20. Juli 2004

Hoffen und Bangen in Gundelsheim

Das Siebenbürgen-Institut zieht Bilanz nach hundert Tagen: Die Hilferufe zum Erhalt des Siebenbürgen-Instituts, die Ende März in der Siebenbürgischen Zeitung und den Mitteilungen des Siebenbürgen-Instituts veröffentlicht wurden, sind nicht auf taube Ohren gestoßen. Zahlreiche Aktivitäten zur Abwendung dieser kultur- und wissenschaftspolitischen Katastrophe kamen zustande. Dennoch bleibt die Zukunft ungewiss, mehreren Mitarbeitern wurde gekündigt.
Bekanntlich stellt das Land Nordrhein-Westfalen seine institutionelle Förderung für den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat als Träger des Institutes ab 2005 ein. In den vergangenen 100 Tagen gab es ein verstärktes Spendenaufkommen von Einzelpersonen, Heimatortsgemeinschaften und anderen Gruppierungen. Die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek verzeichnet Zugänge von rund 50 000 Euro im ersten Halbjahr.

Unter den Zuwendungen befinden sich zahlreiche größere oder kleinere Spenden und Zustiftungen. Fünfundzwanzig Stifter haben einen Betrag von 1 000 Euro überwiesen. Einige sogar noch höhere Beträge. Viele Förderer der Stiftung haben die Idee der Bürgerstiftung berherzigt und wollen diese entsprechend ausstatten, damit sie die Gundelsheimer Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen auf lange Sicht funktionsfähig erhält. Sollte die Entwicklung so weitergehen, dürfte das Spendenergebnis des Vorjahres vervielfacht werden und vielleicht sogar den Betrag von 100 000 Euro erreichen. Allen Spendern und Zustiftern ein herzliches Dankeschön für ihre Anstrengungen und kreativen Ideen.

Leider muss man bei dieser Bilanz auch feststellen, dass die eingegangenen Stiftungsmittel nicht ausreichen werden, die Kündigungen des Bibliotheks- und Verwaltungspersonals zum Jahresende 2004 rückgängig zu machen. Die Förderung durch das Land NRW für den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat betrug in den zurückliegenden Jahren jeweils mehr als 100 000 Euro für notwendige Personal- und Sachkosten. Die Idee der Stiftung ist, die eingehenden Zuwendungen zur Erhöhung des Stiftungskapitals zu verwenden und nur die Zinsen auszuschütten. Zinserträge in dieser Höhe sind mit dem vorhandenen Stiftungskapital leider nicht zu realisieren.

Ab 2005 bleibt nur die Förderung durch das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg übrig, etwas mehr als ein Viertel der bisherigen Gesamtförderung. Hinzu kommen die Beiträge der zwölf Mitgliedsinstitutionen im Kulturrat, die Förderungen durch den Bibliotheksverein und die Stiftung. Selbst im günstigsten Falle werden über zwei Drittel der bisherigen öffentlichen Mittel wegfallen. Das hat zur Folge, dass die Mitarbeiterzahl ab 2005 reduziert werden muss. Von den bisher viereinhalb öffentlich und privat geförderten Stellen bleiben anderthalb Stellen übrig. Mit diesen Stellen müssen Bibliothek und Archiv 32 Stunden wöchentlich über 50 Wochen im Jahr geöffnet bleiben, müssen jährlich 1 000 Nutzer vor Ort und mehrere Tausend per Telefon, E-Mail und Fernleihe bedient werden, müssen 3 000 Neuzugänge gekauft und katalogisiert werden, viele Sammlungen erschlossen und gepflegt werden etc. Wegfallen wird nahezu die gesamte Verwaltung: Leitung, Sekretariat, Buchhaltung und eine halbe Bibliotheksstelle, nachdem schon Ende 2003 eine halbe Stelle aufgrund der Förderkürzung durch Kündigung weggefallen ist. Damit ist auch die Antragstellung und Durchführung von Projektmaßnahmen kaum noch möglich. Das besondere Fachwissen der dann entlassenen Mitarbeiter wird nicht zu ersetzen sein.

Die Geschäftsstelle des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates hat in den zurückliegenden Jahren erfolgreich Finanzmittel für Dokumentations-, Erschließung- und Sicherungsprojekte eingeworben und abgerechnet. In Siebenbürgen sind Mittel für den Einbau von Alarmanlagen bzw. Schutzgitter für Türen und Fenster in etwa 50 Kirchen beschafft worden. Im Zuge der Dokumentationsprojekte wurden Luftbildaufnahmen von allen sächsischen Ortschaften angefertigt und die flächendeckende Erfassung (Fotografien, fachkundige Beschreibungen, teilw. Publikation) aller denkmalwerten Gebäude vorgenommen. In den Jahren 2000 bis 2003 wurden mit westlichem Fachpersonal in Hermannstadt die Archive von 150 evangelischen Gemeinden erschlossen. Das Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Rumänien kann nunmehr zu Recherchen benutzt werden und ist gesichert. Die Abrechnung dieser Projekte, deren Summe durchschnittlich eine viertel Million Euro betrug, kann nur gewährleistet bleiben, wenn es eine kompetente Verwaltung und Buchhaltung gibt, der man die Mittelverwaltung zutraut.

Stiftungsvorstand und Institutsleitung wurden mehrfach gefragt, welcher Kapitalstock für eine ausreichende Ausstattung der Stiftung nötig sei. Bei Gründung der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek im Spätsommer 1999 ging man davon aus, dass ein Kapital von vier Millionen DM angespart werden müsste. Die Zustiftungen und Spenden waren im ersten Jahr des Bestehens der Stiftung erfreulich hoch. Die ersten Jahre des neuen Millenniums sind durch Kapitalmarktturbulenzen und die Vernichtung von Aktienvermögen in selten gekanntem Ausmaß gekennzeichnet. Die Krise dauert bis heute an. Die Zinsen sind auf historischen Tiefstständen. In der Zeit des Börsencrashs wurde das Vermögen der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek vollständig erhalten. Die Zinserträge von rund 500 000 Euro Stiftungskapital liegen jedoch nach Abzug der Bankgebühren und sonstigen Kosten bei 15 000 bis 20 000 Euro pro Jahr. Durch die Inflation wird das Stiftungskapital zusätzlich real vermindert.

Mit den Zinserträgen, die aufgrund staatlicher Auflagen auch zeitnah ausgegeben werden müssen, wurde nach der Neustrukturierung des Siebenbürgen-Instituts und nach der erfolgten Anbindung als An-Institut an die Universität Heidelberg die neu geschaffene Stelle eines Wissenschaftlichen Leiters finanziert. Aufgrund der geringen Zinserträge in wirtschaftlich schwierigen Zeiten setzte sich die Einsicht durch, dass das benötigte Stiftungskapital nicht vier Millionen DM, sondern vier Millionen Euro betragen müsse. Diese Zahl erschien allen utopisch und unerreichbar. Tatsächlich muss in den nächsten Monaten entschieden werden, wie groß der Mitarbeiterkern des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim bleiben kann. Die Mitarbeiter, die vielfach für ihre Familien alleinige Verantwortung tragen, brauchen Planungssicherheit. Gelingt es bis Jahresende eine Million Euro zusammenzubekommen, gibt es einen Hoffnungsschimmer - wenn nicht, gehen im Siebenbürgen-Institut die Lichter zum größten Teil aus. Die Spendeneingänge beweisen allerdings, dass diese Botschaft von vielen Landsleuten verstanden worden ist.

Gustav Binder

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