22. Dezember 2002

Sächsische Wirtschaftsgeschichte entschieden mitgeprägt

Zum 100. Geburtstag von Gustav Adolf Klein, dem letzten Generaldirektor der Hermannstädter allgemeinen Sparkassa (HAS)
"Den Entwicklungsgang der Hermannstädter allgemeinen Sparkasse in hundert Jahren darzustellen, ist eine reizvolle, aber auch schwierige Aufgabe", schreibt in seinem Vorwort zur Festschrift "Hundert Jahre Hermannstädter allgemeine Sparkasse - 1841/1941" der damalige und übrigens letzte Generaldirektor dieser für Siebenbürgen überragenden Bank, Gustav Adolf Klein. "Nicht dass es an Quellenmaterial zum Gegenstand fehlen würde: solches ist in den Archivakten, den Sitzungsprotokollen, Jahresberichten und anderen Veröffentlichungen der Bank in reichem Maße vorhanden. Je näher wir aber in der Betrachtung an die Gegenwart herankommen, um so schwerer wird die Deutung und Wertung der Ereignisse und Gestaltungen", meint der Autor.

Gustav Adolf Klein
Gustav Adolf Klein

Hundert Jahre nach der Geburt von Gustav Adolf Klein nun über diese seine überragende Persönlichkeit zu schreiben, ist sicherlich auch reizvoll, aber gleichfalls schwierig. Es fehlt nämlich an Quellenmaterial in reichem Maße, und je näher man über Betrachtungen anderer an diesen Mann herantritt, um so schwerer wird die Wertung seiner Gestaltungen nicht nur innerhalb der Sparkassa am Großen Ring, sondern auch für das siebenbürgisch-sächsische sowie das Wirtschaftsleben in Rumänien insgesamt. Noch mehr: Selbst unsere Landeskirche und verschiedene andere Gremien haben über finanzielle Unterstützungen hinaus auch immer wieder seinen Rat gesucht. Das wohl entschieden letzte Mal 1946, als Hans Schwarz, eine bekannte Persönlichkeit der Hermannstädter Öffentlichkeit, in einem Memorandum G. A. Klein um Impulse zur Neugestaltung des gesellschaftlichen wie politischen Lebens in Siebenbürgen bat: "Wenn wir uns daher nach einem Manne in unserem Volk umsehen, der die geistige Kapazität, das allgemeine Ansehen, die gerade Linie seiner bisherigen politischen Haltung besitzt, so erscheinen Sie uns als die geeignete Persönlichkeit."

Es sollte aber anders kommen. 1947 bereits wurden der HAS-Generaldirektor Klein und alle übrigen Direktoren wie Mitglieder des Verwaltungsrates der Sparkassa ihres Amtes enthoben, 1948 sodann kamen mit Dr. Gustav Adolf Klein auch nacheinander Dr. Karl Gündisch, Dr. Konrad Stenzel, Dr. Hans Otto Roth, Michael Kamner und davor noch Wilhelm Simonis in Haft. Die Anklage behauptete, dass die gesamte Kreditaktion der Hermannstädter Sparkassa von 1928 bis September 1944 nichts anders als ein "Verdunklungsmanöver" (Camouflage) gewesen sei mit dem Ziel, deutsches Kapital in Siebenbürgen zu verheimlichen. Doch gerade dagegen hatten sich G. A. Klein und Co. gewehrt, überhaupt widersetze man sich mit Nachdruck vor dem Zweiten Weltkrieg der politischen Vereinnahmung dieser wohl größten deutschen Bank in Rumänien durch die "Deutsche Volksgruppe". Trotzdem wurden Klein und seine genannten Mitstreiter wegen Nichtanmeldung ihrer eigenen Sparkassa-Aktien, Nichtanmeldung der gesamten, angeblich aus reichsdeutschem Eigentum gebildeten Aktienbeteiligung bei der Sparkassa sowie wegen des nach dem 12. September 1944 getätigten Verkaufs einer Reihe von Liegenschaften und Wertpapieren der Sparkassa von einem "Volksgericht" 1948 zu unterschiedlichen Gefängnisstrafen verurteilt.

Das war der Anfang vom Ende eines erfolgreichen Wirtschaftsmannes und Bankiers Siebenbürgens.
In diesen geografischen Raum aber versetzt Christoph Klein, der Sohn von Gustav Adolf, bewusst die persönliche Entwicklung und den Berufsweg seines Vaters. In seinem Buch "Anvertraute Pfunde" vermerkte er: "Nachdem es Gustav Adolf Klein durch die besonderen Umstände seines Lebens nicht vergönnt war, seine Erinnerungen selbst aufzuzeichnen und - wie er und andere es gerne gewollt hätten - die Arbeit an der Geschichte der 'Hermannstädter allgemeinen Sparkassa' nach 1941 fortzusetzen, beabsichtigte der Verfasser, diesen bislang wenig bekannten Ausschnitt siebenbürgisch-sächsischer Geschichte selbst aufzuzeichnen."

