18. Februar 2003

Der Bamberger Reiter und die Siebenbürger Sachsen

Bamberg, die altehrwürdige Stadt in Oberfranken, wird überragt von dem 1237 geweihten spätromanisch-frühgotischen Dom. Dieser birgt ein besonders gelungenes Reiterstandbild, den geheimnisvollen Bamberger Reiter, der im weiteren Sinne auch etwas mit Siebenbürgen zu tun hat.
Für die Stadt ist der Reiter ein Wahrzeichen; er schmückt Bierkrüge, Kinoplakate und das Stadtlogo. Wie ein unsterblicher Pate begleitet er den Einheimischen von der Wiege bis zur Bahre, obwohl niemand genau weiß, wen der Reiter eigentlich darstellt oder wer ihn geschaffen hat. Zumindest der ersten Problematik scheint die Wissenschaft auf der Spur zu sein. Neuerdings hat der Würzburger Carsten Busch ein Buch veröffentlicht ("Der Bamberger Reiter", Collibri Verlagsbuchhandlung, Bamberg 2002), in dem er die erste umfassende Geschichte dieser Skulptur nachvollzieht, die von der Zeit des Dombaus bis in die Gegenwart reicht. Busch verfolgt Farbspuren an der Figur, die darauf hindeuten, dass sie einst bemalt war, rekonstruiert mit Akribie die originale Haltung der Zügel, die heute nicht mehr erhalten sind, und macht sich schließlich Gedanken über die Bedeutung dieses Standbildes.

Unter Berücksichtigung der neuesten Ergebnisse kunsthistorischer Forschung stellt sich heraus, dass die meisten bisherigen Deutungen des Reiters unhaltbar sind. So gilt als gesichert, dass im Mittelalter nur Heilige im Kircheninneren mit monumentalen Skulpturen geehrt werden durften. Wen könnte nun dieser wehrhafte Reiter und heilige Ritter hoch zu Ross darstellen?

Busch argumentiert plausibel, dass es sich hier nur um den heilig gesprochenen König Stephan von Ungarn handeln könne! Dieser - sein ursprünglicher Name war Wojk - Sohn des Großfürsten Geza, vermählte sich 995 mit Gisela, der Schwester des Bamberger Bistumsgründers, des deutschen Kaisers Heinrich II. (1002-1024), von dem er zum Christentum bekehrt wurde. Der nunmehr christliche Stephan missionierte anschließend ganz Ungarn und schaffte somit die Öffnung seines Landes für die christlich-abendländische Kultur, zudem gründete er das Erzbistum Gran und führte nach fränkischem Vorbild die Komitats- (Grafschafts-)Verwaltung ein, die die alte Stammesverfassung ablöste.

Nun, dieser Stephan, der von 997-1038 als König von Ungarn regierte, wurde 1038 aus all diesen Gründen heilig gesprochen und gilt auch heute noch als Schutzpatron Ungarns. Seine Taten sollten offenbar vom Bamberger Bistum durch ein Reiterstandbild entsprechend gewürdigt werden. Die mutig frische Modellierung ist erstaunlich für die Zeit. Die zwischen 1230-40 datierte Skulptur des (noch) unbekannten Künstlers besticht durch die Lebendigkeit der Darstellung und erinnert an die jahrhundertealten engen deutsch-ungarischen Beziehungen. Sie gilt als eines der gelungensten frühgotischen Werke überhaupt. Wie bekannt, bildete sich um diese Zeit der deutschsprachige Neustamm der Sachsen auf dem Gebiet Siebenbürgens, das ja zu Ungarn gehörte. Unter den ältesten ungarischen und päpstlichen Freibriefen für die Sieger war das Andreanum (Goldener Freibrief) von 1224 bedeutend, welches nach etwa hundert Jahren Anwesenheit den Siebenbürger Sachsen einen Volksstatus (unus sit populus) bescheinigte.

Dr. Wolfgang Knopp


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