1. März 2000

Angesehener Bergbauingenieur

"Dr. Gustav Wonnerth (80), verantwortungsbewusster und zielstrebiger Siebenbürger, von Beruf Bergbauingenieur, hat die Bundesrepublik Deutschland über 15 Jahre lang in der Montanunion und der EG erfolgreich vertreten. Seine Dissertation über "Neue Wege zur Verbesserung des Arbeitsschutzes im Bergbau" (1958) fand international Anerkennung und Anwendung. Seit 1973 als Rentner, war er in der landsmannschaftlichen Landesgruppe Bayern aktiv und zwischen 1978 und 1985 deren Vorsitzender. "
Mit ihm führte Hans-Dietrich G e c k e l das folgende Gespräch:

Dr. Wonnerth, Sie sind gebürtiger Kreischer, zählen sich aber zu den Schäßburgern und betonen immer wieder: Meine Heimatstadt Schäßburg!
Na ja, ich wurde 1920, am 26. Februar, südwestlich von Schäßburg, in Kreisch geboren, doch die Kinderjahre verbrachte ich an der Großen Kokel, in meiner eigentlichen Heimatstadt Schäßburg. Hier besuchte ich die Bergschule als Gymnasiast, und im Chlamydatencoetus war ich Fuchsmajor, Handballkapitän und Leichtathlet.
Als der Krieg ausbrach waren Sie noch sehr jung, 19 Jahre alt. Ihre Gedanken konzentrierten sich auf das bevorstehende Studium an der Freiberger Universität.
Ich begann mein Studium 1940 an der Bergbauakademie Freiberg/Sachsen, die zu jener Zeit als erste Technische Universität der Welt galt. 1943 schloss ich mein Studium mit der Diplomprüfung ab. Fachzeitschriften veröffentlichten die von mir entwickelten Tiefbohrtechniken und als Reaktion darauf erhielt ich sieben verschiedene Stellenangebote.
Eines von den sieben Stellenangebote ist erwähnenswert: das Kaiser-Wilhelm-Institut für Mineralölforschung in Berlin, das heutige Max-Planck-Institut, wollte Sie haben. Doch Sie mussten als Soldat an die Ostfront.
Bevor ich in den Krieg zog, heiratete ich noch meine Frau Jutta. Im Februar des Jahres 1945 geriet ich als deutscher Soldat in russische Gefangenschaft. Meine Jutta kam bei der Zerstörung Dresdens durch die Alliierten wie durch ein Wunder mit dem Leben davon. Mich erwarteten sieben Jahre Kriegsgefangenschaft auf russischem Boden. Der Transport dorthin führte durch meine Heimatstadt Schäßburg. Mutter, Schwiegermutter und Schwiegervater, die von einem Bauern informiert worden waren, konnten nur mit großer Mühe an den Zug herankommen.
Sie haben sich während der russischen Kriegsgefangenschaft im Donezbecken sehr stark für Ihre Mitgefangenen und Ihre Landsleute und die deutschen Soldaten eingesetzt. Wie sah die Hilfe aus, die Sie leisten konnten? War es ein sozialer oder moralischer Beistand?
Ich bin glücklich und dankbar, dass es mir gelungen ist, ein paar hundert oder tausend Leute am Leben zu erhalten. Unser 1600-Mann-Transport kam bei der Ankunft in eine 21-tägige Quarantäne, und ich war froh, endlich etwas Ruhe zu finden. Da aber im sowjetischen Bergbau unter katastrophalen Bedingungen gearbeitet wurde und das technische Personal fehlte, wurde ich schon nach drei Tagen zum Markscheider abkommandiert, das ist im Bergbau der Mann, der die Vermessung und Darstellung der Lagerungs- und Abbauverhältnisse vornimmt. Die Todesziffer im Bergwerk lag sehr hoch: bis zu 29 Toten pro Tag. Die lebensgefährlichen Arbeitbedingungen, dazu Hunger, Elend, Verzweiflung und Not waren die Ursachen dieser unheimlichen Sterblichkeit. Doch nach kurzer Zeit schaffte ich es auf "diplomatischem" Wege, die Lagerleitung von der Nützlichkeit eines Projekts zu überzeugen, das ich erstellt hatte. Wir wollten unter eigener Führung und Verantwortung den Bergbau betreiben, mit Garantie der Planerfüllung. Dafür sollten die Einkünfte uns direkt zugute kommen.
