18. Juli 2004

Luise Gottschling - Lehrerin und Meteorologin

Am 26. Juni 1954 verstarb die Lehrerin und Meteorologin Luise Gottschling in Hermannstadt. Für die siebenbürgische Meteorologie hat sie Bedeutendes geleistet hat. Anlässlich ihres 50. Todestages sollen ihre Leistungen gewürdigt werden.
Luise Gottschling ist die Tochter des bedeutenden Schulmanns, Meteorologen und Landwirschaftsfachmanns Adolf Gottschling. Ihr Vater hatte 1878 die Leitung der meteorologischen Wetterwarte von Ludwig Reissenberger übernommen und die meteorologischen Beobachtungen bis 1918 durchgeführt.




Luise Gottschling wurde am 1. September 1873 in Hermannstadt geboren. Hier besucht sie die Grundschule und wird danach als Lehrerin ausgebildet. Am 1. September 1900 erhält sie ihre Anstellung an der Hermannstädter Mädchenschule. Nach dem Tode ihres Vaters im Jahr 1918 übernimmt sie dessen Amt an der Hermannstädter Wetterwarte und setzt die meteorologischen Beobachtungen bis 1947 fort. In den Jahren 1919-1920 führt sie die Tätigkeiten unentgeltlich durch. Nach der Übernahme der meteorologischen Apparatur durch den rumänischen Staat und deren Weitergabe an Luise Gottschling wurde am 27. April 1920 auch die Frage des Gehalts gelöst, d.h. sie erhielt monatlich 600 Lei.

Angefangen mit dem Jahre 1921 wurden die Wetterdaten am 1., 11. und 21. jeden Monats nach Bukarest geschickt, da die Wetterwarte fortan direkt dem Meteorologischen Institut Bukarest untersteht. Als die Hermannstädter Wetterwarte 1925 ihr 75-jähriges Jubiläum feiert, kann Luise Gottschling mit Stolz verkünden, dass die Wetterwarte eine ebenso lange lückenlose Beobachtungsreihe aufzuweisen hat – zugleich die Längste in Südosteuropa!

1938 veröffentlicht Luise Gottschling ihre bedeutendste wissenschaftliche Arbeit: „Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen in Hermannstadt in dem Zeitraume 1851-1925“, die als Fortsetzung der Arbeiten von Ludwig Reissenberger und Adolf Gottschling anzusehen ist.

Luise Gottschling ist auch als Pionier der praktischen Auswertung und Nutzung der Wetterdaten in Siebenbürgen anzusehen. Auf ihr Betreiben ist es gelungen, die Wetterdaten ab 1920 im Siebenbürgischen Tageblatt sowohl täglich als auch monatlich zu veröffentlichen.

In dem von Dipl.-Ing. Andreas Hann von Hannenheim 1980 entdeckten Gottschling-Archiv befinden sich Unterlagen, die beweisen, dass die Wetterdaten dank ihrer guten Qualität auch in der Praxis genutzt wurden. So fordert die Zwirnfabrik „Romanofir“ aus Talmesch in einem Schreiben vom 23. Januar 1937 an Luise Gottschling, gegen Bezahlung, eine Aufstellung von Temperaturwerten an, um den Wärmeverschleiß (Ausstrahlung) der Dampf-Außenleitungen zu berechnen und den Dampfverbrauch zu ermitteln. Eine Kopie des Antwortschreibens liegt ebenfalls vor.

Zudem sind im Archiv Tabellen und graphische Darstellungen bis 1942 zu finden, die alle zwecks praktischer Verwertung angelegt wurden. Auch diese Tätigkeiten führte Luise Gottschling bis ins Jahr 1947 fort. Danach zieht sie sich aus dem wissenschaftlichen Leben zurück.

Mit ihrem Tode im Jahr 1954 endet die Pionierzeit der Hermannstädter Meteorologie. Das Lebenswerk von Luise Gottschling ist um so bedeutender, als Frauen um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert noch sehr geringe berufliche Chancen als Lehrerin oder Naturwissenschaftlerin hatten. Ihre Tätigkeit übte sie unter schwierigen Bedingungen aus, wenn man bedenkt, dass sie unverheiratet war. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass Luise Gottschling zwei naturwissenschaftliche Reisen unternahm, und zwar nach Jerusalem und Spitzbergen.

Bruno Sift

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 11 vom 15. Juli 2004, Seite 8)

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