30. Oktober 2002

160 Jahre Blaskapelle Großau

Die Ursprünge der Blaskapelle aus Großau bei Hermannstadt gehen auf die Tradition der Dorf- und Kirchenmusikanten in Siebenbürgen zurück. Die Blasmusikanten waren Kulturträger der deutschen Bevölkerung und begleiteten den Lebensweg der Menschen praktisch „von der Wiege bis zum Grabe“. Die Musiktradition wird - unter veränderten Umständen - durch Auftritte und Treffen der Blaskapelle in Deutschland fortgeführt.
Ein Großauer Musikant, Josef Beer, XIII /40a, hat die Anfänge der Blaskapelle untersucht und ist im Siebenbürger Bote, Nummer 77 vom 30. September 1842, fündig geworden. Das Blatt veröffentlichte folgende Ankündigung: „Musikanten und Freunde der Tonkunst in der Hermannstädter Umgebung mögen sich vorbereiten, an einem großen Musikfest in der Reitschule von Hermannstadt teilzunehmen." Das gleiche Blatt berichtete am 4. Oktober 1842 (Nummer 78, Seite 876), dass 105 Musikanten bei diesem Fest auf der Bühne standen und auch Großauer daran mitwirkten. Die Presseberichte belegen demnach, dass die Großauer Musikkapelle seit mindestens 160 Jahren besteht und den Dorfbewohnern bei Freud und Leid Beistand leistete. Die Blaskapelle stand unter der Schirmherrschaft des Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde, die die Instrumente zur Verfügung stellten. Dies war mit der Verpflichtung verbunden, dass die Kapelle kirchliche Feiern wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Muttertag, Erntedankfest oder den Heldengedenktag musikalisch mitgestaltete. Diese Tradition ist erhalten geblieben.

Blaskapelle Großau unter der Leitung von Hans Göllner nach dem Silvesterkonzert 1980.
Blaskapelle Großau unter der Leitung von Hans Göllner nach dem Silvesterkonzert 1980.

Wer Anfang des 20. Jahrhunderts seinen Militärdienst ein Jahr vor der vorgesehenen Frist antrat, konnte den Dienst bei der Blasmusik verrichten. So wurden viele Großauer unter dem Dirigentenstab beim Militär zu guten Musikanten ausgebildet. Die Instrumente in Großau wurden dadurch knapp, so dass mehrere Mitglieder eigene Instrumente erwarben. 1927 gründeten einige Musikanten, die mit dem Dirigenten nicht zufrieden waren, eine zweite Kapelle. Diese „Privatmusik" durfte allerdings nicht überall auftreten und musste von Fall zu Fall die Erlaubnis des Presbyteriums einholen. Die Konkurrenz der beiden Kapellen führte dazu, dass in Großau qualitätvolle Musik gemacht wurde.

Das Ganze wurde durch den zweiten Weltkrieg zerstört und brach im Januar 1945 durch die Deportation in die Sowjetunion zusammen, so dass nur noch sechs Musiker übrig blieben. Um die Toten bis zum Friedhof mit Musik begleiten zu können, wie es die Großauer Tradition vorsieht, mussten Musikanten aus den Nachbardörfern Hilfe leisten.

1946 begann Matthias Eckenreiter junge Musikanten auszubilden, um die Not zu lindern. 38 Jungen waren am Anfang dabei, 19 haben ausgelernt, wovon die meisten auch heute noch aktiv sind. Durch den Krieg waren viele Instrumente verloren gegangen. Mit Hilfe einiger Förderer konnten 1947 für 78 000 Lei alle Instrumente aus der Nachbargemeinde Gurr Rouleau aufgekauft werden. Das Interesse an der Musik war ungebrochen groß, so dass wir schon 1950 ein erstes Konzert boten. Und so ging es dann weiter, unter verschiedenen Kapellmeistern, auch im Rahmen des kommunistischem Kulturheimes („Caminul Cultural"), der nun das Sagen über Tun und Lassen hatte. Von 1960 bis zur großen Auswanderungswelle 1990 wurde jeweils zu Silvester und Neujahr ein Konzert geboten.

Mehrere Generationen von Musikanten wurden durch Prof. Hans Göllner, Michael Hutter und Josef Beer sen., XIII /40a, ausgebildet, bis es nicht mehr ging. Danach reiste auch Beer mit seiner Familie nach Deutschland aus, setzte aber die Tradition der Großauer Blasmusik auch hier in Deutschland fort. Unter seiner Führung stellten die Musikanten ihr Können zu verschiedenen Anlässen unter Beweis. Michael Klamer sen. organisierte am 29. Mai 1999 im „Eichholzer Täle“ in Sindelfingen bei Stuttgart ein erstes Musikantentreffen nach langen Jahren der Trennung. Die Veranstaltung wurde mit großer Begeisterung angenommen, so dass am 30. Juni 2001 ein zweites Treffen am gleichen Ort stattfand. Ein schweres Unterfangen war es, die Adressen aller Musikanten zusammenzutragen. Laut Statistik wären wir zurzeit 74 Musikanten, wenn jeder ein funktionstüchtiges Instrument hätte. Der Älteste ist 89 Jahre und der Jüngste über zwanzig Jahre alt. 37 Musikanten wirken effektiv bei den Großauer Treffen mit und bieten ihren Landsleuten ein paar Stunden Blasmusik. Beim Heimattreffen 1999 wirkten in Großau zehn Musikanten von hier mit.

28 Musikanten unterhielten am Nachmittag des 28. September 2002 die Großauer bei ihrem neunten Treffen in Gerlingen bei Stuttgart mit Tanzstücken. Wir werden uns auch weiterhin bemühen, an verschiedenen Anlässen unser Bestes zu geben.

Michael Klamer sen.


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 17 vom 31. Oktober 2002, Seite 20)

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