29. Dezember 2003

Siebenbürgische Bräuche zwischen Weihnacht und Rosenmontag

Die zahlreichen siebenbürgischen Winterbräuche gipfeln im Weihnachtsfest und finden ihre Fortsetzung in der Neujahrsfeier, am Dreikönigstag und an einigen "großen" Namenstagen. Sie klingen in den Faschingsbräuchen oder den so genannten "Richttagen" aus, die am Aschermittwoch ihren Abschluss finden, bevor die Oster- und Frühlingsbräuche einen neuen Zyklus einleiten.
Von den Bräuchen zu Neujahr (Silvester) sind vielleicht ältere siebenbürgische Gepflogenheiten dem heutigen Leser weniger bekannt. So galt früher der "Neujahrsmorgen" als eigentlicher Tag der "Wünsche" und Geschenke. An Patenkinder wurden "Giorsker" ("Johrsker"), "Jährchen", aus Zuckerteig ausgeteilt. Der Pfarrer erhielt traditionsgemäß bei wohlgesetzter Rede das "weiße" oder "grüne Jahr" (Eier, Obst) geschenkt. Zum Neujahrsgeschenk der Schüler für den Lehrer gehörte der symbolische Apfel. Zu Verwandten und Paten ging man "wünschen". Aus Zwiebelschalen, Wintergrünblättern oder Bleiguss wurde in der Neujahrsnacht die Zukunft (Gesundheit, Wetter, Fruchtbarkeit) für das kommende Jahr "gelesen" und erforscht. Neujahrsglocken und Turmbläser um Mitternacht ("Hört, ihr Herrn, und lasst euch sagen...", "Nun danket alle Gott") geleiten auch in der Gegenwart stilvoll das alte in das neue Jahr. Der Weihnachtsbaum oder Tannenzweige schmücken die Wohnungen über Neujahr hinaus mindestens bis zum 6. Januar. Neuerdings werden auch Mistelzweige als Schmuck gebraucht.

"Zwölften" (zwölf Nächte) heißt die Zahl vom 25. Dezember bis 6. Januar. Sie gilt als unheimliche Zeit, weil in ihr die Geister Umzug halten, Spuk treiben und mit Opfern beschwichtigt werden müssen. Man tut gut daran, sich gewisser Speisen zu enthalten und einige Tätigkeiten zu unterlassen, während man sich für andere wiederum fördernde Wirkungen von dieser Zeit verspricht. Besonders aber hat sie wahrsagerische Bedeutung, und zwar so, dass jeder der 12 Tage für einen der kommenden 12 Monate vorbedeutend wird.

Epiphanias, das Erscheinungsfest am 6. Januar, galt ursprünglich als das Geburtsfest Christi (ehe dieses um die Mitte des 4. Jahrhunderts auf den 25. Dezember verlegt wurde) und wurde später zu seinem Tauffest. In Zusammenhang mit dem Stern, der die Weisen aus dem Morgenland führte, wird Epiphanias zum Fest der Dreikönige. Es bedeutet den wirklichen Beginn des neuen Jahres und heißt darum auch "Groß-" oder "Hochneujahr". In der Ostkirche ist der 6. Januar der Tag der "Wasserweihe" (bei den Rumänen: Boboteaza), an dem die feierliche Weihe und Segnung des Weihwassers, der Flüsse und Seen stattfindet. Die Dreikönige sind die Weisen aus dem Morgenlande (Matth. 2), die die Legende zu drei Königen gemacht hat: Caspar, Melchior und Balthasar. Ihre Gebeine wurden 1164 von Mailand nach Köln überführt. Sie gelten als Schutzheilige der Reisenden, Helfer gegen Unwetter und Krankheiten und auch als magisch begabt. Ihr Festtag, auch Berchtentag genannt (Perchta, eine im deutschen Volksglauben der Frau Holle nächst verwandte Figur), wird mit dem Dreikönigssingen gefeiert. Aus vielen Ortschaften in Siebenbürgen ist das Sternsingen bekannt. Am Heiligen Dreikönigsabend gehen drei Schulkinder (in Schäßburg früher Kinder aus dem evangelischen Waisenhaus), als "Könige" gekleidet, mit Kronen aus Pappe, einem beleuchteten Stern, Säbel, Zepter, Sammelbüchse etc., in die Häuser und singen mit Vorführung: "Wir kommen daher in Regen und Wind und suchen das neugeborene Kind." Sie werden mit Geldspenden belohnt. Eine Variante (Text und Melodie) aus dem Jahre 1903 zeichnete Gottlieb Brandsch in Hermannstadt auf (Deutsche Volkslieder aus Siebenbürgen. Aus dem Nachlass von Gottlieb Brandsch, herausgegeben von Walter Brandsch, Neue Reihe I, Seite 39-42). Anklänge hierzu findet man auch in der Erzählung das "Herodesspiel" von Erwin Wittstock in dem Prosaband "Abends Gäste".

