2. April 2001

Im ZDF: Drei Filme über Rumänien

Das ZDF hat mit seiner Redaktion ?Das kleine Fernsehspiel? gleich vier Filme zum Thema ?Osteuropa? geplant. Man kann wünschen, "dass mehr als eine Hand voll Zuschauer diese Dokumentationen sehen", empfiehlt die heutige Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung" die neue Reihe. Die Regisseure stammen selbst aus Osteuropa, was den Filmen eine Nähe zu den Personen und Regionen gibt, "wie das im Fernsehen nicht oft der Fall ist".
Sulina ist die letzte Stadt an der Donau, bevor sie ins Schwarze Meer fließt. Früher hieß sie angeblich Europolis und war ein lebhaftes Handelszentrum. Zehn Jahre nach dem Zerfall des Kommunismus ist die Gegend einer der Hinterhöfe Europas geworden; von den Häusern bröckelt der Putz, die Männer trinken viel. Man schlägt sich so durch. Es gibt kaum eine Perspektive für die Menschen.
Thomas Ciulei hat für Europolis - Leben in einer rumänischen Stadt, von der Außenwelt vergessen (2. April von 0.10 Uhr bis 1.40 Uhr) ein paar von ihnen ein knappes Jahr begleitet: den 15-jährigen Ionut, dessen Vater ein Säufer ist und der gelernt hat, selbst Geld zu verdienen. Nicu, den Fischer: Im Winter bricht er auf dem Weg zu seinen Netzen auf den zugefrorenen Kanälen ein; im Sommer quälen ihn die Bremsen. Es sind eigenwillige, teilweise skurrile Menschen. Ciulei nennt sie ?Darsteller?; vermutlich sind sie Darsteller ihres eigenen Lebens. Dennoch bedeutet dieses dokumentarische Inszenieren für die Porträtierten einen gewissen Schutz. Ausgesucht schöne Bilder sind so entstanden und eine fast surreale Stimmung. Die Einsamkeit im Delta mache die Menschen zu ?irgendwie wilderen Wesen?, heißt es am Ende.
Orientierungslosigkeit und Armut sind die großen Themen der Region. Darum geht es auch im zweiten Film der Reihe, Wie Bräute Christi (9. April, 0.10 Uhr), für den die Filmemacherin Julia Kancheva mehrere bulgarische Klöster besucht hat.
Gesichterwahn (23. April, 0.05 Uhr), ebenfalls von Thomas Ciulei, ist eine Begegnung mit einer Frau, die in Machtkämpfe innerhalb der Kommunistischen Partei Rumäniens verwickelt war und deshalb mehr als zehn Jahre unschuldig im Gefängnis saß.
Auf der Kippe von Andrei Schwartz schließlich (30. April, 0.05 Uhr) erzählt von den Menschen in ?Dallas?, einer Roma-Siedlung am Rande einer Müllkippe in der Nähe der nordsiebenbürgischen Stadt Klausenburg. Das Leben der Leute hier steht buchstäblich ?auf der Kippe?: Es ist gerade eben noch menschengemäß. Um diesen letzten wesentlichen Rest von Würde geht es.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung, 2. April 2001, Seite 23)

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