31. Mai 2000

Siebenbürgen auf der Weltausstellung

Rumänische EDV-Spezialisten sollen nicht über die Green Card, sondern in so genannten Technologiezentren und –parks in Rumänien für deutsche Hightech-Unternehmen tätig werden. Solche Zentren will der Integrierte Beratungsdienst für die Wirtschaft in Rumänien (IBD) u.a. in Temeswar, Klausenburg, Jassy und Bukarest schaffen, deutsche Unternehmen könnten sich dort ansiedeln. In einem Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung geht IBD-Koordinator Wolfgang Limbert auf die Projekte ein, die Rumänien helfen sollen, auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen. Auch der Auftritt des Reformlandes auf der Weltausstellung in Hannover wird unterstützt.
Bei der Weltausstellung, die von 1. Juni bis 31. Oktober in Hannover zu sehen ist, wird Hermannstadt und das vielseitige kulturelle Erbe Siebenbürgens eine herausragende Rolle im Pavillon Rumäniens spielen. Deutscherseits koordiniert der Integrierte Beratungsdienst für die Wirtschaft in Rumänien (IBD) die Vorbereitungen und den Auftritt Rumäniens bei der Expo 2000. Auf die vielseitigen Aktivitäten des IBD-Projektes, das südosteuropäische Reformland im europäischen Wettbewerb fit zu machen, ging Diplom-Kaufmann Wolfgang Limbert in einem Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung ein.

