3. Juni 2003

Von Lichtoffenbarungen und vom Zustand der Welt

Am 3. Mai wurde im Rumänischen Kulturinstitut „Titu Maiorescu“ in Berlin die Malerei- und Graphik-Ausstellung der aus Hermannstadt stammenden Künstler Marianne Ambrosi-Simtion und Helmut von Arz eröffnet. Eine Gemeinschaftsveranstaltung des Instituts unter der Leitung der Direktorin Dr. Ruxandra Demetrescu und der Landesgruppe Berlin der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen unter der Leitung von Johann Schöpf, die das Publikum im überfüllten Vortrags- und Konzertsaal begrüßten. Die Einführung ins Werk der ausstellenden Künstler – beide leben in Berlin – hielt der Schriftsteller und Publizist Hans Bergel, München. Aus Bergels Redetext geben wir einige Passagen wieder.
Als Marianne Simtion, später Ambrosi-Simtion, 1955 die Bukarester Akademie der Bildenden Künste nach Abschluss des Studiums verließ, stand ein Charakteristikum ihrer Malerei fest, das sich durch die Jahrzehnte ihrer Entwicklungsphasen in ständig gewandelter Form erhielt: die starke Beziehung zur Farbe. Schon die frühesten Arbeiten verraten die Farbe als wesentliches Kompositionselement ihrer Arbeiten. Der Reifeprozess kann auf den Spuren des sich permanent ändernden Begreifens der Farbe und der immer größeren geistigen Freiheit in ihrer Handhabung verfolgt werden. Dieser Prozess auf den Spuren des Phänomens „Farbe“ führte durch Etappen der Irritationen, Unterbrechungen, Erschütterungen, wurde aber bis zu jenem Punkt durchgehalten, der heute das ganze Können dieser Malerin zeigt.
Der Durchbruch des Selbstbegreifens im Zeichen der Farbe erfolgte, als sie für sich das Aquarell entdeckte, diese auf Virtuosität angelegte Möglichkeit des Umgangs mit der Farbe. Es gibt Aquarelle der Marianne Ambrosi-Simtion, deren Verlorenheit an die Farbe atemberaubend ist. Sie erscheinen mir wie Lichtoffenbarungen, deren chromatische Akkorde und Valeurs ebenso Kraft wie Sensibilität, offensives Zugreifen wie verletzlichen Gestaltungsdrang zeigen.

Marianne Ambrosi-Simtion, Wasserfall, 100 x 75 cm, Aquarell.
Marianne Ambrosi-Simtion, Wasserfall, 100 x 75 cm, Aquarell.

Auch Helmut von Arz kommt von einer Kunstakademie Rumäniens. Nicht aus der Welt überbordender südlicher Farbenseligkeit, wie sie in Bukarest heimisch war, sondern aus dem nördlicheren Klausenburg, der Landschaft rationaler Kulturakzente. Arz schlug schon während des Studiums den Weg zur Buchillustration ein. Nun hat es mit dem Buchillustrator von Arz seine eigene Bewandtnis. Ich sehe sie darin, dass z.B. die Fechtszene aus den „Drei Musketieren“ von Dumas, die preußischen Offiziere aus „Irrungen – Wirrungen“ von Fontane, der spektakuläre Auftritt des „Barons Münchhausen“ auch ohne Textvorlage als selbstständige Kabinettstücke einer kultivierten und raffinierten Graphikkunst bestehen können. Diese gibt einen Interpretationsausblick frei, der den Text auf neue und unerwartete Weise verstehen lässt und ihn oft verselbstständigt.

Helmut von Arz: Don Quichote, Federzeichnung.
Helmut von Arz: Don Quichote, Federzeichnung.

Der exzellente Literaturkenner von Arz schuf auf diese Weise unvergessliche Bildwelten in Schwarzweiß. Als er mir 1987 Illustrationen zu meiner Novelle „Das Venusherz“ vorlegte, begriff ich meine Novelle neu. Das Gleiche widerfuhr mir beim Anblick seiner Illustrationen zu meinen Erzählungen „Die Rückkehr des Rees“, „Der weiße Elch“ etc. In jeder Zeichnung des Helmut von Arz wird ein Zustand der Welt suggeriert: immer mit genauem Strich, untrüglichem Blick für das Wesentliche in Bewegung oder Haltung, mit den diszipliniert verwendeten Mitteln einer reifen Kunst.

Hans Bergel


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 31. Mai 2003, Seite 11)

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