Leider war es dem Vater auch nicht vergönnt, dieses Buch, 1995 erschienen, zu lesen, wie ihm nicht vergönnt war, zu erleben, wie sein Sohn als Bischof bald nach dem Umbruch in Rumänien der Evangelischen Landeskirche zu einem neuen Aufbruch verhalf. Gustav Adolf Klein verstarb kurz vor der rumänischen "Revolution", im Mai 1989, fern der Heimat.

Geboren wurde Gustav Adolf Klein am 1. November 1902 in Weißkirch als jüngstes Kind des Pfarrers Friedrich Klein und seiner Gattin Hermine, geborene Csallner. Und er war wie auch die Geschwister "von jenen Menschen einer", die mit ihrem Leben und Dienst diese ihre "sächsische" Welt mitgestalten wollten. Man muss dabei nur die Namen der Geschwister nennen, und die "sächsische Welt" weiß, wer damit gemeint sind: Hermine Pilder-Klein, Karl Kurt Klein und Fritz Klein. Wenn man dann noch etwas über die besondere Atmosphäre im Elternhaus Klein, einem typischen Pfarrhaus in Siebenbürgen, erfährt, weiß man auch um die spätere Entwicklung von G. A. Klein von vornherein Bescheid. Denn folgende Erziehungsleitsätze, erinnerte sich Hermine Pilder-Klein in ihrer Rede anlässlich der Verleihung in Dinkelsbühl des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises 1981, galten in ihrem Elternhaus als oberstes Gebot: "Denke selbst! Führe einmal Begonnenes zu Ende, und zwar bestmöglich (optimal)! Verantworte, was du tust! Stelle dich im Streit auf den Standpunkt des Gegners! Achte den Andersdenkenden!" In der multinationalen Gesellschaft Siebenbürgens waren dies besonders wichtige Lebensregeln.

Bloß etwas fehlt hier, was Gustav Adolf Klein noch kennzeichnete und von Helmut Pilder in der Gedenkpredigt bei der Bestattung am 17. Mai 1989 in Altbach bei Esslingen unterstrichen wurde: "Es war in ihm dieser Widerschein einer großen Liebe, die sich auf jene übertrug, die um ihn sein durften. Und es war keine Furcht in ihm."

Unter diesen Vorzeichen nun den Lebensweg G. A. Kleins von der Wiege bis zur Bahre nachzuzeichnen, wäre beinahe überflüssig. Denn mehr als eine Bestätigung dieser vom Elternhaus geprägten Lebenshaltung findet man kaum, wohl aber folgerichtig eine erfolgreich bestandene Reifeprüfung, ein erfolgreiches Studium der Nationalökonomie und der Staats- wie Rechtswissenschaften und dann bis zum Zusammenbruch ein erfolgreiches Berufsleben im Dienste der Sparkassa nach dem Motto: "Ein Bankinstitut hat im allgemeinen, und die Hermannstädter allgemeine Sparkassa nach Tradition und Gesinnung im besonderen, eine gliedhafte und dienende Funktion im Volks- und Wirtschaftsleben."

Damit also trat er am 1. Oktober 1925 in den Dienst dieser Bank und wurde bereits 1931 von Dr. Gustav Kelp, dem Filialleiter der Bistritzer Sparkassa, aufgefordert, "sich um die Stelle des leitenden Direktors" in Hermannstadt zu bewerben. Man schrieb allerdings das Jahr, als der damalige HAS-Generaldirektor, Dr. Hans Bergleiter, ab September in den Ruhestand trat, und im November daraufhin die Direktoren Dr. Fritz Kaspar, Harry Rose und Dr. Gmeiner den Antrag stellten, die Bank sofort zu schließen und die Schlüssel dem Gericht zu übergeben. Die Weltwirtschaftskrise hatte auch Siebenbürgen erfasst.

Nicht aber die Bank. Denn es war nun das Verdienst von Hans Otto Roth, dem bekannten Politiker und Präsidenten der HAS, die Direktoren zur Räson zu bewegen und diesen Antrag sofort rückgängig zu machen. Zumindest die Krise innerhalb der Bank konnte so abgewendet und durch die Berufung von G.A. Klein zum Mitglied des Direktoriums 1932 allmählich überwunden werden.