Die Weltausstellung, bei der die Organisatoren stolze 40 Millionen Besucher erwarten, ist mit 190 internationalen Organisationen und Ländern die größte und bedeutendste Weltausstellung, die es je gegeben hat. Das Gesamtthema „Mensch-Natur-Technik“ knüpft an die in Rio de Janeiro verabschiedete Agenda 21 an, im Sinne einer nachhaltigen, lebenswerten Gestaltung der Erde. Deshalb stehen im Mittelpunkt der Präsentation nicht neue Produkte, sondern eher der kulturelle Beitrag zur nachhaltigen Gestaltung des neuen Jahrtausends. Dem Dachthema der Expo 2000 entsprechend hat Rumänien seinen Auftritt in Hannover unter das Motto "Rumänien - eine europäische Rhapsodie" gestellt. Wie in einer Rhapsodie wurde das Land von verschiedenen europäischen Kulturen geprägt. Die Präsentation Rumäniens beinhaltet verschiedene Einzelbereiche, z.B. „Hermannstadt (Sibiu) – Lokale Agenda 21 – Bewahrung des kulturellen und wirtschaftlichen Erbes“. Es sei erfreulich, dass Hermannstadt zusätzlich in den Bereich der „Weltweiten Projekte“ der Expo 2000 aufgenommen wurde, ebenso wie das Thema „Donaudelta – Projekt zur Erhaltung der Artenvielfalt“. Zudem präsentiert sich Rumänien mit dem Bereich Tourismus, auch im Sinne von Individualtourismus und vor allem unter dem Gesichtspunkt Natur und Kultur, und seinem umfangreichsten städtebaulichen Entwicklungsprojekt „Bukarest 2000“.
Der IBD hat die Vorbereitungen Rumäniens zur Weltausstellung von Anfang an betreut und konnte vor zwei Jahren in Sorin Fodoreanu, dem ehemaligen Präsidenten der Rumänischen Entwicklungsagentur (ARD), einen geeigneten rumänischen Generalkommissar finden. Ein Gremium, in dem 22 Institutionen vertreten waren, darunter das Kulturministerium durch ihre rührige Staatssekretärin Maria Berza, hat das vielseitige Programm für die Expo auf die Beine gestellt. Durch multimediale und folkloristische Darstellungen, Konzerte, Filme, Luftbildaufnahmen, eine von Hermann Fabini erarbeitete Broschüre und vieles mehr soll diese einmalige Chance genutzt werden, um das Land weltweit vorzustellen. Die Abteilung Events der Weltausstellung ist noch gerade dabei, die einzelnen Programmpunkte der rumänischen Präsentation festzulegen. Fest steht allerdings schon der Rumänien-Tag vom 8. September, bei dem auch Staatspräsident Emil Constantinescu erwartet wird. Am Vorabend, dem 7. September, wird die eigens für die Expo komponierte "Europäische Rhapsodie" uraufgeführt.
Seitens des IBD/GTZ werden auf der Expo 2000 auch die Weinregionen und -straßen Rumäniens vorgestellt, und zwar vom 10.-16. Juli die Dobrudscha, vom 14.-20. August die Moldau, und vom 24.-31. Oktober Siebenbürgen und das Banat. Pünktlich zu diesen Veranstaltungen soll auch ein Handbuch erscheinen, das der IBD in Zusammenarbeit mit der rumänischen Agentur für Tourismus herausgibt. Das Handbuch für Individualtourismus und Weinliebhaber beschreibt die Weinstraßen und sieben Weinregionen Rumäniens, bietet Reisetipps und Hinweise auf kulinarische Spezialitäten und Übernachtungsmöglichkeiten, vor allem in siebenbürgischen Kirchenburgen und Gästehäuser. Damit will der IBD den Individualtourismus in dieser Region fördern. Dem gleichen Ziel dient auch die Arbeit des IBD in Hermannstadt, die Ende letzten Jahres begonnen wurde. Ein Tourismusverband und eine Informationsstelle werden dort unter Mitarbeit der verschiedensten Stellen der Stadt, des Kreises, der Hotels, Restaurants, Reisebüros u.a. aufgebaut, um den Bekanntheitsgrad von Hermannstadt zu erhöhen und mehr Touristen zu erschließen. Die von Kulturminister Ion Caramitru initiierte Präsentation von Hermannstadt in London ist nach Ansicht Limberts "eine einmalige Aktivität, die das internationale Interesse an Siebenbürgen weiter verstärkt hat". Es sei „phantastisch“, einen Multiplikator wie Prinz Charles für einen sachkundigen Vortrag über Siebenbürgen zu gewinnen.
In diesem Jahr hat das IBD-Projekt auch viele andere Aktivitäten zur Verbesserung des Bekanntheitsgrades von Rumänien durchgeführt. Eine große Veranstaltung mit 180 Teilnehmern fand am 22. März während der Industrie Hannover Messer statt. Unternehmen wie Liesl Dräxmeier, Continental, Kathrein, ABB berichteten über Erfahrungen im Rumäniengeschäft.
Dem Schwerpunkt Software widmet sich der IBD erst seit vorigem Jahr. So konnte in diesem Frühjahr erstmals die Beteiligung rumänischer Unternehmen an der CEBIT in Hannover gefördert werden. Dort hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder bekanntlich auch das Thema Greencard, das heißt Software-Experten aus dem Ausland nach Deutschland bringen, lanciert. Eine „bessere Strategie“ verfolge der IBD indes in Rumänien, so Limbert. Mitte Mai habe man in Zusammenarbeit mit dem rumänischen Honorarkonsul in Baden-Württemberg, Dr. Sauer, Fachtagungen an den Universitäten Temeswar und Klausenburg gehalten. Acht deutsche Softwareunternehmen hätten sich dort vor 100 rumänischen EDV-Spezialisten präsentiert. Ein Teil der Firmen sei schon in Hermannstadt und Klausenburg tätig, alle übrigen wollten sich demnächst in Rumänien engagieren und von dort aus Software nach Deutschland zuliefern. Der IBD will so genannte Technologiezentren und –parks z.B. in Temeswar, Klausenburg, Jassy und Bukarest schaffen, in denen sich Hightech-Unternehmen ansiedeln. Auch mit Hermannstadt und Kronstadt wolle man Kontakt aufnehmen. Im Software-Bereich komme das menschliche Potential in Rumänien zur Geltung, ebenso die gute naturwissenschaftliche Ausbildung, das große Interesse junger Leute an Computer und die Sprachbegabung der Rumänen. „Dieses Potential wollen wir bekannt machen, und da sehen wir gute Chancen für eine Partnerschaft zwischen Deutschland und Rumänien.“
