28. März 2001

Tagung über "Die Zukunft der deutschen Zivilisation in Rumänien"

Es war bei weitem keine ausladende Tagung, aber einladend für viele erwies sich dann doch ihr Thema, das an nur einem Nachmittag Anfang März im fast übervollen Hermannstädter Forumssaal zur Debatte stand: "Die Zukunft der deutschen Zivilisation in Rumänien". Das Deutsche Forum, das seinen Sitz zur Verfügung gestellt hatte, war dabei nicht Veranstalter, sondern lediglich als Gastgeber und Gast zugleich war es herangezogen worden, einige seiner Vertreter zudem als Gastdozenten.
Offenbar ging es denn auch der bundesdeutschen FDP und der ihr nahe stehenden Naumann-Stiftung bei dieser Tagung nicht so sehr um die Zukunft der deutschen Minderheit, als vielmehr um die von ihr geschaffene Zivilisation. Den rumänischen Liberalen (PNL), als Co-Initiatoren der Veranstaltung, war das Problem ohnehin so naheliegend nicht. Seit dem Umbruch 1989 in Rumänien nämlich stellte die von Ionescu-Quintus bislang geleitete Partei zwar immer wieder in Koalition oder Kohabitation mit anderen "Brüdern" die Bukarester Regierung, jedoch eine minderheitennahe, geschweige denn liberale und zukunftsweisende Politik im angesprochenen Sinne hat es seither kaum gegeben.
Und auch Valeriu Stoica, der neue Chef der Partei, die von der Wählerschaft im letzten Herbst eindeutig in die Opposition gewiesen wurde, hat sich auf der Tagung für Gruppenrechte so eindeutig nicht ausgesprochen. Eher plädierte der Ex-Justizminister für individuelle Bürgerrechte, weil einklagbar vor den Gerichten, und machte sich dann noch stark für das „französische Modell“ und die Pariser Definition der Nation als einen freien Zusammenschluss von freien Bürgern - allerdings in einem ethnisch einheitlichen Milieu. Dennoch: In seinen Augen sind die gruppeneigenen Gesellschaftsstrukturen der Deutschen Rumäniens dann doch immer schon liberal gewesen, und zudem wünscht sich der PNL-Chef sein liberales Rumänien auch viel lieber auf ihre Art, das heißt: deutsch - also initiativ, arbeitsam und diszipliniert.
Das auf diese Weise eingegrenzte Spannungsfeld hätte durchaus für angespannte Debatten herhalten können, bloß eingegangen ist man darauf nicht, weil der PNL-Chef eben vorzeitig die Tagung verließ. Zurück blieben neben dem bitteren Nachgeschmack dennoch Ansatzpunkte zu Stellungnahmen und Schlußfolgerungen, die möglicherweise in ein Papier eingehen werden, das die Liberalen bereits im Vorfeld der Tagung und in Zusammenarbeit mit der Naumann-Stiftung, wie es hieß, vorbereitet hatten.
Es war dies übrigens das erste Treffen dieser Art, das die Stiftung in Rumänien veranstaltete. Obgleich bald nach dem Umbruch von 1989 hierzulande präsent, hat die bundesdeutsche Einrichtung für liberale Politik allerdings jetzt erst ihre erste Veranstaltungsreihe mit und über Minderheiten vor Ort gestartet. Bewusst habe sie dabei für den Anfang "Hermannstadt und die deutsche Minderheit gewählt", meinte Dr. Wolfgang John, Naumann-Vertreter von Rumänien bis Aserbaidshan, denn von einer deutschen Stiftung erwarte man, dass sie sich auch mit der deutschen Minderheit beschäftigt. Über die kommunalwirtschaftliche Gesetzgebung wolle man sich demnächst mit der ungarischen Minderheit in Rumänien auseinandersetzten, mit den Vertretern der Roma sollen Fragen des sozialen Bereichs zur Sprache kommen. Unterstützung erfährt die FDP-nahe Einrichtung hierfür nicht nur von den hiesigen Liberalen, sondern auch der Rumänische Verband für Freiheit und Demokratie (ARLD) und dessen Institut für Liberale Forschungen (ISL) unter der Leitung von Thomas Kleininger stehen bei diesen Treffen hilfreich zur Seite. Thomas Kleininger moderierte denn auch die Gesprächsrunde im Hermannstädter Forum.
