sei zusätzlich darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Projekt um eine Austauschmaßnahme handelt, denn die Schülergruppe aus Rumänien, die daran mitarbeitet (35 Schüler und zwei Lehrer), wird im Frühjahr dieses Jahres nach Leverkusen kommen und zusammen mit den Schülern des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums an der Fertigstellung der Projektarbeit (Monografie der Stephan-Ludwig-Roth-Schule in Mediasch) mitwirken. Das Projekt soll in erheblichem Maße auch der Erhaltung des deutschen Kulturerbes in diesem Raum dienen, denn durch die Zusammenarbeit mit den Schülern in Siebenbürgen will man die Aufmerksamkeit der dortigen jungen Leute auf die Leistungen der deutschen Minderheit in diesem Raum lenken. Gerade diesbezüglich war schon die Projektfahrt erfolgreich, denn die große Mehrheit der Mediascher Schülerinnen und Schüler, aber auch viele Lehrer kannten die traditionsreiche Vergangenheit ihrer eigenen Schule kaum.

Bitte um Unterstützung


Um eine möglichst vollständige Dokumentation aller Quellen zur Geschichte der Stephan-Ludwig-Roth-Schule erstellen zu können, appellieren die Mitglieder der Projektgruppe mit folgendem Aufruf an die Hilfsbereitschaft ehemaliger Schüler und Lehrer dieser Schule:
"Wir sammeln alle Informationen zur Mediascher Schulgeschichte: Erinnerungen, biografische Daten zu Lehrern und berühmten Schülern, Fotos von Rektoren, Lehrern und Schülergruppen, Fotos von Schulgebäuden, Plakate einzelner Schulveranstaltungen, Programme, Augenzeugenberichte etc. Alle uns zugesandten Materialien werden innerhalb von drei Tagen mit größter Sorgfalt kopiert und sofort an die Eigentümer zurückgeschickt. Wenn Sie ihre Unterlagen nicht der Post anvertrauen wollen, kommen wir gerne mit unseren Kopiergeräten bei Ihnen vorbei.
Bitte senden Sie Ihre Materialien an folgende Anschrift: Hans Gerhard Pauer, Bahnhofstraße 3, 51399 Burscheid, Telefon: (0 21 74) 28 64, E-Mail: Hpauer@t-online.de.

H.G.P.

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