Als wichtige Wirtschaftsdelegationsreise organisiert der IBD vom 11.-17. September die bereits traditionelle Weinreise durch Rumänien, die in Hermannstadt endet, wo vom 8.-16. September die bayerische Kulturwoche stattfindet. In deren Rahmen organisiert der IBD ein Wirtschaftssymposion am 14. September (Schwerpunkt Finanzierungsmöglichkeiten) und am 15. September eine Tagung zum Thema Kultur und Tourismus, wobei auch die Tourismus-Abteilung der Stadt Landshut eingeladen wurde, um vielleicht auf diesem Weg eine engere Verbindung zwischen Landshut und Hermannstadt zu erreichen.
In der ersten Juniwoche wird eine hochrangige Regierungsdelegation des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Hermannstadt und Bukarest bereisen. Mit der rumänischen Regierung sollen zukünftige Projekte und Schwerpunkte der deutschen Wirtschaftshilfe und Aktivitäten im Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa erörtert werden. Das IBD-Projekt, das vom BMZ finanziert wird, soll zwar Ende dieses Jahres enden, aber nach Vorstellung des BMZ in einem anderen Wirtschaftsförderungsprojekt fortgesetzt werden. Einige Schwerpunkte werden jetzt schon ins Auge gefasst. So soll die Messe- und Exportförderung fortgesetzt werden, um Rumänien auf dem Wege in die EU zu unterstützen und die Wettbewerbsfähigkeit der rumänischen Wirtschaft zu verbessern. Da gebe es noch sehr viel zu tun und deshalb setze die Arbeit auf Mikroebene an, betont Limbert. Vor allem die Sektoren, die erst 1999 in das Projekt aufgenommen wurden, sollen fortgesetzt werden: Softwareindustrie und Informationstechnologie, aber auch Tourismus, Textil- und Bekleidungsindustrie. In dieser Branche sei Rumänien erfreulicherweise im vorigen Jahr zum größten Exporteur Osteuropas in Richtung EU und Deutschland aufgerückt, wenngleich es sich zu 90 Prozent um Lohnkonfektion handele. Es gelte jetzt, das Design und Vollkonfektionen in Rumänien auszubauen und die gute Position im europäischen Vergleich zu sichern. Der Schwerpunkt Weinsektor habe sich auch sehr positiv entwickelt, eine Weinbruderschaft sei kürzlich in Bukarest gegründet worden. Der Weinsektor sei „ein wichtiger Träger der kulturellen und touristischen Botschaft über Rumänien in die Welt“.
Ein weiterer Schwerpunkt seien die PPP-Programme, die der IBD in Zusammenarbeit mit Steilmann und Pfaff durchgeführt, um die Produktivität der rumänischen Bekleidungsindustrie zu steigern. Diese gemeinsame Projekte zwischen dem BMZ und der deutschen Wirtschaft seien von entwicklungspolitischem Interesse. Mit der Firma Kathrein aus Rosenheim wolle man in Zukunft eine Ausbildung für Hochfrequenztechniker in Temeswar anbieten. 26 Millionen DM stehen für solche öffentlich-private Partnerschaften weltweit zur Verfügung, und Limbert hofft, dass deutsche Unternehmen schnell genug sein werden, diese Mittel mit Blick auf Rumänien zu nutzen.
Die Branchen, in denen sich der IBD engagiert, werden sorgfältig nach der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ausgewählt. Aufgrund der geringen Lohnkosten habe Rumänien gute Chancen in der Leichtindustrie und in anderen personalintensiven Branchen, erläutert der deutsche Wirtschaftsexperte. Da aber die Produktivität entscheidendes Kriterium sei, sei die Beratungstätigkeit des IBD darauf ausgerichtet, die Produktivität zu steigern und die Entwicklung des Sektors langfristig abzusichern.
Das Volumen ausländischer Investitionen in Rumänien ist in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen. Diese Entwicklung führt Limbert auf den strikten Sparhaushalt des Landes zurück, der zum Teil unter dem Druck des IWF und der Weltbank stehe. Die Regierung mache es sich aber zu leicht, wenn sie jetzt keine oder nur sehr wenige steuerliche oder Zollvergünstigungen gewähre. Während andere Beitrittskandidaten bei einer großen Wirtschaftstagung am 12. Juni in Nürnberg offen mit „Incentives“ für ihr Land geworben hätten, zeigte sich Rumänien „zugeknöpft“ in diesem Bereich. Das sei eine Wettbewerbsbenachteiligung im osteuropäischen Vergleich, betonte Limbert. In einer Umfrage des IBD, bei der im Mai 1999 hundert deutsche Unternehmen befragt worden waren, wurde auch die ständig wechselnde Gesetzgebung kritisiert. Strukturelle, gesetzgeberische Fehler hätten dazu geführt, dass deutsche Unternehmen nur etwa 500 Millionen US-Dollar in zehn Jahren in Rumänien investiert hätten, während sie sich allein im Vorjahr mit 12 Milliarden DM in Polen engagierten. Die Studie des IBD enthielt zudem eine Liste von Kriterien, die relevant sind für Investoren. Rumänien habe ein „ungeheures Potential, das wir alle fördern wollen, hier kommt es letztendlich auf die Regierung, die Gesetzgebung und Parteien an, sich dem internationalen Wettbewerb zu stellen“, so der deutsche Wirtschaftsexperte.
Einen möglichen Regierungswechsel, wie er in Meinungsumfragen für kommenden Herbst prognostiziert wird, sieht Limbert differenziert. Die derzeitige Stimmung sei eine Folge der verschlechterten Einkommen bei der Bevölkerung in den letzten Jahren, was wiederum auf die nichterfolgten Reformen Anfang der neunziger Jahre zurückzuführen sei. Anderseits sei das beste Investorengesetz 1994 erlassen worden, das zu dem bislang höchsten Investitionsvolumen geführt habe. Iliescu habe auch die ersten Weichen zu einer europäischen Integration gestellt. Die Machtübernahme durch die Iliescu-Partei könnte allerdings die in den letzten zwei Jahren erfolgreich durchgeführte Privatisierung unter FPS-Chef Radu Sarbu in Frage stellen, befürchtet Limbert.

Siegbert Bruss



Weitere Informationen: Integrierter Beratungsdienst für die Wirtschaft in Rumänien (IBD), IBD-Koordinator Wolfgang Limbert, Blvd. Expozitie nr. 4, Etajul 4, Sector 1, RO-78334 Bukarest, Telefon: (00 40) 1-2 24 37 53, 2 24 17 52, 2 24 17 53, Fax: (00 40) 1-2 24 32 73.
IBD, c/o Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), Herrn Georg Cristodorescu, Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5, 65760 Eschborn, Telefon: (0 61 96) 79 34 99, Fax: (0 61 96) 79 74 26 oder 79 74 10.

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