Indes angeeckt mit dem Thema hat man zumindest bei den Forumsvertretern, stellte doch gleich eingangs der DFDR-Ehrenvorsitzende Paul Philippi die Frage und mithin seine Verwunderung in den Raum, ob es denn eine „Zukunft der deutschen Zivilisation in Rumänien“ ohne die deutsche Minderheit überhaupt gebe. Jedenfalls: Ohne sie hätte es eine Geschichte dieser „Zivilisation in Rumänien“ sicher nicht gegeben, und selbst die Gegenwart weise noch auf eine Zukunft dieser Ethnie hin. Philippi war gar der Ansicht, dass künftighin nicht nur eine, sondern gleich mehrere Nuancen einer deutschen Zivilisation in Rumänien auftreten könnten, weil es nun einmal die Siebenbürger Sachsen, Banater oder Sathmarer Schwaben neben anderen Gruppierungen deutscher Sprache auch jenseits der Karpaten noch gebe, die aus ihrer unterschiedlichen Vergangenheit heraus möglicherweise gewisse Unterschiede in Zukunft zusätzlich nuancieren könnten. Auf alle Fälle aber auf das "Recht auf ihre Entwicklung pochen sie alle und das nicht nur auf Grund liberaler Prinzipien".
Bloß die Parteien hierzulande, bedauerte der DFDR-Vorsitzende Wolfgang Wittstock, haben bislang der deutschen Minderheit kaum auf ähnliche Tour politische Angebot gemacht. Vielmehr musste die Minderheit aus eigenen Kräften um Rechte kämpfen, die ihr nach 1944 global versagt wurden. Enteignung und Deportation waren damals die ersten Folgen, denen dann der Massenexodus mit all seinen Folgeerscheinungen noch folgte. Rund 800 000 Deutsche zählte schließlich Großrumänien in der Zwischenkriegszeit, auf etwa ein Zehntel sei diese ohnehin immer schon kleine Minderheit mittlerweile geschrumpft. An eine Zukunft jedoch, obwohl immer wieder beschworen, denke man trotz alle dem global nur ungern. Eher punktuell werden Zeichen gesetzt und Richtlinien einer Schul- oder Wirtschaftspolitik von den Vertretern der Deutschen angedacht. "Aber so lange es diese Vertreter gibt, gibt es auch ein Interesse an dieser Minderheit", schlussfolgerte der bundesdeutsche Generalkonsul Harald Gehrig.
Die Liberalen haben das ja auch bestens genutzt, denn über einen Vertreter der deutschen Minderheit eroberten sie in Hermannstadt erstmals mit dem Architekten Hermann Fabini einen Sitz im rumänischen Senat nach den Wahlen im letzten Herbst und stellten jetzt mit ihm auch einen Referenten der Tagung. Einen Wahlsieg feierte auch Klaus Johannis im Vorjahr, und der Hermannstädter Bürgermeister stellte nun die rhetorische Frage: "Haben wir eine Geschichte, oder sind wir nur noch Geschichte?" Als Minderheitler wurde er ja mehrheitlich von der Mehrheitsbevölkerung gewählt und sieht sich daher auch mehr als Vertreter aller Bürger dieser Stadt. "Die Tatsache aber, dass es uns noch gibt, ist durchaus von Vorteil für Rumänien. Das sollten auch die Bukarester so wahrnehmen. Sicherlich geht es auch ohne uns, aber dann doch besser mit uns", weiß der Bürgermeister und relativierte damit das zuvor meist philosophisch und theoretisch wie kulturhistorisch beleuchtete Verhältnis zwischen Minderheit und Mehrheit, das freilich heute im Lande den zivilisatorischen Beitrag der Minderheit kaum widerspiegelt.
Geradezu spannend wurde es, als sich der bis dahin etwas zurückhaltende Moderator Thomas Kleininger schließlich an die Vertreter deutschen Jugend wandte, die allerdings im Saal leider nicht zahlreich vertreten waren, aber, wie es hieß, die Träger der deutschen Zivilisation in Rumänien künftighin sein sollen.
Es gibt sie, die Jugendlichen, meinte Benjámin Józsa, denn es gibt die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Jugendorganisationen in Rumänien (ADJ), deren neuer Landesvorsitzende er übrigens ist, und die eine eigene Publikation sowie viele Kulturgruppen u.a.m. vom Banat über Siebenbürgen und bis hin zum Altreich vorweisen kann. Und es gibt dann noch die ADJ-Absicht, die sich gegenüber dem "großen Forum" noch zu definieren hat. Möglicheweise so könnte eine ganz neue Nuance der künftigen „deutschen Zivilisation“ in Rumänien entstehen.
Oder auch nicht. Denn die von Kleininger angesprochene Atmosphäre innerhalb der ADJ, die jetzt schon mehrheitlich ihre Mitglieder aus der Merheitsbevölkerung - meist mit deutschem Schulabschluss - rekrutiert, dürfte ja mit darüber bestimmen, was unter den Jugendlichen nun einmal, wie Studien zeigen, landesweit bestimmend ist: Sie wollen fast mehrheitlich nach Schul- oder Hochschulabschluss das Land verlassen und jegliche Zivilisation - ob nun deutsch oder rumänisch - zurück- oder anderen überlassen.

Martin Ohnweiler

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