31. Mai 2001

Ausstellung Kaspar Teutsch in München

Er ist siebzig, der Grafiker Kaspar Teutsch – für ihn Anlass zu Sammlung und Rückblick. Dar „Pasinger Kunstladen“ im Münchner Westen bot sich dazu als gastlicher Ausstellungsort an. Dort gab der Künstler in diesem Mai Auskunft über die letzten drei Jahrzehnte seines Schaffens – facettenreich und doch in sich geschlossen: Werk eines Grafikers, der sich sogar in den (wenigen) Gemälden, die er vorzuzeigen hatte, als solcher nicht verleugnen kann, denn hinter jeder seiner Farbflächen in Öl oder Mischtechnik ist die Hand zu erkennen, in die Stift und Griffel geradezu eingewachsen sind.
Grafik, auch in ihren lockersten Spielarten, setzt solides handwerkliches Können voraus. Darüber verfügt der gebürtige Kronstädter allerdings, ähnlich wie seine Künstlerkollegen im siebenbürgischen Herkunftsland immer schon darüber verfügt haben, ein Hans Hermann etwa, ein Harald Meschendörfer oder Helfried Weiß. Man musste sich dort, im Lande pragmatischen Kolonistendenkens, von jeher und wie es Goethe es gefordert hat, zuerst mal dem „redlichen Bemühen“ unterwerfen, „mit Geist und Fleiß“ sich „binden“ und „zusammenraffen“, ehe man aus der „Beschränkung“ vorstieß in die Bereiche entgrenzten Gestaltens, denn, so hatte man verinnerlicht, „das Gesetz nur kann uns Freiheit geben“.
Sein Handwerk hat sich Kaspar Teutsch bis 1963 an der Klausenburger Kunstakademie angeeignet und sich danach in Kronstadt als Grafiker etabliert, bis er 1980 nach Deutschland ausreiste und sich in der bayerischen Landeshauptstadt niederließ. Das gründliche Rüstzeug, das er mitbrachte, nachte ihn zum erfolgreichen Lehrer für Grafik-Desing zunächst an der Berufsschule für Druck, Grafik und Fotografie (1981-1982) und danach an der Deutschen Meisterschule für Mode in der Kunststadt München (1982-1994). Vor seiner Ausreise hatte er eigene Arbeiten bereits an unterschiedlichen rumänischen Ausstellungsorten, auch in London, Wroclaw, Barcelona, Moskau und Berlin gezeigt, danach waren Bilder von ihm wiederholt in Ausstellungen in Bayern und auch in Straßburg zu sehen. Mehrere Großaufträge brachten ihm Anerkennung ein: Wandbilder im ehemaligen Münchner Flughafen Riem und im Verwaltungsgebäude der Digital-Equipement in Johanneskirchen sowie die Fassadengestaltung an dem ebenfalls von einem Kronstädter, dem Bauingenieur Hans Gustav Zink, errichteten „Wappenhaus“ in Münchens Nymphenburger Straße. Übrigens: Gerade auch hier, am Schmuck des „Wappenhauses“, ist im Hintergrund der Grafiker Kaspar Teutsch gut zu erkennen.
Nun haben er und die Freunde seiner Kunst Rückschau gehalten im „Pasinger Kunstladen“. Zu sehen waren dabei Arbeiten aus den letzten drei Jahrzehnten, solche, die noch in Rumänien entstanden waren, und solche, die nach der Ausreise entstanden sind. Ihnen, besonders denen aus den achtziger Jahren, ist anzusehen, dass es in der scheinbar so „glatten“ Biographie des Künstlers nicht ohne Niederungen abgegangen ist. Trotz der Anerkennung im Herkunftsland und trotz der offenbar problemlosen Integration ins hiesige Berufsleben und in den Münchner Kunstbetrieb muss es in dem Laben des Kaspar Teutsch gewichtige Traumata gegeben haben, denn seine Arbeiten sprechen davon. Wiederholt tauchen in ihnen Chaos und Bedrohung auf, mit denen der Künstler gestalterisch fertig werden muss, die er zu überwinden sucht, indem er sie ins Bild bannt, in logische Strukturen zwingt.
Geradezu exemplarisch treten diesbezüglich einige seiner Blätter aus den achtziger Jahren hervor, auch Bleistiftzeichnungen, vor allem aber Radierungen wie die „Hechtfrau“ (1987), wo die bedrohliche Kreatürlichkeit des Raubfisches in verwesendem Zerfall sich paart mit dem verhangenen Blick aus einem Frauenprofil, oder in „Nocturno“, einer Radierung (1982) mit groteskem Ineinander von Fragmenten zivilisatorischer und pflanzliche Provenienz. Immer wieder aber will Teutsch dem Monströsen entrinnen, indem er ihm Logik und Struktur zuordnet. Beispielhaft macht das ein Blatt aus dem Jahre 1987 deutlich, „Ursprung“ betitelt: Über einer Wirrnis und Wust aus ruinösen Steinbrocken hängt frei vor durchsichtig geometrischem Hintergrund die klare und eindeutige Urform – das Ei des Anfangs.
Hier setzt aus dem Chaos der Niederungen der Freiheitsgewinn an. Er führt über das witzige Experimentieren mit der Perspektive in „Zu vermieten“ oder „Blickfang“ zur luftigen Leichtigkeit mehrerer Siebdrucke und schließlich zu der faszinierenden Dreierreihe von „Kompositionen“, die heiter und geistreich mit der Spiegelung spielen, sie vortäuschen, ohne wirklich Spiegelungen zu sein.
Auch hier aber verlässt Teutsch nie das Gegenständliche ganz, nie verliert er sich im unverbindlich Abstrakten: seine Freiheit ist eine des konkreten Seins, der ersehenen und erlebten Wirklichkeit, eine der Mimesis. Wie sonst hätte er auch die Niederungen künstlerisch bewältigen und überleben können, denen er ausgesetzt gewesen ist sowohl im totalitären Gesellschaftssystem seiner Herkunftslandes einst als auch hierzulande nach seiner Ankunft mit all ihrer Unsicherheit des Neubeginns? Die Zwänge dort und die Unwägbarkeiten hier waren solche der realen Erfahrungswelt, ihre Konkretion im ästhetischen Vollzug ist es offenbar, die eher schützt und eher befreit als die abstrahierende Loslösung von jeder Dinglichkeit. Kaspar Teutsch ist den Weg der bildhaften Nennung seiner in schwieriger Zeit entstandenen Erlebniswelt gegangen. Das aber verleiht seinen Arbeiten, über jede Selbstrettung des Künstlers hinaus, vor allem die Fähigkeit zur Kommunikation mit dem Betrachter. Und dessen Gewinn dabei ist mit Sicherheit der größere.

Hannes Schuster

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