Um nämlich zu einer völligen Umkehr der misslichen HAS-Lage zu gelangen, griff Gustav Adolf Klein in der neuen Funktion zu äußerst weitgehenden, aber nach und nach wirksamen Maßnahmen: Abschluss eines Stillhalteabkommens mit den Gläubigern, Bereinigung der Vermögenslage und schließlich eine Emanzipierung der Sparkassa von ausländischer Bevormundung. So war es nur noch eine Formalität, diesen Mann 1939 zum Generaldirektor der HAS zu ernennen. "Und als die Anstalt am 1. Dezember 1941 das Fest ihres hundertjährigen Bestandes beging, da stand sie wieder stolz als eine der Bastionen der siebenbürgisch-sächsischen Wirtschaft da", schreibt dazu Siegbert Klemens, einst ebenfalls Mitglied des HAS-Direktoriums. Schließlich: 1933 betrugen die Neueinlagen der HAS 16,8 Millionen Lei, 1938 erreichten sie den Wert von 439,3 Millionen Lei und 1941 näherte man sich fast der ersten Milliarde (908,5 Millionen Lei), die jedoch durch die Vereinigung mit der Kronstädter allgemeinen Sparkasse 1942 denn auch erreicht wurde. Anerkennend dazu bemerkt Vasile Ciobanu, heute Historiker bei der Hermannstädter Forschungsstelle der Akademie, in einem Aufsatz 1994 über "Das siebenbürgisch-sächsische Kreditwesen": "Wegen ihrer guten Organisation, ihres Gemeinschaftssinns, ihres gut ausgebildeten Personals und der Unterstützung, die sie der Kirche, der Schule, den Vereinen, der Wirtschaft und Kultur im allgemeinen gewährten, wurden die sächsischen Banken außerordentlich geschätzt und den anderen Banken Siebenbürgens und Rumäniens als Beispiel vorgehalten."

Lediglich der Ausgang des Zweiten Weltkriegs hat auch dieses Geldinstitut letztendlich und für immer aus der Bahn geworfen, ihre Verantwortungsträger wurden gleich danach "zumindest zeitweilig und zur Abschreckung aus dem Verkehr gezogen" (Christoph Klein). Allein die Macht des Schreckens und der totalen Überwachung hielten nach der Entlassung 1949 von G. A. Klein aus dem Gefängnis in Rumänien weiterhin an, oder setzten damals erst so richtig ein, und so musste er sich wie viele andere "Edelsachsen" 1958 erneut einem kommunistischen Schauprozess stellen.

Zum Verhängnis wurde ihm diesmal ein Brief seines Freundes Dr. Alfred Ambrosi aus Deutschland sowie die Verbreitung in Rumänien des Auszuges eines Festvortrags seines Bruders, Karl Kurt Klein, anlässlich der 1957 übernommenen Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen über die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. Zu zehn Jahren Kerkerhaft verurteilt, wurde er nach sechs Jahren auf Grund der Amnestie von 1964 aus dem Gefängnis entlassen. "Ein starker Lebenswille bestimmte ihn auch jetzt", erinnert sich Bischof Klein, "obwohl er - rein physisch - große Schwierigkeiten hatte ihn durchzusetzen und Zeit brauchte, bis er wieder in das Alltagsleben draußen zurückfand."

Doch Gott schenkte ihm diese Zeit, in der er trotz der schweren Erfahrungen vergangener Jahre "nicht geklagt und gehadert hat" (Ch. Klein). Vielmehr "widmete er sich nun seiner Familie, den Freunden und Bekannten sowie der geistig-geistlichen Auseinandersetzung mit seiner Arbeit, seinem Lebenswerk, mit dem Geleisteten und dem Verhinderten, mit der Tragik des jähen Zusammenbruchs seiner Tätigkeit sowie den vielen persönlichen Schicksalsschlägen und Leiden - aber in auffallender Bescheidenheit".

Zum 75. Geburtstag von Gustav Adolf Klein, den er bei vollzähliger Anwesenheit seiner gesamten Familie und in einem großen Kreis von Freunden und ehemaligen Mitarbeitern 1977 in Hermannstadt feierte, schrieb Klemens: "Doch mag ihn das Bewusstsein, in der Nachfolge eines Dr. Carl Wolff das letzte Kapitel siebenbürgisch-sächsischer Wirtschaftsgeschichte entscheidend mitgeprägt zu haben, aufrichten und ihn für die weiteren Jahre seines Lebensabends mit Kraft erfüllen."

Er hatte die Kraft und überdies die Genugtuung, auch seinen 85. Geburtstag noch zu feiern. Und selbst der in seiner Vorstellung gehegte Wunsch einer Besuchsreise nach Deutschland erfüllte sich 1989. Aber es war dies, so Bischof Klein, nicht mehr als ein "Besuch", wobei er in die Obhut seiner Tochter Elke-Maria, verehelichte Kosper, kam. Fünf Monate danach starb er am 10. Mai 1989 im Krankenhaus Esslingen und wurde am 17. Mai auf dem evangelischen Friedhof in Altenbach bestattet.

Martin Ohnweiler


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2002, Seite 7)

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