23. Juni 2003

Irmgard Sedler promovierte in Hermannstadt

Mit "summa cum laudae" hat die Prüfungskommission die Doktorarbeit "Die Landler in Siebenbürgen. Gruppenidentität im Spiegel der Kleidung" von Irmgard Sedler in einer offenen Feierstunde Ende Mai in Hermannstadt einhellig bewertet. Gratulationen empfing in der Aula Magna "Avram Iancu" der Lucian-Blaga-Universität gleich danach die Volkskundlerin zunächst vom Dekan der jungen Hermannstädter Fakultät für Geschichte und Kulturgut, Prof. Dr. Lucian Giura, aber auch der Doktorvater, Prof. Dr. Thomas Nägler, wurde in diesen Reigen von Lob und Anerkennung mit eingeschlossen.
Als erste Forscherin hat Dr. Irmgard Sedler dieses Thema in seiner Vielschichtigkeit behandelt. Über die bislang historisch bekannten Aspekte hinaus (rund 450 bibliografische Titel) untersuchte die Volkundlerin das Thema auf rund 300 Seiten interdisziplinär, das heißt ethnographisch, ethnologisch, soziologisch, kulturgeschichtlich und anthropologisch beleuchtete sie den Wandel des Kleidungsverhaltens bei den Landlern meist im Vergleich zu den Sachsen, aber auch zu den Rumänen, so die Einschätzungen von Referenten aus Klausenburg und Bukarest.

Hat allen Grund zur Freude: die frisch promovierte Volkskundlerin Irmgard Selder mit ihrem Doktorvater Thomas Nägler.
Hat allen Grund zur Freude: die frisch promovierte Volkskundlerin Irmgard Selder mit ihrem Doktorvater Thomas Nägler.

Diese durchaus "mutige und originelle wie erstmalige Betrachtung" (Corina Popa) der Problematik wurde wissenschaftlich in elf Kapitel gegliedert, weitere vier Kapitel bilden den Anhang zu dieser Arbeit über eine "Mikro-Minorität" im Umfeld des siebenbürgischen Vielvölkergemischs. Hundert Seiten Quellenanhang mit bis dato unbekannten Urkunden ergänzen die Arbeit. Nicht nur beschreibend, sondern auch vergleichend mit Kleidungsgewohnheiten anderer Ethnien rund um den Zibin hat die Volkskundlerin bereits seit den 80er Jahren über Beobachtungen und Umfragen in situ und danach als Kustodin beim Brukenthalmuseum wie bei jenem für bäuerliche Technik im Hermannstädter "Jungen Wald" den "Artefakt Kleidung" als "einen vielschichtigen Zeichenträger für kulturelle Identität" untersucht. So konnte Sedler auch bei den Landlern trotz deren Eingliederung letztendlich ins kirchliche und soziale Leben in der neuen Heimat eine Abgrenzung in dieser Identitätsetablierung ausmachen: Material, Stoffmenge, Farbe, dekorative Auszier oder gar die Art des Anlegens von Arbeits- wie Festkleidung werden zu wichtigen Elementen der Emblematik. Kleidung war bei dieser kleinen Volksgruppe seit der Transmigration aus dem Salzkammergut und bis in die neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts größtenteils ein Merkmal ihres kulturellen Selbstbewusstseins. Nur während der kommunistischen Diktatur verlor die Tracht vormals unter den Jugendlichen ihre ursprüngliche Wertschätzung.

Die Doktorarbeit rettet bildlich wie schriftlich das, was die kleine Volksgruppe von "Transmigranten", "Kryptoprotestanten" oder "Auswürflingen" in Großpold, Großau oder Neppendorf zugleich mit dem Exodus 1990 lieber vernichteten, als es, wie es im Vorwort der Abhandlung heißt, "anderen" zu überlassen. Sie ist eine Analyse siebenbürgischer Kleidergewohnheiten exemplarisch an der Landlertracht dargeboten.

Somit knüpft die Vorsitzende des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim und zugleich Leiterin der Museen in Kornwestheim folgerichtig an das, was sie nach Hochschulabschluss in Hermannstadt schwerpunktmäßig immer schon wissenschaftlich verfolgte: volkskundliche Aspekte im pluriethnischen Siebenbürgen. Hinzu kam nach ihrer Aussiedlung in die Bundesrepublik noch die Einrichtungen eines Landlermuseums im österreichischen Bad Goisern, das maßgeblich die Handschrift der 1951 im siebenbürgischen Alzen Geborenen trägt. Und seither war für Irmgard Sedler diese zeitlich wie räumlich überschaubare "Minderheit in der Minderheit" der mögliche Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Arbeit. Motiviert für die Dissertation zu diesem Thema hat sie erklärtermaßen Thomas Nägler. Ihm wie vielen Freunden und Bekannten, vor allem aber ihrem Gatten Werner dankte vor zahlreichem Publikum bei der Feierstunde in Hermannstadt Irmgard Sedler.

Martin Ohnweiler


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 10 vom 25. Juni 2003, Seite 13)

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