27. Januar 2003

Es waren auch Kulturtage der Musik

Bei den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtagen 2002 in Gundelsheim kamen die Freunde der Musik nicht nur bei dem „Kammermusikkonzert“ mit Ursula Trede Boettcher und Tanja Trede sowie bei dem „Konzert in der Kirche“ mit Veronika Madler und Steffen Schlandt auf ihre Kosten. Auch bei der Eröffnungsveranstaltung, beim Bunten Abend, Gottesdienst oder Vortrag von Dr. Anneli Ute Gabanyi erfreuten insbesondere junge Interpreten jeweils auch mit Werken siebenbürgisch-sächsischer Provenienz.
Paul Richter, Rudolf Lassel oder Ilse Maria Reich sind Namen, die wohl jedem Siebenbürger Sachsen etwas sagen. Hans Peter Türk, Hermann Bönicke, Norbert von Hannenheim, Ursula Trede Boettcher, Tanja Trede, Steffen Schlandt und Angela Albert sind zumindest in Musikerkreisen bekannt. Aber auch ihnen dürfte der Name Veronika Madler unbekannt gewesen sein, und die Suite für Viola und Klavier von Norbert von Hannenheim haben sie ganz sicher zum ersten Mal gehört.

Mitglieder der Familie von Hannenheim haben etliche verschollene Werke ausfindig gemacht. Die Suite, die im Jahre 1937 entstanden ist, boten sie Ursula Trede Boettcher (Klavier) und ihrer im Jahre 1972 geborenen Tochter Tanja Trede (Viola) an, mit der Bitte sie aufzuführen. Die beiden, einer siebenbürgischen Familie entstammenden Interpretinnen zeigten sich am 17. November im Festsaal von Schloss Horneck der Ehre würdig. So vollendet wie das restliche Programm – Felix Mendelssohn-Bartholdy: „Variationes concertantes“ op. 17, Franz Schubert: „Arpeggione“-Sonate, Robert Schumann: Adagio und Allegro aus op. 70, Henri Vieuxtemps: „Elegie“ – präsentierten sie auch die Suite. Dass das Publikum dies mit begeistertem Applaus honorierte, war nicht nur den Interpretinnen, sondern auch dem Werk zu verdanken. Es ist ein Beleg für die Wertung Norbert von Hannenheims, zu der die Forschung in den letzten Jahren gefunden hat: bedeutendster und eigenwilligster Meisterschüler Arnold Schönbergs. Auch wenn der Komponist die Grenzen der Tonalität mitunter ausreizt, so kann bei ihm von Auflösung der Harmonik keine Rede sein.

Veronika Madler und Steffen Schlandt auf der Orgelempore der Evangelischen Stadtpfarrkirche Gundelsheim. Foto: H.-W. Schuster
Veronika Madler und Steffen Schlandt auf der Orgelempore der Evangelischen Stadtpfarrkirche Gundelsheim. Foto: H.-W. Schuster

Eine ähnliche positive Überraschung konnte man auch beim „Konzert in der Kirche“ am 22. November in der Evangelischen Stadtkirche von Gundelsheim erleben. Sie betraf allerdings nicht die dargebotenen Werke – Hermann Bönicke: Phantasie in As Dur, Wolfgang A. Mozart: Motette „Exsultate, jubilate“, Paul Richter: Andante molto moderato aus der Orgelsonate op. 36 sowie Drei Lieder op. 84, Hans Peter Türk: „Elegie“, Rudolf Lassel: Phantasie über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“, Max Reger: „O Jesu Christ, wir warten dein“ –, sondern die Interpreten. Und hier wiederum nicht so sehr den Kronstädter Steffen Schlandt: Der dortigen „Organistendynastie“ entstammend (Jahrgang 1975), hat er sich nicht nur als vielfach ausgezeichneter Organist einen Namen gemacht, sondern auch durch seine Initiativen zur Bereicherung des siebenbürgischen Musiklebens. Aber wer, bitteschön, ist Veronika Madler? Wer ist diese Sopranistin, 1975 in Mediasch geboren, die Steffen Schlandt mitbrachte, weil ihm das Potential der Gundelsheimer Orgel für einen reinen Orgelabend nicht ausreichend erschien? Ein Stimmwunder, kann man nach diesem Abend sagen, und das ist kaum übertrieben. Es ist eine Stimme, die in Mozarts Motette an einen Bergbach erinnerte, die exaltiert jubilierend jede Spitze und Hürde locker meisterte. Der dominierende und bleibende Eindruck war allerdings jener eines breiten, nichtendenwollenden Strömens, das unangestrengt den Kirchenraum füllte und der Orgel standhielt. Ich freue mich heute schon auf die nächste Begegnung mit dieser Stimme, deren warmes und weiches Timbre nicht nur in den tiefen Lagen zum Tragen kam. Von ihr darf man noch viel erwarten: sie wird erst seit 1999 an der Hochschule für Musik Würzburg gezielt ausgebildet.

Hans-Werner Schuster


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2003, Seite 5)

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