Dieses Projekt haben Sie tatsächlich durchsetzen können. Es wurde Kohle gefördert nach deutschen Modell. Die Russen veranlassten, auch andere Gruben nach Ihrem Modell umzustrukturieren. Insgesamt waren es vier Bergwerkslager, in denen Dank Ihres Könnens und Einsatzes Tausende von deutschen Kriegsgefangenen am Leben blieben. Im Juli 1952 wurden Sie schließlich entlassen.
Im Alter von 32 Jahren kam ich frei und wurde nach Österreich entlassen, von wo ich dann nach Altmünster zu meiner Familie kam. 1953 begann ich im Ruhrgebiet zunächst als Ingenieur in der Produktion einer Schachtanlage zu arbeiten. Es war die Hibernia Bergbau AG in Herten-Langenbochum.
Sie gingen mit einer Kommission und dem Vorstand der Hibernia AG nach Oberösterreich, und im Zuge der "Kohleaktion 1953" warben sie sächsische Familien für den deutschen Bergbau an.
Wir brachten sie nach Herten-Langenbochum, und ich übernahm ihre Vertretung gegenüber den Behörden und der Unternehmensleitung.
Sie hatten große Verdienste um den Arbeitschutz und die Unfallverhütung.
Ich konnte die Todesquote in meinem Konzern tatsächlich auf die Hälfte reduzieren.
Dabei waren Sie in mehreren Fachgremien tätig. 1958 promovierten Sie zum Dr.-Ing. und Ihre Laufbahn ging steil nach oben.
Die Doktorarbeit "Neue Wege zur Verbesserung des Arbeitschutzes im Bergbau", die in mehrere europäische Sprachen und ins Japanische übersetzt wurde, fand großen Anklang in der Branche und war sozusagen mein Sprungbrett zur Montanunion. Von rund 112 Bewerbern aus allen Staaten schaffte es der Gust aus Schäßburg.
Somit kamen Sie 1958, zunächst als Hauptreferent, zur "Hohen Behörde" der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Montanunion, nach Luxemburg.
In Luxemburg war ich später Berater der "Hohen Behörde" und mit dem Aufbau und der Leitung der Abteilung Technische Forschung Kohle beschäftigt. Nach 15 Jahre langer erfolgreicher internationaler Tätigkeiten bin ich aus gesundheitlichen Gründen als Direktor der Kommission der EG aus Luxemburg weggekommen und ließ mich mit meiner Familie in meiner zweiten Heimat Pähl in Oberbayern nieder. Knapp 20 Jahre lang lebte ich in Siebenbürgen, und nun bin ich schon beinahe 27 Jahre lang wohnhaft in Bayern. Einige meiner Freunde sagen: "Du bist jetzt mehr Bayer als Siebenbürger."
Warum in Pähl?
Hier bin ich nahe an München und ich liebe das Landleben. Hier in Bayern stellte ich mich der Landsmannschaft zur Verfügung. Erst war ich Wirtschaftsreferent des Bundesvorstands und 1978 hatte ich das Glück, eben hier in Bayern, wo der größte Teil der Siebenbürger Sachsen lebt, als Vorsitzender der Landesgruppe Bayern tätig zu werden. In den Jahren meiner ehrenamtlichen Arbeit ist es mir gelungen, die Zahl der Mitglieder um 48 Prozent zu erhöhen und dadurch eine Konsolidierung der Finanzen zu erzielen. Ich pflegte Beziehungen zu Behörden, Verbänden und Medien. Meine Bemühungen waren intensiv auch auf die Betreuung der Aussiedler, auf die Beschaffung von Wohnraum und Arbeit gerichtet. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich mich 1985 leider aus dem öffentlichen Leben zurückziehen.
Wir wünschen Ihnen noch viele schöne Jahre im Kreis der Ihren und danken Ihnen für dieses Gespräch.

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