15. April 2000

Sächsischer Literaturkreis im Aufwind

Insgesamt 27 Personen haben 20. März 2000 an der Lesung des Siebenbürgisch-Sächsischen Literaturkreises zu den Themen „Texte zum Muttertag“ und „Det Frähjohr uch de Läw“ in München teilgenommen. Es war die größte Teilnehmerzahl seit dem nunmehr über dreijähri-gen Bestehen des Literaturkreises, der vom Ehepaar Oswald und Elisabeth Kessler geleitet wird.
Das könnte unter anderem an den Themen des Abends gelegen haben, doch zeigt der Zulauf auch, dass der Literaturkreis besser bekannt geworden ist, zum Teil durch Eigenwerbung bei dem Münchner Frauenkreis bzw. dem Lehrerkreis, vor allem aber durch die Bekanntmachungen in dieser Zeitung. Sehr erfreulich war auch die erstmalige Anwesenheit von Jugendlichen, denn gerade in diesem Kreis mach man sich Sorgen um den Fortbestand der Mundart.
Die aus Kerz am Alt stammende Roswitha Müller war auf Wunsch ihres 17-jährigen Sohnes Volker aus Halfing bei Bad Endorf angereist. Auf die verwunderten Fragen vieler Anwesender, wie denn bei einem Jugendlichen siebenbürgischer Abstammung solch lebhaftes Interesse für Siebenbürgen und den siebenbürgisch-sächsischen Dialekt vorhanden sei, meinte die gelernte Kindergärtnerin: “Es gibt Phasen, in denen die Kinder sich für die Herkunft ihrer Eltern interessieren. Diese Phasen dürfen die Eltern dann nicht verpassen und durch die Antworten auf die Fragen der Kinder die hierzu nötige Sensibilisierung schaffen. Auch haben Lehrer einen sehr positiven Einfluss, wenn sie Kinder auf den Wert einer seltenen Mundart aufmerksam machen.“
Die Autoren des Kreises freuen sich über jeden Zuhörer, denn so stoßen sie auf das nötige Echo, die Rückmeldung dass die ihnen den Ansporn gibt weiterzumachen. Der Abend aber verdeutlichte andererseits, dass er auch für die Zuhörer gewinnbringend war, denn die gelesenen Texte waren laut den nachfolgenden Diskussionen alle von überzeugender Qualität.
Der Sächsische Literaturkreis München wurde im November 1996 gegründet, steht aber in der kontinuierliche Tradition von Generationen. So war es etwa im Sinne aller Teilnehmer, den Abend mit dem bekannten Lied „Motterhärz“ des sächsischen Liederdichters Georg Meyndt (1852 in Reichesdorf geboren) zu beginnen. Angestimmt wurde es von der Urenkelin des Dichters, Johanna Leonhardt, die von Anfang an zum organisatorischen Kern des Kreises gehörte. Ihr eigener Text „Der Motter är Hoind“, rührte anschließend zutiefst die Zuhörer durch seine bildhaften, wohlbemessenen Verse.
Begeisterung löste auch der aus Rode stammende, erst seit kurzem zu den Autoren des Sächsischen Literaturkreises gehörende Martin Hedrich mit dem Vortrag seiner Texte „Far eus“ (Für uns) und „An Mutter joifs teu mir“ (Eine Mutter gabst Du mir) aus. Die Texte sind in reinem Roder Dialekt verfasst, der zu den Mundarten der sogenannten „J-Gemeinden“ gehört. Auch die vielen alten Wörter, die Hedrich noch fließend benützt, tragen zum Wert seiner Texte bei. Der Autor selber selbst meinte: „Ich bin überrascht, zu welch kräftigen, fließenden Versen unser Sächsisch fähig ist; ich hätte mir das in unserer Sprache vorher nicht zugetraut.“ Martin Hedrich, der in Höchberg bei Würzburg lebt, würde sich gerne einen Ableger des Münchner Sächsischen Literaturkreises in seinem näheren Umfeld wünschen.
Weitere interessante Beiträge kamen von Mitglieder des Kreises, die zwar keine eigenen Texte vortrugen, dafür aber um die Sicherung bzw. Bekanntmachung von Texten und Autoren bemüht sind, deren Werk noch weitgehend unbekannt ist. Dr. Gerda Bretz-Schwarzenbacher las Texte ihres Vaters Heinrich Bretz, bzw. ein aus Heltau stammendes Frühjahrsgedicht, dessen Autor unbekannt ist. Das Lehrerehepaar Karl und Katharina Martini brachten aus dem Nachlass des von beiden sehr geschätzten Jakobsdorfer Mundartautors Martin Filp (1901-1956) ein in seinem Heimatort bekanntes Lied zu Gehör. Einzelheiten über den Verfasser konnten die Anwesenden von dessen in München lebenden Tochter Regine Tellmann erfahren, die an dem Abend ebenfalls anwesend war.
Gerda Gabel hatte Gedichte aus dem Nachlass der 1986 in Hermannstadt verstorbenen Frida Binder-Radler mitgebracht. Von Frida Binder-Radler gibt es ein kleines Gedichtbändchen mit 32 Titeln, 1947 in Zeiden gedruckt, sowie eine Sammlung mit Sagen und Volkserzählungen aus dem Kaltbachtal unter dem Titel „Das Brauthemd“. Ihre zahlreichen Theaterstücke wurden auf vielen Bühnen in Siebenbürgen aufgeführt, jedoch die meisten ihrer Lyrischen Texte sind noch nicht veröffentlicht. Des weiteren waren Gedichte von Stefan Hann und ein Prosastück von Bernd-Dieter Schobel zu hören.
Die mit viel Fleiß gesammelten seltenen oder weniger bekannten Wörter für das Idiotikon des Literaturkreises kamen wegen Zeitmangel zu kurz, ebenso die von vielen an diesem Abend nicht anwesenden Autoren eingesandten Texte.

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