8. Februar 2003

Im Land hinter den Wäldern leben die meisten Wölfe und Bären Europas

Siebenbürgen lockt mit einer romantischen Reise in die Vergangenheit. Das „Land hinter den Wäldern“ wird hufeisenförmig von den sagenumwobenen Karpaten umschlossen, in denen noch über 3 000 Wölfe und 5 500 Braunbären leben. Wer bei Arad die ungarisch-rumänische Grenze überquert, fährt durch ein hügeliges und grünes Freilichtmuseum: mittelalterliche Burgen, verträumte Straßendörfer, Bauernmärkte.
Rechts und links der Straße passieren Wanderhirten mit Schafherden von 200 bis 300 Tieren die fruchtbaren Täler. Immer wieder kreuzen Kühe den Asphalt. Es gibt nirgendwo Zäune, auch Leitplanken fehlen fast komplett. Die Landschaft wirkt weit und wild.

Christoph Promberger, Leiter des Wolfschutzprojektes CLCP. Foto: Ralph von Steinburg
Christoph Promberger, Leiter des Wolfschutzprojektes CLCP. Foto: Ralph von Steinburg
Birthälm ist ein typisches siebenbürgisch-sächsisches Straßendorf. Es hat wehrhafte, mehrere Hundert Jahre alte Häuser mit dicken Mauern in verblassendem Rosa oder Grün, die sich eng aneinanderschmiegen. Die Wehrkirchen sind beeindruckende Relikte der deutschen Besiedlung Rumäniens. Sie begann vor 850 Jahren, als die ungarische Krone Siedler vom Rhein und von der Mosel mit Privilegien an die Karpaten lockte, um die Verteidigung der Gebiete zu sichern. In den 90er Jahren wurden viele leer stehende Pfarrei-Gebäude zu Gästehäusern umgebaut. Ein Geheimtipp für Touristen und ausgesiedelte Rumäniendeutsche: Die Kirchen bieten ein preisgünstiges Quartier mit persönlicher Betreuung – denn zum Plaudern hat man in Transsylvanien immer Zeit.

Iby Sanislav, die Küsterfrau in Mediasch zum Beispiel, spricht dieses gemütliche langsame Deutsch mit dem rollenden „R“. Sie nimmt bescheidene zehn Euro für eine Nacht im Kirchen-Appartement. Auch das Auto wird im gepflasterten Kirchhof sicher untergebracht.

Zwei Autostunden südlich liegt majestätisch Kronstadt am Fuße dicht bewaldeter Berge. Die alte deutsche Stadtgründung ist ein architektonisches Juwel. Es ist gerade Stadtfest, und auf der Bühne fiedelt ein munteres Folklore-Orchester auf. Ein Kellner schöpft in einem Restaurant der Fußgängerzone Hühnerbrühe aus einer Suppenterrine altmodisch am Tisch in den Teller – formvollendete Bewirtung nach alter Art. Doch nur ein Bruchteil der rumänischen Bevölkerung kann an den üppigen Wursttheken einkaufen, bei Mc Donald‘s einkehren oder sich im Benetton-Shop einen Winterpullover leisten. Staatsbeamte müssen mit einem Lohn von rund 100 Euro auskommen, weniger als 70 Euro erhalten Rentner im Monat.

Lebt im Freigehege: Einer der halbzahmen Wölfe des „Carpathian Large Carnivore Projekt“. Foto: Ralph von Steinburg
Lebt im Freigehege: Einer der halbzahmen Wölfe des „Carpathian Large Carnivore Projekt“. Foto: Ralph von Steinburg
„Die Armut ist unser größtes Problem, auch wenn Kronstadt seine Jugendstilhäuser und Denkmäler in der Innenstadt poliert,“ sagt Katharina R. (57), eine Siebenbürger Sächsin, die während und nach dem Kommunismus nicht nach Deutschland ausgesiedelt ist. Sie hatte private Gründe zu bleiben, denn ihr Mann ist Rumäne. „Doch alle Freunde sind weg. Auch meine Tochter ging zum Arbeiten nach Österreich, ich fühle mich allein gelassen“, sagt Katharina melancholisch.

Umgekehrt gibt es aber auch Menschen, die von West nach Ost zogen. Christoph Promberger (37) zum Beispiel, ein Forstingenieur aus München, lebt seit acht Jahren in der Zarnesti am Fuße der schneebedeckten Karpaten. Deutschland war ihm immer zu eng, „zu gezähmt“, wie er es ausdrückt. Der Wissenschaftler gründete am Königstein (rumänisch Piatra Craiului), nur 25 Kilometer von Kronstadt, ein bedeutendes Schutzprojekt für Wolf, Bär, und Luchs, das „Carpathian Large Carnivore Projekt“. Auf seine Initiative und mitfinanziert vom WWF International entsteht hier bis 2004 das größte europäische Freigehege für Raubtiere.

Wolfsrudel und Braunbären sind in Gefahr, weil viele rumänische Bauern Giftköder und Drahtschlingen auslegen, wenn die großen Fleischfresser ihre Schafe und Rinder reißen. „Der Mensch ist der Feind der Natur. Denn die Gefahr durch Wölfe für den Menschen ist gleich Null. Eine Biene oder eine Wespe sind gefährlicher“, behauptet Promberger strikt. Seine Mitarbeiter ermöglichen Öko-Touristen Exkursionen zu frei lebenden Bären: An einer bestimmten Lichtung mit Jägerstand trottet fast jeden Abend, wenn die Dämmerung hereinbricht der ein oder andere Meister Petz unruhig witternd aus dem Wald.

Eva-Maria Schreiner


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