24. Januar 2004

Sächsische Predigt in Michelsberg

Wurde im 18. Jahrhundert in Siebenbürgen eine Predigt ausnahmsweise hochdeutsch gehalten, galt das als eine so große Sensation, dass sie von Chronisten verzeichnet wurde. Heute ist es umgekehrt. Wird eine Predigt in sächsischer Mundart gehalten, berichtet die Presse darüber. Zum Dualismus zwischen deutscher Hochsprache und siebenbürgisch-sächsischer Mundart kommentiert der Historiker Dr. Michael Kroner.
Bekanntlich wurde in Siebenbürgen durch die Reformation die lateinische Sprache im Gottesdienst durch die Muttersprache ersetzt, eine Reihe von liturgischen Bräuche aus vorreformatorischer Zeit erhielten sich jedoch bis ins 18. Jahrhundert. Es bildete sich dabei folgender Sprachdualismus heraus: Während die Gemeinde aus hochdeutschen Gesangbüchern hochdeutsch sang, wurden die sonstigen Handlungen – Gebete, Schriftlesung, Glaubensbekenntnis, Kollekte, vor allem aber die Predigt – in siebenbürgisch-sächsischer Mundart vollzogen.

So bezeugt beispielsweise Johannes Tröster in seiner Chronik „Das Alte und Neue Teutsche Dacia. Neue Beschreibung des Landes Siebenbürgen“ (Nürnberg, 1666): „Es wird aber wie gesagt, in den Kirchen und Leichenbegängnissen alles Hoch-Teutsch musiziert und dann in der Lantsprach gepredigt“. Auch der Unterricht erfolgte, soweit er nicht lateinisch erteilt wurde, in sächsischer Mundart unter Benutzung hochdeutscher Lehrbücher. Dabei blieb es bis 1848, als Bischof Paul Binder durch ein Umlaufschreiben für den Schulunterricht und den Gottesdienst die hochdeutsche Sprache empfahl.

Wurde im 18. Jahrhundert eine Predigt ausnahmsweise hochdeutsch gehalten, galt das als eine so große Sensation, dass sie von Chronisten verzeichnet wurde, so beispielsweise 1754 in Kronstadt anlässlich der Geburt des Prinzen Ferdinand, als „wider alle Gewohnheit“, wie der Chronist Joseph Teutsch schreibt, vom Rektor des Gymnasiums eine Predigt in hochdeutscher Sprache gehalten wurde. Das sicherlich in Anbetracht der Tatsache, dass auch Angehörige des österreichischen Militärs (so genannte „Muoser") am Dankgottesdienst teilnahmen. Es sind noch einige weitere derartige Fälle vermerkt. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in den Städten vermehrt hochdeutsche Predigten gehalten.

Heute ist es umgekehrt. Wird eine Predigt in sächsischer Mundart gehalten, so wird es von den Chronisten unserer Zeit, der Presse, festgehalten. So in der Karpatenrundschau vom 29. November 2003 unter dem Titel „En kruneresch vurpradich“. Diese „Vorpredigt“ ist in der genannten Wochenschrift auch abgedruckt. Einleitend heißt es dazu: „Am 2. November 2003 feierte die Michelsberger Gemeinde den Gottesdienst in siebenbürgisch-sächsischer Sprache. Der Wunsch, dies zu tun, war in der Gemeinde aufgekommen und vom Ortspfarrer gutgeheißen worden. Als Liturg und Prediger hatte die Gemeinde Prof. Dr. Paul Philippi eingeladen. Vom Kollektengebet an wurden alle gesprochenen Teile des Gottesdienstes siebenbürgisch-sächsisch gehalten“.

In der abgedruckten Vorpredigt weist Prof. Philippi darauf hin, dass wie oben gezeigt, bis etwa vor 150 Jahren nur sächsisch gepredigt wurde, und er meint, „et kent durchous sannvol seny, wu´mer det Wurt Gottes uch aldjemol wedder af saksesch ouslejen“. Ob dazu ein Bedürfnis besteht, bleibt dahingestellt. Tatsache ist jedenfalls, dass in den Städten, insonderheit von den Intellektuellen, kaum noch sächsisch gesprochen wird. Damit im Zusammenhang erinnere ich mich an einen Vorfall in meiner Heimatgemeinde Weißkirch in den 50er Jahren, als Pfarrer Hans Wagner aus Schäßburg die verwaiste Pfarrstelle der Gemeinde betreute und beim ersten von ihm gehaltenen Gottesdienst das Vaterunser in sächsischer Mundart betete. Der Gemeinde schien das so komisch, dass sie sich nach dem anfangs unterdrückten Lachen plötzlich nicht mehr zurückhalten konnte und in ein lautes Gelächter herausplatzte.

Die von Bischof Paul Binder im Jahr 1848 getroffene Maßnahme war sicherlich sinnvoll, denn auf den Dörfern, wo durchwegs sächsisch gesprochen wurde, war es wichtig, dass die Gemeinde zumindest im sonntäglichen Gottesdienst das Hochdeutsche im Gesang gebrauchte und durch Gebet und Predigt zu hören bekam. Die Sachsen sind auf diese Weise nicht, wie Bischof Viktor Glondys in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts schrieb, „verholländert oder verschweizert“, sondern haben sich bewusst der deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft angeschlossen und dazu bekannt. Im 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts gab es nämlich Überlegungen, das Siebenbürgisch-Sächsische, von dem man annahm, es stamme von germanischen Daken, Goten oder Geten, zu einer von dem Hochdeutschen selbständigen Mutter- und Schriftsprache zu erheben. Dazu ist es, Gott sei dank, nicht gekommen.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich ein neuer Sprachdualismus – das Sächsische als Familien- und Verkehrssprache, das Hochdeutsche als Bildungs-, Gottesdienst- und Schriftsprache, so dass Bischof Friedrich Teutsch für seine Generation von „zwei Muttersprachen“ sprach. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieser Sprachdualismus immer mehr zugunsten des Hochdeutsch aufgegeben, obwohl es kaum jemanden gegeben haben dürfte, der das sächsische Idiom nicht verstand und noch versteht. Dieser Prozess hat sich nach der Wende von 1989 verstärkt. In der Bundesrepublik spricht auch nur ein Teil der älteren sächsischen Generation noch sächsisch. Die Kulturgruppen der Landsmannschaft und Heimatortsgemeinschaften bemühen sich jedoch um die Pflege der siebenbürgisch-sächsischen Mundart. Aufführungen von Mundartstücken erfreuen sich eines großen Zuspruchs.

Michael Kroner


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