Marientag (2. Februar). Der Name "Maria", der aus dem Hebräischen abgeleitet wird, ist trotz der mehr als 60 Erklärungsversuche nicht gesichert (volkstümlich = Meeresstern). Der Gottesmutter Maria kommt besondere Verehrung zu. Im heutigen Römischen Messbuch sind nicht weniger als 15 Marientage im Jahreslauf verzeichnet. Obgleich der Marienkult vorwiegend katholisch ist, hat sich eine gewisse Marienverehrung auch bei den Protestanten erhalten. In Siebenbürgen wird der "Marientag", ein sehr verbreiteter Namenstag, am 2. Februar gefeiert, mancherorts auch am 15. August (Mariä Himmelfahrt) oder am 8. September ("Mariä Geburt, fliegen die Schwalben fort"). Beziehungen zur siebenbürgischen Geschichte hat vielleicht noch "Mariä Namen" am 12. September, der als Erinnerung an den Sieg über die Türken bei Wien 1683 in diesem Sinne erhalten blieb.

Maria als Himmelskönigin und Patronin der Christenheit, als Helferin in aller Not ist in der Kunst die mit Abstand am meisten dargestellte Heilige: Altarbilder, Ikonen, Gebete, Gedichte, Lieder, Standbilder (Plastiken), Pestsäulen u. a. gehören zum wichtigen Bestand der siebenbürgischen Kunstgeschichte. In Siebenbürgen wird z. B. "Maria durch den Dornwald ging..." als Weihnachtslied gesungen. Mancherorts ist noch das alte Schifferlied bekannt: "Meerstern ich dich grüße, / O Maria, hilf', / Gottesmutter süße, / O Maria, hilf! / Maria, hilf uns allen / Aus dieser schweren Not."

Das größte dörfliche Kinderfest des Jahres war in Siebenbürgen der "Blasi" (St. Blasiusabend, 3. Februar), eine Feier der Schuljugend. A. Schullerus vergleicht ihn, was seine Bedeutung betrifft, mit dem Weihnachtsabend des Stadtkindes. Die Vorbereitung beginnt damit, dass der Lehrer am bestimmten Tag auf der Schultafel einen Fuchs oder ein Pferd gezeichnet findet mit der Überschrift "Blasius Fuchs". Der Klassenerste steht hinter der Türe, verbrennt in einem Topf Schafwolle und "bittet um den Blasi". Nach eingeholter Einwilligung des Pfarrers geht die Schuljugend in Gruppen geteilt "ansingen" - am Vortag die Mädchen, am eigentlichen Festtag die Jungen - und sammeln Lebensmittel und Geld. Der Blasispruch lautet:
"Matter, gäf Batter, gäf Schmalz,
Dad äs gad än Halz.
Wo er näst wällt gin,
Si frieß ich der Fuß de Hin."
Auch erbitten sie "Achen, Kokachen, e Stämpche Lächt", so wie auch in Luxemburg die Kinder am Abend vor Mariä Lichtmess mit den Bliesjen (Blasius-Lichtchen) ansingen gehen und Gaben sammeln. Aus dem eingesammelten Geld wird der Kettenschmuck für das Schulzimmer und der Wein für die "Adjuvanten" bezahlt, die am ersten Tag die Tanzmusik spielen. Die gesammelten Lebensmittel werden von den "Kirchenmüttern" zum "gefüllten Kraut" und zur "Kächen" zubereitet. Gemeinsam gesungene Lieder, Spiele und Tanz gehören zum Programm des Blasi (A. Schullerus).

Der Übergang zum Frühling wird von den Faschings- oder Karnevalsbräuchen, in Siebenbürgen der "Fuesnicht", den so genannten "Richttagen", dem "Urzellaufen" und den Maskenbällen bestimmt. Dieses tolle Treiben findet am Rosenmontag und Aschermittwoch seinen Höhepunkt und Abschluss. "Rosenmontag" ist etymologisch als "rasender, wilder, toller" Montag zu deuten (siehe auch das Wort "rosendich"); das Bestimmungswort lässt nur bedingt auf die "Rosen" schließen.

Walter Roth

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