21. März 2004

Übertünchter Kunstschatz in Mediasch

Wertvolle Fresken des siebenbürgischen Malers Hans Hermann in der Aula des Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums in Mediasch wurden nach einer Spendeninitiative des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums Leverkusen wieder freigelegt.
"Wer suchet, der findet. Und manchmal findet auch der, der etwas anderes sucht. Wie die Schülergruppe des Leistungskurses Geschichte am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Leverkusen. Sie entdeckten im Rahmen des Projektes 'Schule in Europa - Europa in der Schule' Hinweise auf Fresken, von deren Existenz nur noch wenige etwas wussten." So beginnt Ingeborg Schwencke-Runkel ihren Bericht im Kölner Stadtanzeiger vom 28. Juni 2002, der mit einem Spendenaufruf zwecks Freilegung dieses Kunstwerkes endet. Während der Dokumentationsarbeit in den rumänischen Archiven, die als Grundlage einer Monographie zur Entwicklung des Mediascher Gymnasiums diente, entdeckten die Leverkusener Schüler Skizzen und schriftliche Hinweise auf verloren gegangene Fresken, die im Jahre 1912 die Hauptwand der Aula des neu erbauten "Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums" schmückten. Die Fresken wurden vom bekannten Maler und Zeichenprofessor Hans Hermann (1885-1980) direkt auf den frischen Putz gemalt und mit einer Caseinlösung fixiert, um ihre Leuchtkraft und Lebensdauer zu erhöhen.



Fresken von Hans Hermann im Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasium freigelegt: das Hauptbild
Fresken von Hans Hermann im Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasium freigelegt: das Hauptbild "Kirchgang in Rode".


In der farbigen Szene an der Hauptwand der Aula, dem so genannten Kirchgang, malte der Künstler eine Gruppe sächsischer Frauen, Männer und Kinder in ihrer traditionellen Festtracht beim sonntäglichen Gang in die Kirche. Die künstlerische Ausgestaltung der Aula markierte 1912 den Abschluss der Bauarbeiten am neuen Gebäude des deutschen Gymnasiums in Mediasch, dessen Existenz als Bildungsstätte der aus dem Rhein-Mosel-Gebiet eingewanderten Siebenbürger Sachsen schon im 16. Jahrhundert dokumentiert ist.

Als Folge des Zweiten Weltkrieges verloren alle Deutschen in Rumänien für mehrere Jahre ihre Bürgerrechte und damit auch das Recht auf ein eigenes Schulwesen. Am 4. August 1948 musste der damalige Direktor des Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums, Julius Draser, das mit großen finanziellen Opfern von den Mediascher Sachsen erbaute moderne Gymnasium an den rumänischen Staat übergeben, der in diesem Gebäude eine rumänische Schule einrichtete. Im Sommer 1957 ließ der damalige rumänische Direktor Vasile Barna die wertvollen Fresken in der Aula aus politischen Gründen übertünchen (alle Spuren der Deutschen sollten beseitigt werden), so dass die Erinnerung an diese Kunstwerke mit den Jahren verblasste und nach der Auswanderung der Sachsen schließlich verloren ging.

Nach dem politischen Wandel in Rumänien infolge des Aufstandes gegen Ceaușescu wurde das gesamte deutsche Schulwesen der Stadt Mediasch erneut in den Räumen des Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums sowie in angrenzenden Gebäuden konzentriert. An der starken deutschen Abteilung dieses Gymnasiums werden heute wieder alle Fächer in deutscher Sprache unterrichtet, von Lehrern, die zum Teil als Gastlektoren aus der Bundesrepublik Deutschland kommen. Nachdem der Direktor des Mediascher Gymnasiums, Dorin Chira, von den Entdeckungen der Leverkusener Schüler erfuhr, beauftragte er ein auf Restaurierungen spezialisiertes Unternehmen in Rumänien mit der Suche nach den Fresken. Die Fachleute konnten feststellen, dass die wertvollen Kunstwerke gänzlich unbeschadet unter der Tünche erhalten geblieben sind und vollständig freigelegt werden können. Nach Verhandlungen mit dem Bürgermeisteramt der Stadt Mediasch und nach Zustimmung der Lehrerkonferenz wurde der Beschluss gefasst, die Fresken als Geste des Wandels in Rumänien sowie der Öffnung dieses Landes in Richtung Europa vollständig freizulegen. Da die Kosten dieses Vorhabens in Höhe von 4 535 Euro die Möglichkeiten der Stadt Mediasch bei weitem überstiegen, wurde der Plan zur Freilegung wieder fallen gelassen. Doch die Leverkusener Schüler ließen nicht locker, riefen zu einer Spende auf. Als der Personalleiter von TDM Friction, Dieter Dreber, die Multimedia-Show des Leistungskurses über Mediasch sah, überzeugte er seine Firma, 1 000 Euro zu spenden. Das Leverkusener Energieversorgungsunternehmen EVL spendete weitere 1 000 Euro, ebenso die HOG Mediasch, und gar 2 000 Euro die Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung aus München. So konnte das Leverkusener Gymnasium die notwendigen Mittel nach Mediasch überweisen. Am 16. Juni 2003 begannen die Freilegungsarbeiten unter der Leitung von Prof. Vasile Sotelecan (Hermannstadt), der mit einer gemischten Kunststudentengruppe aus Rumänien und aus der Bundesrepublik Deutschland bis zum Ende der letztjährigen Sommerferien die Arbeiten abschließen wollte. Prof. Sotelecan legte innerhalb einer Woche die beiden Fresken an den Säulen der Aula frei und ließ ein Gerüst aufbauen, um auch die Wandfresken freizulegen. Indes verstarb Prof. Sotelecan während der Arbeiten in der Aula des Gymnasiums jäh an einem Herzinfarkt. Nach einer notgedrungenen Unterbrechung der Arbeiten an den Fresken wurde der Auftrag an ein ungarisches Team vergeben, das nun die Freilegung erfolgreich abgeschlossen hat. Die Ergebnisse sind phantastisch: Die Malereien erstrahlen heute wieder in ihrem alten Glanz. Mitte August 2004 sollen sie der Mediascher und Leverkusener Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Hans Gerhard Pauer


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