25. Juni 2004

Stimmungswechsel nach Kommunalwahlen in Rumänien?

Ein überraschend schwaches Ergebnis verzeichneten die regierenden Sozialdemokraten PSD bei den Kommunalwahlen am 6. und 20. Juni in Rumänien. Besonders empfindlich getroffen wurde die PSD von den Niederlage in Bukarest und anderen Großstädten. In der rumänischen Hauptstadt errang das linksliberale Oppositionsbündnis aus Nationalliberaler Partei (PNL) und Demokratischer Partei (PD) sowohl die absolute Mehrheit im Stadtrat als auch den Stuhl des Oberbürgermeisters. Die Kommunalwahlen gelten als wichtiger Test für die im November stattfindenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Nach den Verlusten der Sozialdemokraten rechnen die Beobachter der politischen Szene im Spätherbst mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen der PSD und der Allianz D.A.
In Bukarest wurde der PD-Vorsitzende Traian Basescu bereits beim ersten Urnengang als Oberbürgermeister von Bukarest wieder gewählt. Die Regierungspartei hatte den populären Außenminister Mircea Geoana als Gegenkandidat aufgestellt, musste aber in der Hauptstadt Rumäniens ebenso den Kürzeren ziehen wie in Klausenburg. Hier wurde der nationalistische Bürgermeister Gheorghe Funar nach zwölf Jahren Amtszeit am 6. Juni abgewählt. Bei den Stichwahlen am 20. Juni erzielte der Kandidat der Allianz für Gerechtigkeit und Wahrheit (Dreptate si Adevar), Emil Boc (PD), 55,8 Prozent der Stimmen. Das Nachsehen hatte Ioan Rus (PSD), der ehemalige Innenminister. Rus hatte sein Amt wenige Tage zuvor niedergelegt, um sich auf die Bürgermeisterwahl in Klausenburg zu konzentrieren. Als Minister für Inneres und Verwaltung rückte Marian Florian Saniuta auf, der bisher Vorsitzender der rumänischen Agentur für Ausländische Investitionen war.

Bei den Lokalräten erzielte die PSD 31,82 Prozent der Sitze, die Allianz D.A. 31,35 Prozent. Bei den Kreisräten stand die Allianz mit 33,85 Prozent vorne, gefolgt von der PSD mit 32,68 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag unter 40 Prozent. Der rumänische Ministerpräsident und PSD-Vorsitzende Adrian Nastase versprach, künftig mehr auf die Unzufriedenheit in der Bevölkerung einzugehen. „Wir verstehen die Warnung“, sagte Nastase. Schon nach dem ersten Urnengang hatte er deutliche Zeichen der Nervosität gezeigt, als er unter dem Eindruck der schlechten Ergebnisse eine Verdoppelung der Rentenbezüge und höhere Zuschüsse für Familien in Aussicht gestellt hatte.

Traian Basescu von der oppositionellen Allianz für Gerechtigkeit und Wahrheit sagte nach Schließung der Wahllokale: „Zum ersten Mal hat Rumänien eine echte Alternative zur Sozialdemokratischen Partei.“

Zweifel an einem reellen Wechsel in Rumänien kündigt indes Die Zeit an. Die Hamburger Publikation stellt unter dem Titel „Eine sich wiederholende Geschichte“ fest: „Der Ausgang von Wahlen spielt in Rumänien nur eine untergeordnete Rolle: Die Korruption der politischen Klasse ist allgegenwärtig und zieht sich durch alle Parteien.“ Die Korruption sei ein „Krebsgeschwür der rumänischen Politik. In der noch jungen und zerbrechlichen rumänischen Demokratie haben die Wähler bisher bei jeder Wahl gegen die amtierende Regierung gestimmt. Aber es scheint ein Kampf gegen Windmühlen: Die von Korruption verdorbene Führung wird von der Opposition abgelöst – welche sich, sobald sie an der Macht ist, ihrerseits in undurchsichtige Affären stürzt.“ So hätte auch die PSD der Korruption und Armut den Kampf angesagt, als sie vor vier Jahren wieder an die Macht kam. „Die Bilanz heute ist niederschmetternd“, stellt Marius Draghici in der „Zeit“ fest. Die Korruption innerhalb der sozialdemokratischen Regierung habe Besorgnis erregende Ausmaße angenommen. An der Tagesordnung seien auch Behinderungen von Untersuchungskommissionen, die die Aufklärung von undurchsichtigen Affären zum Ziel haben.

Angesichts der unreifen politischen Klasse in Rumänien sei „an einen politischen Wandel und, ganz generell, an eine Verankerung der Demokratie“ kaum zu glauben, schreibt Draghici. „Eine reife politische Klasse, der die Zukunft des Landes und nicht die eigenen Interessen am Herzen liegt, muss in Rumänien noch erfunden werden. Eine bittere Schlussfolgerung drängt sich auf: Bei jeder Wahl werden die Korrupten durch weniger Korrupte ersetzt – und das Dilemma beginnt wieder von vorn.“

Siegbert Bruss

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