2. Juli 2004

Hamlescher Treffen: "Wir kennen uns nicht, sind aber verwandt“

Das diesjährigen Hamlescher Treffen fand am 22. Mai in Heilbronn/Biberach statt. Ingomar Kloos schildert seine persönlichen Eindrücke.
Zwar stammt mein Vater aus Hamlesch und ich bin trotz meiner Geburt in Norddeutschland ein „Wahl-Hamlescher“, aber Heimattreffen, landsmannschaftliche und ähnliche Veranstaltungen waren mir noch nie sonderlich sympathisch. Meine erstmalige Teilnahme am Hamlescher Treffen am 22. Mai in Heilbronn/Biberach verdanke ich dem guten Zuspruch einer Frau Schneider, die ich im vergangenen Jahr anlässlich familiärer Spurensuche bei einem Besuch in Hamlesch kennen gelernt hatte, und der Ermunterung meiner Großcousine Anneliese, die mich mit dem möglichen Wiedersehen einiger Verwandten lockte. Letzteres war schließlich ausschlaggebend. Bei meinem letzten Rumänienaufenthalt während der Ceausescu-Ära im Sommer 1968 hatte ich etwa drei Wochen meiner Ferien bei meiner Hamlescher Familie verbracht. Zu meinen Spielgefährten (ich war seinerzeit 16 Jahre alt) gehörten auch drei Großcousinen von mir. Eine von ihnen war ein bezauberndes zehnjähriges, frisches und lustiges Mädchen mit blonden Zöpfen und Sommersprossen: die „Mini“. Zu gern verbrachte ich möglichst viel Zeit bei den Mädels...

Nun bestand die Chance, diese und andere Verwandte wieder zu sehen. Also traf ich mit meiner Lebensgefährtin pünktlich um 12.00 Uhr in der Böllingertal-Halle ein. An den zahlreich in Reihen aufgegliederten Tischen fanden sich allmählich immer mehr Hamlescher ein, Männer meist mit weißen Hemden, zuweilen mit Krawatte und Jackett, Frauen mit und ohne Tracht, ohne die bereits Anwesenden nicht ausführlich begrüßt zu haben. Sofern man sich nicht kannte, wiederholte sich folgendes Ritual: „Servus, Krech.“ – „Kloos.“ – „Welcher Kloos?“- „Der vom Kloos-Hof.“ – „Welcher Kloos-Hof?“ – „Nr. 360.“ – „Der vom Kanter-Kloos?“ – Ich war mit meinem Latein am Ende. Die Mutter meiner Großcousine Anneliese griff hilfreich in die Identitätsklärung ein. In weiser Voraussicht hatte ich Fotos von meinem damaligen Hamleschbesuch parat, die u.a. meine Familie mit Großmutter, Schwestern meines Vaters usw. zeigten. Diese Bilder dienten mir nun sozusagen als Ausweis, der längere Aufklärungsgespräche über die Familienzugehörigkeit bequem verkürzte. Im weiteren Verlauf des Begrüßens und Vorstellens ergab sich des Öfteren (tatsächlich!) folgende Wendung: „.Ich kenne dich zwar nicht, aber wenn du der Sohn vom Johann bist, dann sind wir verwandt. Denn die Schwester meiner Großmutter ...“

Ich traf auch auf Familie, „echte“ (nahe) Verwandte, die Mutter jener drei Mädels, sogar diese und unter ihnen natürlich die „Mini“! Meine Spannung entlud sich, als sie mir gezeigt wurde: bis auf die blonden Zöpfe waren die oben genannten Attribute in voller Ausprägung und unverkennbar vorhanden.

Die Halle füllte sich, die meisten nahmen einen Platz ein, denn es wurde eine Kuchentafel eröffnet; es gab örtlichen Bäckerkuchen, der gut aber eben nicht „heimische Mehlspeise“ war. Einige Frauen hatten „eigenen“ selbst gebackenen Kuchen in ihren Plastikbehältern mitgebracht (Nussrolle, Nusskipferl usw.), die den Nahesitzenden angeboten wurden. Zuvor wurden an manchem Tisch die belegten Brote ausgepackt, weil es eben die Zeit war.

Für mich eine neue Erfahrung: Wie aufgeschlossen, beredt und gesellig erlebe ich die Hamlescher, ganz anders als noch 1968 (lag das an dem Besuch aus dem Ausland oder dem Frust mit der „Kollektivwirtschaft“?). Bald spielte eine Kapelle ein zuweilen bayerisches Repertoire ab und zum Tanz auf. Männer und Frauen in ihren wertvollen Trachten boten dazwischen gutgemeinte Heimatgesänge.

Das Erzählen brach nicht ab. Erinnerungen erweisen sich als ein wertvolles und bleibendes Gut, insbesondere der Älteren. Das Beklagen einer verlorenen Heimat, der gestorbenen Traditionen und Bräuche, läuft Gefahr der Relativierung, wenn der Aufbruch in die „Neue Heimat“ einer fraglichen Freiwilligkeit ausgesetzt wird. Der Heimatpflege in der Fremde könnte leicht der logische Vorwurf einer „contradictio in adjecto“ gemacht werden. Unleugbar bleiben der Wert der Begegnung und die Freude des Wiedersehens, die kritische Vorbehalte verblassen lassen.

Kritisch anzumerken wären allenfalls meine Erwartungen an die Veranstalter: Könnte man nicht zum Treffen einige aktive Teilnehmer organisieren, die Speisen und Getränke, Kuchen (auch z.B. Hanklich) und Fleischgerichte nach siebenbürgischer Art, transsilvanischen Wein und (vielleicht) einen „Zuika“ vorbereiten, Musikanten, die siebenbürgische und die doch wahrlich nicht verhassten rumänischen Weisen darbieten? Hätte nicht ein Wortbeitrag des Veranstalters z.B. mit Informationen über das gegenwärtige Hamlesch und verbundene Themen zu einem festlichen Rahmen beigetragen?

Um nicht falsch verstanden zu werden: Meine eingangs angedeuteten Hemmnisse gegenüber landmannschaftlicher Treffen hatten sich aufgelöst, kaum war eine „Vertriebenentümelei“ (siehe z.B. Schlesiertreffen) zu bemerken. Nein, ich bereue keine Minute meiner Teilnahme. Mehr: Ich bin froh, teilgenommen zu haben (Stichwort „Mini“). Die Hamlescher sind ein großartiges Völkchen. Auch in zwei Jahren werde ich dabei sein. Denn ich bin ein Hamlescher, wenn nicht qua Geburt, so vielmehr aus dem Herzen.

Ingomar Kloos, Halle

Bewerten:

12 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.