29. Juni 2003

Klangerlebnis von spiritueller Tiefe

Einen erfreulichen Aufschwung verzeichnet in den letzten Jahren die Forschung der historischen und zeitgenössischen Musikkultur der Deutschen aus Südosteuropa. Offenbar angeregt von diesem Phänomen und aus Anlass des 200. Geburtstages von Johann Lukas Hedwig erschien kürzlich eine CD mit dessen Oratorium „Der Allmacht Wunder“. Es handelt sich um einen Live-Mitschnitt eines Konzertes, das am 4. Dezember 2002 in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt stattfand.
Bereits der Titel des Werkes des in Heldsdorf bei Kronstadt geborenen Johann Lukas Hedwig (1802-1849) des Oratoriums für Soli, Chor und Orchester "Der Allmacht Wunder", könnte zu einer "wunder-samen" Rezeption und Deutung Anlass geben, die sich beim Anhören der Platte tatsächlich einstellt.



Wie jede Kunst, bietet auch die Musik ein Bild des Alls auf der Ebene der "kleinen Mysterien". Wird sie im Bewusstsein dieser Wahrheit ausgeübt, dann dient sie der Versenkung als Stütze. Die Freude, die sie nebenbei hervorruft, ist als Widerschein Göttlicher Glückseligkeit anzusehen. Innerhalb solcher Parameter gemeinsamer synchron-verbundener Ansinnen verzahnen sich die begeisterte oft akribische, von Handschriftenentzifferung ausgehende Computerdrucktätigkeit des Karlsruher Musikverlags Frieder Latzina, der hierfür das Notenmaterial lieferte, mit der nicht minder enthusiastisch-motivierten Heimatgemeinschaft Heldsdorf, die für die Finanzierung des Projektes aufkam, und sicher nicht zuletzt der Entschluss und die Bereitschaft des derzeitigen Organisten und Stadtkantors der Schwarzen Kirche, Hans Eckart Schlandt, das zwar unvollendete, jedoch repräsentativste Werk Johann Lukas Hedwigs anlässlich seines 200. Geburtstagsjubiläums aufzuführen.

Unter Mitwirkung des Kronstädter Astra-Chores (Leitung Ioan Oarcea), des Bach-Chores (Leitung H. E. Schlandt), der Gesangsolisten Teodora Gheorghiu (Sopran), Ingeborg Acker (Alt), Codrut Barsan (Tenor) und Stefan Schuller (Bass) sowie der Kronstädter Philharmonie, gelang es dem Dirigenten Eckart Schlandt, das achtteilige Werk innerhalb seiner melodischen Klangschönheit, seiner farbigen Orchestrierung und der reichhaltig kontrapunktisch durchgebildeten Chorsätze in meisterhaft-einfühlsamer, dynamisch-differenzierter Gesamtkonzeption überzeugend auszuloten.

In einer hervorragenden Besetzung des Vokal-Quartetts werden die vier Solisten den Solopartien der jeweiligen Arien und Recitativen in stimmlich ausgereifter, musikalisch einfühlsamer Interpretation vollauf gerecht. Lobenswert auch der runde geschmeidige, teils auch satte Orchesterklang sowie die saubere, ausgefeilte Chorarbeit und deren homogenes Zusammenwirken.

Einladend wirkt schon die äußerliche Aufmachung der CD durch ein stimmungsvolles Titelfoto, sinnvoll ergänzt durch ein eindrucksvolles Innenbild des größten Sakralbaus Rumäniens - der Schwarzen Kirche - mit ihrer ausstrahlenden Signalwirkung geistig-kulturellen Gemeinschaftslebens und ein aufschlussreiches zweisprachiges (deutsch- rumänisches) Begleitheft.

Der Kronstädter Komponist Rudolf Lassel ortete Hedwig im Rahmen der Musikgeschichte als "Sächsischen Haydn". Lassel schrieb: „Wenn wir von Lukas Hedwig Lebens nichts wüssten, gäbe uns dieses Oratorium den Schlüssel zur Gemüts-und Geisteshaltung des Verfassers: durch den tief religiösen Zug, die kindlich frohe Natur, die sich darin ausspricht.“

So gesehen dürfte auch die vorliegende CD zu einer komplexen, sensiblen Klangquelle intuitiv mystischer, ganzheitlich-umfassender Hördimension hinführen, die auch innerhalb von vier Wänden das Unhörbare hinter dem Hörbaren aufleuchten lässt. Die CD kann für umgerechnet ca. 3 Euro in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt erworben werden.

Peter Szaunig


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 31. Mai 2003, Seite 12)

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